Knapp sieben Wochen nach Amtsantritt fährt Joe Biden seinen ersten großen parlamentarischen Sieg ein. Mit 50 Ja- bei 49 Neinstimmen billigte der Senat ein 1,9 Billionen Dollar schweres Corona-Hilfspaket. Es ist das dritte in Folge. Allerdings fand sich kein einziger Republikaner, der sich mit den Demokraten verbündete, womit der Anspruch des US-Präsidenten, Brücken über Parteigräben zu bauen, auf die harte Realität prallte.

Ausgaben in der Höhe von 130 Milliarden Dollar sollen es Schulen erleichtern, zum Präsenzunterricht zurückzukehren. 350 Milliarden fließen an Kommunen und Bundesstaaten, um Haushaltslöcher zu stopfen. Familien mit Kindern erhalten Steuergutschriften. Mieter werden ebenso unterstützt wie Wohnungseigentümer. Die aufgestockte Arbeitslosenhilfe des Bundes wird um sechs Monate verlängert. Jeder Amerikaner, der weniger als 75.000 Dollar im Jahr verdient, bekommt einen Scheck über 1400 Dollar, der Betrag für Ehepaare wird verdoppelt. Bei seinem Amtsantritt habe er versprochen, dass Hilfe auf dem Weg sei, sagte Joe Biden, als er im Weißen Haus Bilanz zog. "Wir sind einen gewaltigen Schritt gegangen, um dieses Versprechen einzulösen."

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Hilferufe in den USA.
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Vorangegangen war ein Poker, der sich am Freitag bis weit in die Nacht hinzog und die Nerven blank liegen ließ. Joe Manchin, ein Demokrat, der mit West Virginia einen Staat vertritt, in dem Donald Trump die Wahl haushoch gewonnen hatte, warf sein ganzes politisches Gewicht in die Waagschale. Da es sich seine Fraktion nicht leisten konnte, auch nur eine einzige Stimme zu verlieren, konnte er so ziemlich alles durchsetzen, was er gefordert hatte. Vor allem ging es um die Frage, wie lange das aufgestockte Arbeitslosengeld überwiesen werden soll.

Die anfangs angepeilten 400 Dollar pro Woche lehnte Manchin mit dem Argument ab, dass dies Geringverdienern das Motiv nehme, ins Arbeitsleben zurückzukehren. Schließlich einigte er sich mit seinen Parteifreunden auf 300 Dollar, die nun bis Anfang September gezahlt werden. Auch in anderen Punkten mussten progressive Demokraten Zugeständnisse machen. Galt die Erhöhung des staatlich garantierten Mindestlohns auf 15 Dollar pro Stunde noch vor Wochen als Eckpfeiler des "American Rescue Plan", so ist in der jetzigen Fassung davon keine Rede mehr.

Zugleich macht das Kapitel deutlich, auf welch dünnem Eis sich Biden bewegt mit seinem Versprechen, über Parteigrenzen hinweg zu kooperieren, um die unter Trump auf die Spitze getriebene Spaltung zu überwinden. Die Fronten sind festgefahren, was auch daran liegt, dass die Grand Old Party, für die ausufernde Defizite in den vier Trump-Jahren kein Thema waren, plötzlich wieder zur Haushaltsdisziplin mahnt. "Nie zuvor hat der Senat zwei Billionen Dollar auf so unüberlegte Weise ausgegeben", wettert Mitch McConnell, ihr Fraktionschef im Senat.

Klotzen statt Kleckern scheint derzeit die Devise.
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Allerdings sehen auch Wirtschaftswissenschafter, die mit den Republikanern sonst nicht viel am Hut haben, den Klimmzug mit Skepsis, zumal in einem Moment, in dem sich in den USA bereits ein Aufschwung abzeichnet. Der Inflationsdruck sei so hoch wie seit einer Generation nicht mehr, warnt Larry Summers, unter Bill Clinton Finanzminister, unter Barack Obama Spitzenberater im Weißen Haus. Olivier Blanchard, einst Chefökonom des Internationalen Währungsfonds, fürchtet, ein zu üppig bemessenes Paket könnte zu einer wirtschaftlichen Überhitzung beitragen, in deren Folge schnell steigende Preise einen Flächenbrand auslösen.

Lehre aus früheren Zeiten

Bidens Mannschaft, in der fiskalische Tauben wie die Finanzministerin Janet Yellen den Ton angeben, handelt nach der Devise, dass man in einer Krise lieber zu viel tut als zu wenig. Vielen im Umfeld des Präsidenten steckt noch in den Knochen, was Obama kurz nach seiner Vereidigung 2009 an ernüchternden Erfahrungen machen musste. Seine Ratgeber hatten einen Kraftakt empfohlen, um die Auswirkungen der Finanzkrise abzufedern.

Das vom Kongress beschlossene 787-Milliarden-Paket erwies sich im Nachhinein als zu klein. Obama hatte zurückgesteckt, weil er hoffte, den einen oder anderen Republikaner ins Boot zu holen – eine naive Hoffnung, begegneten ihm die Konservativen doch mit einer Art Totalopposition. Biden zog den Schluss, trotz versöhnlicher Rhetorik Kompromisse mit dem politischen Gegner gar nicht erst anzustreben, sondern sich allein auf die eigene Mehrheit zu verlassen. (Frank Hermann, 7.3.2021)