Madeleine Darya Alizadeh spricht in Bezug auf Homeoffice von Flexibilität in Sachen Alltagsgestaltung.

Foto: Katharina Gossow

"Für mich hat sich in erster Linie die Arbeit mit meinem Modelabel dariadéh drastisch verändert. Normalerweise besuche in einige Male pro Jahr die Fabriken in Portugal, wo ich auch produzieren lasse. Diese Besuche müssen nun virtuell stattfinden. Wenn Anproben für eine Kollektion auf dem Programm stehen, geschieht dies am Bildschirm. Da steht ein Model in Portugal und eines hier, und so wird das Ganze per Video mit Schnittzeichnerinnen etc. aufeinander abgestimmt.

Natürlich geht es bei Textilien auch sehr ums Haptische, also werden Stoffmuster per Post hin- und hergeschickt. Der Mehraufwand ist immens. Hinzu kommt das Virus selbst. Infiziert sich in einer Fabrik eine Arbeiterin oder ein Arbeiter, kann es sein, dass der ganze Laden in Quarantäne muss. Einmal war dies für drei Wochen der Fall.

Was meine Tätigkeit als Influencerin betrifft, die ja nur Teil meines Jobs ist, trifft mich das Ganze natürlich weniger, da ich auf den verschiedenen Plattformen ohnehin virtuell auftrete. Auch sonst ist das Homeoffice in meinem Fall kein wirkliches Novum. Ich arbeite immer schon viel von zu Hause aus. Jetzt halt noch mehr, obwohl ich ein Büro mit einer Mitarbeiterin und einem Mitarbeiter unterhalte. Unsere Treffen finden in erster Linie remote statt, oder wir lassen uns testen uns setzen uns zusammen.

Die Vorteile in Sachen Homeoffice liegen in der Flexibilität, was die Gestaltung des Alltags betrifft. Es ist egal, ob man zehn Minuten früher oder später startet. Ich schätze es sehr, in einer gemütlichen Umgebung zu arbeiten. Ferner lassen sich Kochen, Laufengehen und Ähnliches viel besser integrieren. Man spart sich Wegzeiten etc.

Gerade für Menschen mit Familie wäre es auch früher schon einfacher gewesen, wenn sie von daheim aus hätten arbeiten können, wenn zum Beispiel unvorhergesehene Umstände wie Krankheiten eintraten. Ich denke auch an alleinerziehende Menschen, wie es im Falle meiner Mutter und mir war.

Soziale Kontakte

Die Nachteile sehe ich in der Problematik, Berufliches und Privates sauber voneinander trennen zu können. Mir ist kaum jemand bekannt, der das wirklich positiv hinkriegt. Hinzu kommen die fehlenden sozialen Kontakte. Es gibt Tage, da hat man einfach bis zu Mittag mit niemandem gesprochen. Oder noch länger.

Ob mir schon mal was Peinliches während eines Videocalls passiert ist? Einmal hab ich einen Call vergessen und war gerade mit Sport beschäftigt. Ich musste allerdings ad hoc teilnehmen, und so landete ich im Sport-BH vor dem Bildschirm. Kommentiert wurde der Auftritt aber nicht. Ab und an marschierte mein Partner durchs Bild.

Deswegen setzen wir uns jetzt bei Calls immer vor eine Wand, damit niemand dahinter durchlaufen kann. Ich finde solche Dinge aber auch okay, denn sie zeigen, dass sich Privates und Berufliches immer auch ein Stück weit überlappen. Hundegebell, durchs Bild laufende Kinder, all das macht die Situation doch auch ein bisschen menschlicher.

Was meinen Arbeitsplatz betrifft, sollte dieser recht sauber und aufgeräumt sein, damit ich nicht abgelenkt werde. Licht ist mir wichtig und die Nähe zur Küche. Mein Traum-Homeoffice stünde sicher nicht unter zwei Palmen. Da würde mich die Umgebung zu sehr ablenken.

Vertrauensvorschuss

Natürlich hat die Pandemie die Art und Weise, wie wir arbeiten, revolutioniert. Im besten Falle bemerken viele Arbeitgeber, dass ihre Mitarbeiter auch von zu Hause aus einen guten Job machen. Dabei handelt es sich um eine individuelle Angelegenheit. Manche Menschen brauchen mehr, manche weniger Struktur.

Es werden wohl auch Unternehmen existieren, in denen vermutet wird, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Möglichkeiten des Homeoffice missbrauchen. Es gibt auch ein Jahr nach dem Beginn der Krise noch Firmen, die ihre Leute bis heute nicht zu Hause arbeiten lassen, obwohl bekannt ist, wie viele Menschen sich an der Arbeitsstätte anstecken. Da herrscht viel Misstrauen.

Bei mir geht es sehr unkonventionell zu. Meiner Meinung nach funktioniert es sehr gut, wenn man den Menschen, mit denen man arbeitet, einen Vertrauensvorschuss zukommen lässt. Aber das ist eine Frage der Unternehmenskultur." (Michael Hausenblas, RONDO, 12.3.2021)