Motorräder und E-Bikes sind trotz – oder gerade wegen – der Pandemie gefragt. Stefan Pierers Motorradschmiede KTM in Mattighofen hat das Krisenjahr 2020 gut durchgetaucht, heuer will man noch mehr aufs Gas steigen. 200 Leute werden gesucht, allein "wir finden sie nicht", sagt Vorstand Viktor Sigl.

"Während manche Branchen aktuell schwer mit der Finanzierbarkeit ihrer Mitarbeiter zu kämpfen haben, suchen andere händeringend nach qualifiziertem Personal", stellt auch Erich Lehner, Mittelstandsexperte bei EY fest. Der Berater hat im Jänner die Chefs mittelständischer Unternehmen befragt. Da äußerten sich viele besorgt. Der Fachkräftemangel bleibt gleich nach der Sorge wegen eines neuerlichen Corona-Ausbruchs das drängendste Thema bei den Betrieben.

Es wird zwar weniger eingestellt, trotzdem machen sich Unternehmen Sorgen, die richtigen Mitarbeiter zu finden.
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Die Arbeitslosigkeit ist auf Rekordhoch, die Zahl der offenen Stellen geschrumpft, und dennoch finden Unternehmen nicht die Mitarbeiter, die sie benötigen – kann das sein? Österreichweit waren zuletzt immerhin etwa 490.000 Menschen ohne Job – um rund ein Drittel mehr als im Jänner 2020.

Für KTM-Mann Sigl ist die Mobilität, die im eigenen Betrieb eigentlich für Jobs sorgt, in anderer Ausprägung auch einer der Gründe für die Misere. Viele Arbeitnehmer würden kaum den Wunsch verspüren, sich zu verändern, sagt Sigl. Wenige Kilometer weiter sieht man das ähnlich. Auch Stefan Limbrunner, Geschäftsführer beim Fahrradhersteller KTM, macht die Erfahrung, "dass die Menschen in der Krise eher auf Sicherheit bedacht sind und nicht so wechselwillig sind. Während die Motorradschmiede großflächig Personal im Produktionsbereich sucht, ist das beim Fahrradhersteller derzeit kein Nadelöhr. Werden rasch Leute gebraucht, stelle man Leasingkräfte ein. "Eng wird es, wenn man Spezialkräfte wie Konstrukteure sucht", sagt Limbrunner.

Arbeitskräftemangel

Berater Erich Lehner sieht allerorts Bedarf und spricht eher von einem Arbeitskräftemangel – unter anderem aus demografischen Gründen: Gesucht werde in Industriebetrieben, in Gewerbebetrieben, Lehrlinge, Facharbeiter, aber auch Betriebswirte. Zwar stünden derzeit viele Kräfte am Arbeitsmarkt zur Verfügung, allein ihnen fehle oft die richtige Qualifikation.

Nicht nur Techniker und Gesundheitspersonal sind derzeit gesucht.

Richtig ist, dass die Arbeitslosigkeit bei weitem nicht landauf, landab gleichermaßen exorbitant hoch ist. Während sie in Tirol durch den Totalausfall der Wintersaison mancherorts in schwindelerregende Höhen gestiegen ist, kamen industrielastige Bundesländer wie Oberösterreich und die Steiermark besser durch die Krise. Während die Wintersportregionen mit voller Wucht getroffen wurden, ist die Arbeitslosigkeit in einigen eher ländlichen Gemeinden und Regionen sogar gesunken. Im Bezirk Braunau, wo die beiden KTM-Hersteller angesiedelt sind, ist sie etwa gleich hoch wie vor der Krise – bei höherer Beschäftigung.

Für die Region ist das gut, für einzelne Betriebe weniger. Wo zudem der Anteil der Dienstleister hoch ist – wie etwa in Wien –, spürt man das auch am Arbeitsmarkt. Die Arbeitslosenquote lag im Februar in der Hauptstadt bei gut 15 Prozent, in Oberösterreich bei knapp sieben.

