FPÖ-Klubchef Herbert Kickl sprach am Samstag im Prater.

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Die Feststellung war Teilnehmern und Teilnehmerinnen der von der FPÖ maßgeblich mitorganisierten Corona-Demo am vergangenen Samstag in Wien wichtig: Sie sind keine Nazis. Das war auch ungefragt den ganzen Tag über, ob auf dem Heldenplatz oder im Prater, zu vernehmen. Auf die Frage, warum man gemeinsam mit Neonazis und anderen Rechtsextremisten demonstriere, hieß es, man sehe keine Rechtsextremen.

Dabei prägten erneut die großflächigen Transparente der Identitären, die seit einigen Monaten auch unter dem Label "Die Österreicher" in Erscheinung treten, das Bild der Demo. Ihre Banner mit den Aufschriften "Kurz wegkickln" oder "Kurz muss weg" waren der rechtsextremen Parallelorganisation zuzuordnen. Im Prater stellte sich FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl bei seiner Rede in unmittelbare Nähe des "Kurz wegkickln"-Transparents, dessen Botschaft er schmunzelnd wahrnahm. Er prangerte die Bekämpfung der Pandemie mit Tests und Impfungen an und wetterte gegen den Israel-Besuch von Bundeskanzler Sebastian Kurz. Themen, die beim Publikum ankamen.

"Sieg Heil"-Ruf

Zuvor waren aus dem Demonstrationszug vereinzelte "Sieg Heil"-Rufe zu vernehmen, Hitlergrüße und Fahnen des antisemitischen QAnon-Kults sowie Reichsfahnen zu sehen, ein Symbol der Reichsbürgerbewegung in Deutschland. Auch die Corona-Querfront marschierte wieder mit, eine Gruppierung rund um Gottfried Küssel, einen der bekanntesten Neonazis des Landes. Küssel war auch im Prater dabei, als Kickl seine Rede hielt.

Seitens der FPÖ gab es weder eine Distanzierung oder Abgrenzung. FPÖ-Abgeordnete führten sogar einen Demonstrationszug Richtung Polizeisperre an, verließen aber die Spitze, nachdem es bei der Sperre zu Scharmützeln mit Beamten kam.

Im rechtsextremen Lager sind die Demonstration und das Auftreten von hohen FPÖ-Politikern gut angekommen. Identitären-Sprecher Martin Sellner schrieb auf Telegram von einem Erfolg, da sich "die FPÖ endgültig auf die Seite der Protestbewegung gestellt hat". Tatsächlich dürften die Freiheitlichen nun das Ruder bei den Protesten auf der Straße übernommen haben. So traten andere Propagandisten, die sich als "Widerstand" bezeichnen, im Prater auf oder spornten im Netz an, die Kundgebung der FPÖ zu besuchen.

Unterstützung vom FPÖ-Chef

FPÖ-Chef Norbert Hofer unterstützte am Montag die Teilnehmer der Umzüge vom Samstag mit einer Aussendung. Darin fordert er, den "Protest verzweifelter Menschen nicht zu kriminalisieren".

Daran ändere "auch der besorgniserregende Zwischenfall nach den Kundgebungen nichts, bei dem ein Wachmann verletzt wurde". Nach der FPÖ-Kundgebung im Prater wurde ein Zug von Demonstrierenden auf der Höhe Rossauer Lände von der Polizei gestoppt und eingekesselt. Dabei kam es zu Auseinandersetzungen mit der Polizei. Ein Teil der Eingekesselten stürmte danach die Garage einer Versicherung, dabei wurde einer von zwei Wachmännern verletzt.

Er zog sich einen Wadenbeinbruch zu und wurde am Sonntag operiert. Das bestätigte Viktor Wagner dem STANDARD. Er ist Geschäftsführer der Reiwag Facility Services, wo der Mann seit 1997 angestellt ist. "Wir sind tief bestürzt über diesen Vorfall", sagt Wagner.

Sperren durchbrochen

Wiens Landespolizeipräsident Gerhard Pürstl wehrte sich Montagnachmittag bei einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz gegen Vorwürfe. Während eine Seite ein zu lasches Vorgehen der Exekutive ortet, behaupten die Maßnahmengegner, die Polizei habe nach der Veranstaltung im Prater Brücken über den Donaukanal gesperrt und so erst zur Eskalation beigetragen.

Pürstl und Einsatzleiterin Xenia Zauner betonten, es habe über 3000 Anzeigen und insgesamt 42 Festnahmen – zwei davon wegen des Verbotsgesetzes – gegeben, die Beamten seien also "konsequent eingeschritten". Wer den Prater verlassen wollte, habe das auch tun können. Mehrere Hundert Personen zogen aber Richtung Innenstadt, die habe man schließlich gegenüber der Rossauer Kaserne gestoppt.

Keine Weisung für härteres Vorgehen

Zauner gibt aber auch zu, dass im Laufe des Nachmittages zweimal Polizeisperren "durchbrochen wurden". Für Pürstl ist das aber kein Beleg, dass die eingesetzten 1500 Beamtinnen und Beamten zu wenig gewesen seien. Aus seiner Sicht sei es auch das erste Mal gewesen, dass die Maßnahmengegner Gewalt angewendet hätten.

Behauptungen, es habe eine Weisung aus dem Innenministerium gegeben, massiver gegen die Manifestanten vorzugehen, widersprach der Polizeipräsident. Dass rechte Kreise einen Erfolg sehen, bereitet Pürstl keine Sorgen. Denn "es würde ohnehin niemand glauben", wenn Extremisten behaupten würden, sie hätten die Straße erobert. (Markus Sulzbacher, Sebastian Fellner, Michael Möseneder, 8.3.2021)