Tino Wieser ist gut vernetzt. Jetzt steht er im Visier von Ermittlungen rund um die Produktion von FFP2-Masken.

Foto: Matthias Cremer

Wien – "Wenige wissen made in Austria zu schätzen. Der Mensch giert danach, es billig zu bekommen. Am Ende des Tages entscheidet der Preis." Fünf Monate ist er her, dass Tino Wieser im Gespräch mit dem STANDARD über seine Erfahrungen als Unternehmer in Österreich Bilanz zog.

Der Grazer ist Chef und Miteigentümer des Textilkonzerns Palmers. Bei Hygiene Austria, die er mit dem Faserspezialisten Lenzing innerhalb kurzer Zeit aus dem Boden stampfte, hat er federführend das Sagen.

Reden will er über den Maskenhersteller derzeit nicht mehr. Das Unternehmen steht im Verdacht des Betrugs und der Schwarzarbeit. Es weist beide Vorwürfe zurück, räumte aber ein, dass ein Teil der Millionen Masken statt in Wiener Neudorf in China gefertigt wurde.

"Macht mir keine Schande"

"Macht mir keine Schande", habe Johanna Mikl-Leitner ihn gewarnt, nachdem sie als niederösterreichische Landeshauptfrau dabei geholfen habe, die Betriebstättengenehmigung zu beschleunigen, erzählte Wieser im Oktober. Er kritisierte die Regierung, die sich anfangs geweigert habe, bei Hygiene Austria einzukaufen. Und er beschwerte sich über "den Neidstaat Österreich", in dem alles, ob Steuern oder Schutzmasken, auf Gier hinterfragt werde.

Sein Antrieb für den Einstieg ins Maskengeschäft sei gewesen, etwas gegen Corona zu tun, fügte er hinzu, und er handle aus der Verantwortung für Palmers: Es gelte, zusätzliche Umsätze zu generieren.

Zurück zu den Wurzeln

Wieser, bis zur Maskenkrise nie um Antworten verlegen, war bis zu seinem Einstieg bei Palmers wenigen Österreichern als Unternehmer geläufig. Die Großeltern führten das noble Grazer Kleiderhaus Knilli. Die Eltern gingen im zusehends rauer werdenden Modehandel pleite.

Insolvenzverwalter oder Sanierer wollte er eigentlich werden, kehrte aber mit Mitte 20 ins Textilgeschäft zurück. Das BWL-Studium brach er ab und heuerte stattdessen bei Benetton als Franchisenehmer für große Flagshipstores an. 17 gemeinsame Jahre verbinden Wieser und die Italiener. Dann kam es zum Bruch. 2015 kaufte er mit Investoren Palmers. Seither überblickt er Wien hoch vom Ares-Tower von der Konzernzentrale an der Donau aus.

Spekulationen über Geldquellen

Die Quellen des dafür nötigen Kapitals regten Spekulationen an, zumal sich mit Benetton keine goldene Nase verdienen ließ, wie Wegbegleiter mutmaßen. Doch Wieser ist gut vernetzt – mit Matvei Hutmann etwa. Der gebürtige Russe wuchs in der Ukraine und Wien auf – und ist langjähriger Vertrauter der Familie.

Für die Meinl Bank holte er einst ukrainische Kunden an Bord. Hutmanns Familie gehört eine Stiftung in Liechtenstein. Diese ist Hälfte-Eigentümer von Palmers. Und an sie soll jüngst auch eine Rechnung aus China ergangen sein: 20 Millionen Masken sollen einem Vermittler zufolge in Liechtenstein abgerechnet worden sein, berichtete der Kurier.

Verbindungen in den Osten gibt es auch über Victor Bashkirov. Der Russe, der sich auf dem Wiener Immobilienmarkt engagiert, ist Hälfte-Eigentümer der P Tex Investments GmbH, an der Palmers zur Hälfte beteiligt ist.

Einst reichten die langen Fäden der Textilkette gar bis Nordkorea. Der frühere Vorstand N., heute Chef der Leder & Schuh AG, wurde 2016 vom Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung mehrfach zu Sensibilisierungsgesprächen geladen. Nordkoreaner wollten Palmers dazu bewegen, in dem totalitären Staat feine Spitze zu nähen.

Politisch gut vernetzt

Politisch sorgte rund um die Maskenproduktion ein Naheverhältnis zu Sebastian Kurz für Irritationen in der Opposition. Wieser teilt sich die Palmers-Führung neben Hutmann mit seinem Bruder Luca. Dieser wiederum ist mit Lisa Wieser verheiratet: Die Grazerin, seit 2011 Kurz’ persönliche Assistentin, leitet das Büro des VP-Bundeskanzlers.

Was Palmers selbst betrifft, hatte Wieser dieser Tage geplant, mit Journalisten über Umsatzzuwächse im Februar und neue Expansion zu plaudern. Ein Blick "in das Nähkästchen" der Wäschekette wurde versprochen. Bisher fielen deren finanzielle Erfolge eher bescheiden aus. Zwar legte der Umsatz in Österreich 2019 zu. Unterm Strich verbuchten die 300 Filialen in 17 Ländern aber weiterhin keinen Gewinn. Die Folgen der Corona-Krise sind offen.

Massiver Imageschaden

Es könne ihm nichts Schlimmeres passieren als Meldungen über Missstände bei seinen Lieferanten in China, meinte Wieser im Vorjahr, angesprochen auf Produktionspartner in Asien. Nun holen ihn noch widrigere Turbulenzen ein. Die Keller der Fabrik, die hart im Visier der Ermittler sind, liegen zudem bedeutend näher als jene in Fernost.

Auch für Lenzing ist der Imageschaden einer mutmaßlichen Herkunftsfälschung bei der gemeinsamen Joint-Venture-Firma Hygiene Austria erheblich. Unternehmenskenner rechnen damit, dass der Konzern aus der Maskenfertigung aussteigt oder sie ohne Palmers als Partner zur Gänze übernimmt. (Verena Kainrath, 6.3.2021)