Fast jeden Samstag findet in Wien das gleiche unerträgliche Schauspiel statt. Rechtsextreme, bekennende Neonazis und jene, die nicht erkennen wollen, dass sie mit ebensolchen marschieren, belagern die Stadt. Am Himmel kreisen stundenlang Hubschrauber. Unten kreisen stundenlang Tausende, schreien "Kurz muss weg" und zuletzt vereinzelt "Sieg Heil!". Letzten Samstag trugen sie den Holocaust verharmlosende Symbole und Reichsflaggen auch durch die Leopoldstadt, wo viele Juden wohnen. Familien, die im Prater Erholung suchten, oder Fahrgäste, die sich in Öffis dem maskenlosen Pulk gegenübersahen, wurden mit ihrer Angst alleingelassen.

Demonstrierende im Wiener Prater.
Foto: imago/Volker Preußer

Die Polizei stand den großteils untersagten Demos in zu geringer Zahl gegenüber. Dass Polizeichef Gerhard Pürstl den Einsatz als gelungen bezeichnet, ist zynisch und qualifiziert ihn für den Rücktritt. Dass Innenminister Karl Nehmammer Pürstl nach wie vor den Rücken stärkt, ist mehr als verwunderlich.

Wie sein Vorvorgänger Herbert Kickl und FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz in ihren Reden auf Israel schimpften, den Kampfgeist "in unserer DNA" beschworen und drohten, dass "am Ballhausplatz die Kronleuchter" wackeln würden, war ein Tiefpunkt. Das Eindringen des Mobs in eine Versicherung, wo zwei Wachmänner verletzt wurden, der nächste.

Jenen, die weinerlich klagen, dass sie keine Nazis sind, aber mit gewaltbereiten Holocaust-Leugnern und verwirrten Corona-Leugnern mitgehen, sei gesagt: Wer schweigt, stimmt zu. Wer mitgrölt und Brandreden applaudiert, noch viel mehr. (Colette M. Schmidt, 8.3.2021)