Polizei versperrte der Demo den Weg.

Foto: Markus Sulzbacher

Die Feststellung war Teilnehmern und Teilnehmerinnen der von der FPÖ maßgeblich organisierten Corona-Demo am vergangenen Samstag in Wien wichtig: Sie sind keine Nazis. Das war auch ungefragt den ganzen Tag über, ob am Heldenplatz oder im Prater, zu vernehmen. Auf die Frage, warum man gemeinsam mit Neonazis und anderen Rechtsextremisten demonstriere, hieß es, man sehe keine Rechtsextremen.

Dabei prägten erneut die großflächigen Transparente der Identitären, die seit einigen Monaten auch unter dem Label "Die Österreicher" in Erscheinung treten, das Bild er Demo. Ihre Banner mit den Aufschriften "Kurz wegkickln" oder "Kurz muss weg" waren der rechtsextremen Parallelorganisation zuzuordnen. Im Prater stellte sich FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl bei seiner Rede in unmittelbare Nähe des "Kurz wegkickln"-Transparents, dessen Botschaft er schmunzelnd wahrnahm. Er prangerte die Bekämpfung der Pandemie mit Tests und Impfungen an und wetterte gegen den Israel-Besuch von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP). Themen, die beim Publikum ankamen.

Ein Transparent der Identitären-Gruppierung "Die Österreicher".

Zuvor waren aus dem Demonstrationszug vereinzelte Sieg-Heil-Rufe zu vernehmen, Hitlergrüße und Fahnen des antisemitischen QAnon-Kults sowie Reichsfahnen zu sehen, ein Symbol der Reichsbürger-Bewegung in Deutschland. Auch die Corona-Querfront marschierte wieder mit, eine Gruppierung rund um Gottfried Küssel, einen der bekanntesten Neonazis des Landes. Küssel war auch im Prater dabei, als Kickl seine Rede hielt.

Betont aggressiv und gut vermummt traten Gruppen von Fußball-Hooligans auf, aus deren Reihen heraus Journalisten und Journalistinnen sowie Gegendemonstranten und -demonstrantinnen attackiert wurden. Diese Angriffe wurden mit "Scheiß Antifa"-Rufen eingeleitet. Eine Journalistin vom Presseservice Wien wurde während der FPÖ-Kundgebung tätlich angegriffen, angepöbelt und bei ihrer Arbeit behindert.

Video von den Auseinandersetzungen mit der Gegendemo am Samstag.

Aufgefallen ist auch ein Demonstrant, der einen großen sogenannten Judenstern mit der Aufschrift "Nicht geimpft" trug. Die Wiener Grünen kritisierten das scharf. Es sei "unzumutbar und unerträglich", wenn "rechtsextreme Gruppen mit Symbolen, die den Holocaust verhöhnen, durch die jüdischen Viertel ziehen", heißt es in einer Aussendung. Die Polizeiführung habe eine "Minderheit durch ihr Vorgehen geradezu ermutigt, indem sie großteils zusah und gewähren ließ".

Laut Polizeisprecher gab es im Zuge der Demo zwei Festnahmen nach dem Verbotsgesetz und insgesamt 3.000 Anzeigen wegen Verstößen gegen das Covid-Maßnahmengesetz. Insgesamt wurden vier Polizisten verletzt. Bei einigen Teilnehmern der Demonstration wurden Messer vorgefunden und sichergestellt, hält der Polizeibericht zusätzlich fest.

Menschen mit Regenbogenfahnen oder Esoteriker

Neben Rechtsextremisten, Identitären, Neonazis, Reichsbürgern und Anhängern des QAnon-Kults waren auch Impfgegner, Menschen mit Regenbogenfahnen oder Esoteriker stark vertreten. Es gab aber im Vorfeld und auch während der Demonstration keine öffentliche Distanzierung, keinen Protest gegen rechts oder das Auftreten von Verschwörungserzählern. Auch Abstände wurden nur selten eingehalten. Viele Teilnehmer waren sichtlich alkoholisiert. Besonders oft warnten sie davor, dass Impfungen zu Unfruchtbarkeit führen würden.

