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Die Stimmung zwischen Prinz Harry und Herzogin Meghan sowie dem britischen Königshaus ist auf einem Tiefpunkt.

Foto: Reuters / Harpo Productions

Los Angeles / London – Etwa die Hälfte des Interviews ist geführt, da spricht Herzogin Meghan, geborene Meghan Markle, von Suizidgedanken. Ihre Zeit als Mitglied der Königsfamilie hätte sie fast nicht überlebt, offenbart sie. Das klinge, als wäre sie mit ihren Nerven am Ende gewesen, hakt Oprah Winfrey, die Grande Dame der Talkshow, nach. "Ich habe mich geschämt, es damals zu sagen. Ich wollte einfach nicht mehr leben", erwidert die Frau aus Los Angeles. "Und das war ein sehr realer und klarer und angsteinflößender und ständig präsenter Gedanke. Und ich erinnere mich, wie Harry mich einfach an sich gedrückt hat."

Die Amerikanerin, die daheim alle Freiheiten genoss, sich in einen Prinzen verliebte, die Weiten ihrer kalifornischen Heimat – auch die geistigen – gegen die kleine Welt der Royals eintauschte, die in dieser Welt mit ihrem bis zum Exzess getriebenen Stoizismus dringend Hilfe brauchte und keine bekam: So ungefähr ließe sich zusammenfassen, was Meghan über ihre Erfahrungen mit dem britischen Königshaus berichtete.

Für den Schein

Was sie in zwei Stunden, opulente Werbepausen eingeschlossen, am Sonntagabend bei CBS schildert, ist eine Welt, in der es am wichtigsten ist, alles unter den Teppich zu kehren, was als problematisch wahrgenommen werden könnte. Zu der Zeit, als sie an Suizid dachte, habe sie Angst gehabt, allein zu sein, weil sie sich etwas hätte antun können, sagt sie. Sie habe deutlich gemacht, dass sie sich in Behandlung begeben müsse. Die Antwort sei ein Nein gewesen, verbunden mit der rhetorischen Frage, wie das wohl aussehen würde.

Dass der Schein gewahrt werden musste, wie ein roter Faden zieht es sich durch das Gespräch, geführt auf dem Anwesen eines Freundes in der Nähe von Santa Barbara. Immer wieder habe sie zu hören bekommen, dies und jenes dürfe sie nicht tun, weil es falsch ankommen könnte. "Die Institution" sei regelrecht besessen davon, wie etwas auf Außenstehende wirken, was die Boulevardpresse schreiben könnte, blendet die 39-Jährige zurück auf ihr Leben in London und Windsor. "Aber niemand hat gefragt, wie ich mich fühle."

Frage nach Hautfarbe des Babys

Dann schildert die Tochter einer schwarzen Mutter und eines weißen Vaters, wie man sich in der Königsfamilie fragte, welche Hautfarbe ihr erster Sohn wohl haben werde. Offenbar aus dem Grund habe man Archie nicht den Prinzentitel verleihen wollen. Auf ihre Frage, warum man ausgerechnet in seinem Fall von Althergebrachtem abweiche, habe es nie eine Antwort gegeben.

Jedenfalls habe sie der Hof, auch in dem Punkt von der Tradition abweichend, nie darum gebeten, nach dem Verlassen des Krankenhauses ein offizielles Foto mit dem Neugeborenen zu machen.

Wem konkret die rassistischen Vorurteile zuzuschreiben waren, lässt sie im Ungefähren. Ihr Mann erinnert daran, dass sich mehr als 70 Abgeordnete des britischen Parlaments über die "kolonialen Untertöne" in Artikeln über Meghan beschwerten. "Doch niemand aus meiner Familie hat in drei Jahren etwas dazu gesagt. Das tat weh."

Von seinem Vater Charles, räumt Harry an anderer Stelle ein, fühle er sich im Stich gelassen. "Er hat etwas Ähnliches durchgemacht. Er weiß, wie sich Schmerz anfühlt." Nachdem er, Harry, klargemacht habe, dass er Großbritannien zum Wohle seiner Familie verlassen werde, sei sein Vater nicht mehr ans Telefon gegangen, wenn er angerufen habe. Später, nach seinem Wegzug nach Kanada, dem der Umzug nach Kalifornien folgte, habe er ihm die finanziellen Mittel gestrichen. Wie auch sein Bruder William, resümiert Harry, sei Charles gefangen im königlichen System.

Männern in grauen Anzügen

Die Queen zumindest kommt bei alledem noch ziemlich gut weg. Kein Wort der Kritik an ihr, Meghan beschreibt sie als "wunderbar", als warmherzigen Menschen, der sie von Anfang an willkommen geheißen habe. Hart ins Gericht geht sie dagegen mit den Männern in grauen Anzügen, wie Prinzessin Diana den Hofstaat einst nannte, mit den Herrschern im Hintergrund, die den königlichen Haushalt führen. Mit der "Firma".

Zugleich malt sie in düsteren Farben aus, welch verheerende Rolle die britische Yellow Press spielt. Die Königsfamilie habe solche Angst vor der Regenbogenpresse, dass sie es vorziehe auszublenden, was immer sich ausblenden lasse, bestätigt Harry, der dazukommt, nachdem seine Frau gut die Hälfte des Interviews solo bestritten hat. Es gebe da diesen stillschweigenden Pakt zwischen Journaille und Hof: "Wenn ihr mit uns diniert und trinkt und uns vollen Zugang gewährt, bekommt ihr eine bessere Presse".

"Beginn des Rufmords"

Wie bisweilen frei Erfundenes gedruckt wurde, erzählt Meghan am Beispiel eines Streits vor ihrer Hochzeit mit Harry. Es ging um die Kleider der Blumenmädchen. Die Herzogin von Cambridge, mit bürgerlichem Namen Kate Middleton, habe sie deshalb zum Weinen gebracht, fasst Meghan das Kapitel zusammen. Die Sache sei ausgestanden, Kate habe sich entschuldigt, nur habe die Yellow Press den Fall Monate später spiegelverkehrt dargestellt. Warum? "Gute Frage", antwortet Meghan und betont, dieser Vorgang sei in ihren Augen ein Wendepunkt gewesen, der "Beginn wahren Rufmords".

Irgendwann lässt die ehemalige Hollywood-Schauspielerin fallen, dass sie und Harry bereits drei Tage vor der royalen Hochzeit im Mai 2018 im kleinstmöglichen Rahmen den Bund fürs Leben geschlossen haben. Nur er und sie – und der Erzbischof von Canterbury.

Gegen Ende bringt der Herzog von Sussex noch einmal prägnant auf den Punkt, warum er jetzt mit seiner Familie an der kalifornischen Pazifikküste lebt. Er habe befürchtet, dass sich Geschichte wiederholen könnte, sagt er. "Ich rede von meiner Mutter", fügt er hinzu, auf den Unfalltod von Lady Di anspielend. Nur habe er die Lage für Meghan als noch gefährlicher empfunden, zum einen wegen rassistischer Untertöne, zum anderen wegen der Rolle der sozialen Medien. Zum Wohle seiner Familie habe er die Entscheidung getroffen, Großbritannien zu verlassen. "Ich habe mich geschämt zuzugeben, dass Meghan Hilfe brauchte", schiebt er hinterher. Das liege wohl an der Mentalität seiner Familie: "Es ist, wie es ist, du kannst es nicht ändern, wir alle haben das auch schon durchgemacht." (Frank Herrmann aus Washington, 8.3.2021)


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DER STANDARD