Neos-Verfassungssprecher Nikolaus Scherak hat am türkis-grünen Entwurf für das Recht auf Information einiges auszusetzen.

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Wien – Die Neos haben am türkis-grünen Entwurf für die Abschaffung des Amtsgeheimnisses einiges auszusetzen. Die Einführung eines Informationsfreiheitsgesetzes sei seit der Gründung der Partei eine zentrale Forderung gewesen, sagt Verfassungssprecher Nikolaus Scherak: "Leider geht der Gesetzesentwurf von ÖVP und Grünen aber nicht weit genug und sorgt für einige gravierende Unklarheiten."

Aus Sicht der Neos fehlt etwa ein echter Informationsfreiheitsbeauftragter, wie ihn Länder wie Slowenien haben. Die Stelle würde im Streitfall zwischen Antragstellern und Behörden vermitteln. Im türkis-grünen Kompromiss ist nun die Datenschutzbehörde für die Beratung der öffentlichen Stellen in solchen Fällen zuständig, die Grünen wollen dafür eine eigene Abteilung schaffen.

Wien soll eigenen Info-Beauftragten bekommen

"Die aktuell im Entwurf vorgesehene Regelung reicht nicht aus, weil die Datenschutzbehörde die Dokumente nicht einsehen darf und laut Entwurf nur der Datenschutzaspekt von der Datenschutzbehörde überprüft werden soll", sagt Scherak. "Überdies gibt es bei dieser Behörde auch nicht die nötigen Ressourcen und Kompetenzen. Dafür brauchen wir einen echten Informationsfreiheitsbeauftragten, der Einsicht in die Dokumente nehmen darf und auch zwischen Behörde und Antragstellerin beziehungsweise Antragsteller vermitteln kann."

Die rot-pinke Koalition in Wien plane deshalb, unabhängig vom Bund, im Rathaus einen Informationsfreiheitsbeauftragten zu implementieren, kündigen die Neos an.

Lange Fristen und kein Auto-Bescheid

Unzufrieden ist Scherak auch mit den vereinbarten Fristen: Standardmäßig haben Behörden für eine Antwort vier Wochen Zeit, bei komplexen Fällen kann diese Frist auf acht Wochen ausgedehnt werden. "Diese Fristverlängerung kann nicht bekämpft werden", kritisiert der Neos-Mandatar. Er fordert eine Frist von zwei Wochen, die aus besonderen Gründen um weitere zwei Wochen verlängert werden kann.

Zu lange dauert es den Neos auch, bis Bürgerinnen und Bürger einen bekämpfbaren Bescheid über ihr Informationsersuchen bekommen sollen: Gemäß dem Entwurf hat die Behörde dafür künftig zwei Monate Zeit – und das ab dem Zeitpunkt, zu dem danach gefragt wird. Die Neos wollen eine kürzere Frist für den Bescheid – und die Pflicht, einen solchen automatisch auszustellen, wenn eine Auskunft verweigert wird.

Die Frage des automatischen Bescheids war auch in den Verhandlungen zwischen Grünen und ÖVP ein Streitthema, bei dem sich letztlich die Volkspartei durchgesetzt hat.

Aktive Veröffentlichung auch kleinerer Verträge

Auch beim Informationsregister sehen die Neos Nachbesserungsbedarf – in diesem Register sollen Behörden ja aktiv Informationen von öffentlichem Interesse veröffentlichen müssen. Darunter fallen laut dem Entwurf "insbesondere" (aber nicht ausschließlich) Verträge ab einem Wert von 100.000 Euro. Das öffne, sagt Scherak, "die Tür dafür, dass ständig Verträge knapp unter dieser Grenze abgeschlossen werden und erst recht intransparent agiert wird. Die Grenze von 100.000 Euro ist für uns Neos daher zu hoch, um wirklich umfassende Transparenz gewährleisten zu können. Wir fordern ein Senken der Grenze auf 50.000 Euro."

"Solange" und "zwingend" fehlen

Außerdem stoßen sich die Neos an zwei kleinen, aber aus ihrer Sicht wirkungsvollen Wörtern, die im Entwurf fehlen: "solange" und "zwingend". Den Ausnahmeregelungen, wann Informationen nicht herausgegeben werden müssen, fehle im Verfassungsgesetzentwurf das erste Wort: Die Auskunft kann verweigert werden, "soweit" das etwa aus Gründen der Landesverteidigung notwendig ist, aber nicht "solange". "Eine Information darf heute vielleicht aus diesen Gründen nicht hergegeben werden, in fünf Jahren ist die Situation aber vielleicht eine ganz andere", so Scherak.

Darüber hinaus sollen Informationen geheim gehalten werden, wenn das aus einem der angeführten Geheimhaltungsgründe notwendig sei – und nur bei den integrations- und außenpolitischen Gründen ist hier das Wort "zwingend" vorangestellt. Das bedeute, dass schon beim Vorliegen eines Ausnahmegrundes die Information verweigert werden kann. Die Behörde müsse nicht prüfen, ob die Geheimhaltung wirklich zwingend notwendig sei, kritisieren die Neos.

Neos gegen Kammernprivileg

Unverständlich ist für Scherak auch die Sonderstellung der Kammern im Gesetz: Diese sind zwar auch von der Informationspflicht erfasst, allerdings nur ihren jeweiligen Mitgliedern gegenüber: "Warum sollte gerade den Kammern, die in Österreich so unfassbar viel Einfluss haben und im Gegensatz zur Opposition quasi in jede Entscheidung der Regierung eingebunden werden, nicht die gleichen Auskunftsverpflichtung wie den sonstigen staatlichen Stellen auferlegt werden?", fragt der Verfassungssprecher.

Scherak will 92 Jahre altes Versehen korrigieren

Einen rechtshistorischen Exkurs hält Scherak bei der Frage des Einflusses auf das Fragerecht der Abgeordneten. SPÖ und FPÖ fürchten ja, dass dieses durch das neue Gesetz eingeschränkt werden könnte. Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) entgegnet dem, dass sich Ministerinnen und Minister schon jetzt auch gegenüber Abgeordneten auf die Amtsverschwiegenheit berufen könnten und diese nur durch die Ausnahmegründe im Informationsfreiheitsgesetz ersetzt würde.

Scherak erklärt, dass es schon eine Zeit gab, als Regierungsmitglieder sich bei Anfragen aus dem Parlament gar nicht auf das Amtsgeheimnis hätten berufen können: nämlich vor der Verfassungsänderung von 1929. Erst die Änderung der Bestellung der Regierung durch den Bundespräsidenten habe diese Gesetzesänderung mit sich gebracht.

Scherak glaubt, dass das damals ein Versehen war, er will den 92 Jahre alten Fehler korrigiert wissen: "Es darf keine Ausnahmegründe für Ministerinnen und Minister im Zuge des Interpellationsrechts der Abgeordneten geben. Wenn Geheimhaltungsgründe vorliegen, müssen eben die Geheimhaltungsstufen, die die Informationsordnung des Parlaments vorsieht, herangezogen werden." Ähnlich wie bei der Lieferung des Ibiza-Videos an den Untersuchungsausschuss müssten dann eben bestimmte Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden. (Sebastian Fellner, 8.3.2021)