Martin Rutter, der sich in den vergangenen Wochen als Anführer der Proteste inszeniert hat, arbeitet mit Rechtsextremen zusammen, teilt deren Propaganda auf seinem Telegram-Channel. Dort bezeichnet er die neuen Gesetze der Regierung zur Eindämmung der Pandemie als "Ermächtigungsgesetz 2.0". Mit dem Ermächtigungsgesetz zementierten die Nazis 1933 ihre Macht in Deutschland. Bereits im Vorfeld der Abstimmung über das Gesetz wurden damals antifaschistische Abgeordnete verhaftet, darunter die gesamte Fraktion der Kommunistischen Partei. Rutter wurde am Samstag zu Beginn der Kundgebungen von der Polizei kurzzeitig in Gewahrsam genommen.

Keine Distanzierung oder Abgrenzung

Auch seitens der FPÖ gab es weder eine Distanzierung noch eine Abgrenzung. FPÖ-Abgeordnete führten sogar einen Demonstrationszug Richtung Polizeisperre an, sie verließen aber die Spitze, nachdem es bei der Sperre zu kleinen Scharmützeln mit den Beamten gekommen war.

Im rechtsextremen Lager ist die Demonstration und das Auftreten von hohen FPÖ-Politikern freilich gut angekommen. Identitären-Sprecher Martin Sellner schrieb auf Telegram von einem Erfolg, da sich "die FPÖ endgültig auf die Seite der Protestbewegung gestellt hat". Tatsächlich dürften die Freiheitlichen nun das Ruder bei den Protesten auf der Straße übernommen haben. So traten andere Propagandisten der Protestszene, die sich als "Widerstand" bezeichnet, auf einer Rednerbühne der Freiheitlichen im Prater auf, wie ein Wiener Reiseunternehmer, oder spornten im Netz ihre Gefolgschaft an, die Kundgebung der FPÖ zu besuchen.

Verletzter Wachmann

FPÖ-Chef Norbert Hofer unterstützte am Montag die Teilnehmer der Umzüge vom Samstag mit einer Aussendung. Darin fordert er, den "Protest verzweifelter Menschen nicht zu kriminalisieren". Daran ändere "auch der besorgniserregende Zwischenfall nach den Kundgebungen nichts, bei dem ein Wachmann verletzt wurde". Nach der FPÖ-Kundgebung im Prater wurde ein Zug von Demonstrierenden auf der Höhe Rossauer Lände von der Polizei gestoppt und eingekesselt. Dabei kam es zu Auseinandersetzungen mit der Polizei. Ein Teil der Eingekesselten stürmte danach ein Gebäude einer Versicherung, dabei wurden zwei Wachmänner verletzt.

Dieses Video zeigt, die Demonstranten in das Gebäude der Versicherung eindringen. Es stammt aus den Reihen der Demonstranten. Bei diesem Hausfriedensbruch wurden 22 Personen schließlich angezeigt.
Alles Chuzpe

FPÖ-Sicherheitssprecher Hannes Amesbauer macht für die Eskalation "die Polizeiführung" und den Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) verantwortlich. "Hier wurden hunderte Menschen bewusst in eine Falle gelockt, eingekesselt und dort sogar mit Pfefferspray attackiert", schrieb er in seiner Aussendung am Sonntag. Vorwürfe, die Polizeipräsident Gerhard Pürstl zurückverweist. Die Teilnehmer seien "mit Widerstand gegen die polizeilichen Maßnahmen die Obere Donaustraße flussaufwärts" marschiert. In einer Pressekonferenz am Montagnachmittag bezeichnete Pürstl den Einsatz als "gelungen".

Die nächste Demonstration in Wien ist für 20. März angekündigt. (Markus Sulzbacher, 8.3.2021)