Auch wenn vor der Krise der Mangel an gut ausgebildeten Fachleuten noch sehr viel größer war: Auch in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit finden manche Betriebe nicht die geeigneten Mitarbeiter. Mancher bildet wieder mehr aus.
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Alles in allem sei "das Problem Fachkräftemangel eindeutig geringer geworden", sagt AMS-Chef Johannes Kopf. Den gut 23.000 offenen Stellen auf der AMS-Fachkräfteliste im Februar 2020 stehen heuer rund 15.600 gegenüber. Auch die Problemzonen haben sich verändert: Köche und Kellner werden derzeit naturgemäß nicht gesucht. Die Industrie ist geschwächt, weniger Betriebe suchen Leute. Richtig ist aber auch, dass Pflegepersonal und Techniker weiterhin gefragt sind. Gut 1300 Krankenschwestern und Pfleger werden gesucht, fast 2400 Elektroinstallateure, über 1300 Monteure. Knapp 950 offenen Schlosserstellen stehen allerdings über tausend arbeitslose Schlosser gegenüber. Auch das kommt vor. Bei Zimmerern und Schweißern ist das Verhältnis nicht unähnlich.

Komfortzone Kurzarbeit?

Richtig ist auch, wer Personal sucht, hat nichts davon, wenn es für den eigenen Betrieb nicht verfügbar ist. "Die Kurzarbeit schiebt die Menschen in eine gewisse Komfortzone", mutmaßt KTM-Mann Sigl. Auch AMS-Chef Kopf spricht von geringerer Flexibilität und plädiert dafür, die Kurzarbeit ab Sommer "weniger attraktiv" zu machen. Daneben fährt das AMS eine große Qualifizierungsoffensive mit 700 Millionen Euro zusätzlich. IT, Umwelt, Pflege, Metall- und Elektrotechnik, es werde in Zukunftsbranchen investiert, sagt Kopf. Die über 140.000 Langzeitarbeitslosen sind selten in solchen Qualifizierungsmaßnahmen zu finden. Fachliche Weiterbildung reiche da nicht. Kopf verweist auf Instrumente wie etwa sozioökonomische Betriebe – die von der SPÖ geforderte Aktion 40.000 hält er so für nicht tauglich.

Das Wachstum werde rasch zurückkehren, sobald die Konjunktur wieder anspringt, ist Kopf überzeugt. In der Industrie werde der Fachkräftemangel dann bald wieder ein größeres Thema sein. Auch die Sorge in Tourismusbetrieben, dass Leute aus der Branche abwandern, sei berechtigt. In Salzburg wird auch in diesem Bereich weitergebildet, so mancher wolle höher qualifiziert, zum Beispiel als Weinsommelier, weitermachen.

Ganz ohne Grundkenntnisse in IT kommt man heute in fast keinem Job mehr aus. Viele Berufsbilder haben sich gewaltig geändert.
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Das Thema Zumutbarkeit brauche man derzeit nicht angreifen, sagt Kopf. Nachdem die überregionale Vermittlung praktisch nur im Tourismus funktioniert, müssten sich Regionen aber überlegen, wie man für Arbeitskräfte attraktiv sei. "Das AMS kann unterstützen, Wohnungen bereitstellen können wir nicht."

Wifo-Ökonomin Julia Bock-Schappelwein mahnt, neben Baustellen wie Tourismus und Pflege nicht aus den Augen zu verlieren, dass es kaum noch Berufe gibt, in denen nicht digitale Basiskenntnisse nötig sind – bei Beschäftigten im Handel ebenso wie beim Lagerarbeiter. "Die Zeit der Arbeitslosigkeit sollten wir nutzen, um auch hier zu qualifizieren", sagt die Ökonomin. KTM hat auch seine Schlüsse gezogen. Heuer will man 70 Lehrlinge ausbilden. 20 bis 30 mehr als die Jahre davor. Das läuft laut Vorstand Viktor Sigl gut: "Junge Leute finden uns cool."

Beim Autozulieferer Miba in Laakirchen ist man diesbezüglich derzeit eher besorgt. Rechtzeitig Lehrlinge zu finden, sei wohl Corona-bedingt schwieriger. Metalltechniker, Prozesstechniker, Elektrotechniker werden gesucht. (rebu, 9.3.2021)