Geschäftiges Treiben in Roms Einkaufsmeile Via del Corso – Corona hin oder her.

Foto: EPA/ANGELO CARCONI

Am Abend des 21. Februar 2020 war im Spital von Schiavonia in Norditalien Adriano Trevisan verstorben: Der 77-jährige Rentner aus Vo’ Euganeo in der Region Venetien war der erste Patient Italiens und damit der EU, der offiziell an einer Infektion mit dem Coronavirus verstorben war. Die Betonung von "offiziell" ist wichtig: In Wahrheit waren in Italien bereits vor Trevisan dutzende, wenn nicht hunderte Menschen an Covid-19 gestorben. Das Virus hatte sich in Norditalien schon während mindestens dreier Monate ausgebreitet – nur wusste das damals noch niemand, und deshalb wurden die Toten nicht getestet.

Nach dem ersten Todesfall wurden Vo' Euganeo und zahlreiche andere Gemeinden vollständig abgeriegelt, die Geschäfte und Schulen geschlossen, die Bewohner mit einem Ausgehverbot belegt. Man hoffte, mit diesen Maßnahmen die Epidemie auf die wenigen damals bekannten, verhältnismäßig kleinen Infektionsherde beschränken zu können. Das sollte sich schnell als Illusion erweisen – kurz darauf befand sich ganz Italien in einem harten Lockdown. Niemand – nicht einmal der größte Pessimist – konnte damals ahnen, dass 380 Tage nach Trevisans Tod in Italien die Zahl der Covid-Toten die Marke von 100.000 überschreiten würde, zum ersten Mal in einem EU-Mitgliedsstaat. Nur in Großbritannien liegt die Zahl der Covid-Toten mit 124.000 noch höher – aber Großbritannien ist nicht mehr Teil der EU.

Sorge wegen Mutation

Noch immer sterben in Italien täglich rund 300 Menschen an Covid. Das ist, als würde jeden Tag ein großes, vollbesetztes Passagierflugzeug abstürzen. Gleichzeitig steigen die Fallzahlen erneut, und laut den Experten besteht die Gefahr, dass die Zahl der täglichen Toten – nach einer deutlichen Reduktion im Februar – in kürzester Zeit noch weiter steigen könnte, auf bis zu 500 täglich. Sorgen bereiten den Behörden die Mutationen, insbesondere die hochansteckende britische Variante des Virus, die in Italien inzwischen für über 60 Prozent der täglichen Neuinfektionen verantwortlich ist. In einigen Städten und Regionen Norditaliens stoßen die Covid-Abteilungen und Intensivstationen bereits wieder an ihre Belastungsgrenzen.

Italien steht vor dem gleichen Problem wie alle EU-Staaten: Es mangelt auch hier am dringend benötigten Impfstoff. Zwar liegt Italien mit 5,5 Millionen Personen, die mindestens die erste Impfdosis erhalten haben, EU-weit im vorderen Mittelfeld. Zwei Drittel aller Impfdosen wurden jedoch an "strategische" Berufsgruppen – vor allem medizinisches Personal und Lehrkräfte – verimpft, während in der Altersgruppe der über 80-Jährigen erst jeder Vierte immunisiert worden ist. Dies ist laut Epidemiologen ein Grund dafür, warum die Sterberate in Italien bis heute zu den höchsten der Welt zählt.

Dringlicher Gipfel

Obwohl das jüngste Anti-Covid-Dekret erst vor drei Tagen in Kraft getreten ist, hat Ministerpräsident Mario Draghi am Montag erneut einen dringlichen Gesundheitsgipfel der zuständigen Ministerien einberufen, auf dem die Notwenigkeit neuer Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie erörtert werden sollte. Beschlüsse sind noch nicht bekanntgegeben worden, aber laut Medienberichten erwägt die Regierung unter anderem die zeitliche Ausdehnung der bereits seit November im ganzen Land geltenden Ausgangssperre, die Einführung von strengen Lockdowns an den Wochenenden oder gar einen neuen, national geltenden dreiwöchigen Total-Lockdown, während dem die Impfkampagne vorangetrieben werden soll. (Dominik Straub aus Rom, 8.3.2021)