Zum internationalen Frauentag am Montag herrscht in der österreichischen Innenpolitik eine seltene Übereinstimmung über Parteigrenzen hinweg: Frauen, das habe das letze, von der Pandemie gezeichnete Jahr gezeigt, sind Krisenmanagerinnen – und häufig waren sie auch die großen Verliererinnen der Krise.
Unterschiedliche Maßnahmen
Die Übereinstimmung geht so weit, dass die Oppositionsparteien SPÖ, FPÖ und Neos zum Weltfrauentag eine Sondersitzung einberufen haben. Obwohl sie sich in ihren konkreten Forderungen teilweise massiv unterscheiden, kann sich die Opposition auf den gemeinsamen Nenner einigen, dass die Regierung zu wenig getan habe, was die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf Frauen betrifft.
Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP) sei zwar mit vielen Bekenntnissen, aber mit wenig konkreten Maßnahmen aufgefallen, sagte Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger im Ö1-"Morgenjournal". Die Neos wollen längerfristige Aktionen, etwa dass Arbeitsmarktprogramme genau auf Frauen zugeschnitten werden, die Kinderbetreuung qualitätsvoll ausgebaut wird und eine Lohnnebenkostensenkung kommt, "weil das schafft neue Jobs". Kurzfristigen Hilfen wie der Aufstockung des Arbeitslosengelds – besonders viele Frauen verloren durch Corona ihre Jobs – hatten die Pinken zuletzt ihre Zustimmung im Parlament verwehrt. FPÖ und SPÖ fordern hingegen eine solche Erhöhung im Sinne der Frauen.
Botschaft am Bundeskanzleramt
Anstelle von Großveranstaltungen halten Organisationen und Parteien virtuelle Events ab oder machen mit solchen Guerilla-Aktionen auf den 8. März aufmerksam. So etwa die Wiener SPÖ. In der Nacht von Sonntag auf Montag projizierte die Organisation eine Botschaft aufs Bundeskanzleramt. "Krise. Entscheidungen? Männer", stand in großen Lettern am Arbeitsplatz des Bundeskanzlers. "Sämtliche Entscheidungen im Zuge der Krise wurden auf Bundesebene von Männern für Männer getroffen", sagt Marina Hanke, die Frauenvorsitzende der Wiener SPÖ.
Hanke fordert "handfeste Lösungen", die Regierung müsse handeln: "Es braucht ein feministisches Konjunkturpaket, welches in Pflege, Gesundheit, Kinderbetreuung und Bildung investiert. Es braucht ein Arbeitsmarktpaket für Frauen, es braucht flächendeckende ganztägige Bildungseinrichtungen in ganz Österreich, es braucht höhere Löhne für Frauen", so die Wiener SPÖ-Frauenvorsitzende.
Grüne Frauensprecherin ortet "Betoniererpolitik" der ÖVP
In der Regierung sind die Ansätze zur Frauenpolitik ebenfalls unterschiedlich: Ministerin Raab – die den Begriff "Feministin" für sich selbst ablehnt – gab anlässlich des Weltfrauentags bekannt, dass sie spezielle Förderungen in Höhe von 1,3 Millionen Euro plant, um Frauen für besser bezahlte MINT-Berufe zu begeistern und ihre Finanzkompetenz zu stärken.
Grünen-Frauenchefin Meri Disoski sieht verpflichtende Einkommenstransparenz als wichtigste Maßnahmen gegen die Lohnschere: Ab einer Unternehmensgröße von 35 Mitarbeitern sollen Betriebe offenlegen, in welcher Position wie viel verdient wird. Damit solle die Lohnschere geschlossen und Altersarmut vermieden werden, so die Hoffnung der Grünen. Bisherige Initiativen seien am ÖVP-Wirtschaftsflügel gescheitert, sagte Disoski. Aber sie "hoffe doch, dass wir diese Betoniererpolitik aufbrechen können".
Gemeinsame Nenner
Auch beim – ebenfalls in Verhandlung stehenden – Pensionssplitting sind die Grünen anderer Meinung als die ÖVP: Disoski drängt auf ein freiwilliges Splitting für alle Paare, nicht nur für Verheiratete. Sie wolle jedenfalls ein "Gesamtpaket", denn "das eigentliche Problem beginnt ja nicht erst in der Pension".
Die Frauenministerin sieht weitere Schwerpunkte – neben der Förderung der Finanzkompetenz – im Gewaltschutz und in spezifischen Arbeitsmarktförderungen für Frauen. In der Corona-Krise hätten die Frauen "Übermenschliches geleistet", nun müsse man aufpassen, dass das Zurückdrängen der Frauen in den häuslichen Bereich während der Lockdowns nicht zu verfestigten Strukturen führe, sagte sie in mehreren Interviews am Wochenende. Ein Punkt, in dem sich alle Parteien einig sind. (lhag, APA, 8.3.2021)