An der Schnittstelle zwischen Chemie und Technik könnte sich in den kommenden Jahrzehnten eine Revolution anbahnen – Wissenschafter versprechen sich viel von winzigen Maschinen, die nur aus wenigen Molekülen bestehen. So wurden etwa 2016 der Schotte Sir J. Fraser Stoddart und der Niederländer Bernard L. Feringa für ihren Entwurf von molekularen Maschinen mit dem Nobelpreis für Chemie ausgezeichnet. 2017 fand das erste Rennen von Nanocars statt, nanometerkleine Gefährte, die nur aus etwa hundert Atomen bestehen und einen Rennstrecke von 100 Nanometern mit mehreren Kurven zurücklegen mussten.

Was jetzt noch wie Spielerei klingt, hat durchaus das Potenzial, einst die Welt zu verändern: Weiterentwickelte Varianten heutiger Nanomaschinen könnten in nicht allzu ferner Zukunft Teil von Energiespeichern und neuartigen Materialien sein, oder gezielt Substanzen an ihren Bestimmungsort im Körper von Menschen transportieren. Auch die Selbstreplikation – also Nanomaschinen, die weitere Nanomaschinen bauen– wäre möglich, was wiederum die Grundlage einer neuen industriellen Revolution sein könnte, in der jegliche Objekte gleichsam Atom für Atom, Molekül für Molekül, zusammengesetzt werden.

Forscher sehen in Nano-Maschinen großes Potenzial. Nun haben Linzer Wissenschafter ein entsprechendes Bremssystem entwickelt.
Foto: IBM

Schwierige Steuerung

Aber auch jetzt schon sind die Winzlinge zu so manchem in der Lage; in Flüssigkeiten düsen die Mikro- und Nanomotoren etwa schon recht flott herum, doch ihre präzise Steuerung bereitet noch Schwierigkeiten. Ein wichtiger Schritt zur Lösung dieser Probleme ist nun Linzer Forschern gelungen. Im Fachblatt "Chemistry – A European Journal" berichten sie über einen von ihnen konstruierten Mikromotor, dem sie ein flexibles System eingebaut haben, mit dem sich über Temperaturänderungen die Geschwindigkeit steuern lässt.

Für ihre Fortbewegung nutzen die winzigen Maschinen entweder physikalische Energiequellen wie Licht und Ultraschall, oder chemische Treibstoffe wie Wasserstoffperoxid (H2O2). Diese Verbindung wird häufig als Nanomotoren-Antrieb genutzt, indem sie mittels eines Katalysators in Wasser (H2O) umgewandelt wird. Dabei entstehen Sauerstoff-Bläschen (O2), deren Ausstoß dazu genutzt wird, ein Mikro- oder Nanoteilchen vorwärts zu treiben. Richtung und Geschwindigkeit lässt sich damit allerdings nur schwer kontrollieren.

Sauerstoff-Bläschen als Antrieb

Yolanda Salinas und Ian Teasdale vom Institut für Chemie der Polymere der Universität Linz haben nun einen Mikromotor mit einem reversiblen Bremssystem entwickelt. Sie betten dazu Mangan-Ionen in ein poröses Nanopartikel aus Silizium-Dioxid ein. Sobald H2O2 durch die Poren zum Mangan gelangt, wird es von diesem katalytisch gespalten und die Sauerstoff-Bläschen treiben das Partikel in einer schnellen Vorwärtsbewegung voran.

Um die Geschwindigkeit zu regulieren, packten die Forscher spezielle Polymere ("Polyphosphazene") auf die Nano-Partikel. Diese Polymere reagieren auf Änderungen der Umgebungstemperatur, indem sie sich zusammenziehen oder ausdehnen. So kann die Menge des Wasserstoffperoxids, das durch die Poren ins Innere des Nanopartikels strömt, und damit der Ausstoß der Sauerstoff-Bläschen gesteuert werden. Schon kleine Temperaturänderungen von rund fünf Grad Celsius führen zu einer deutlichen Verlangsamung bzw. Beschleunigung der Mikromotoren.

Robust und flexibel

"Wir haben hier ein wirklich robustes und vielseitiges System, das einfach für verschiedene Anwendungen variiert werden kann", erklärte Teasdale . So könnten Art und Menge des Katalysators, also des eigentlichen Motors, angepasst werden, damit modifizierte und biokompatible Treibstoffe wie Säuren oder Wasser verwendet werden können. Das System könne auch für andere externe Reize empfindlich gemacht werden, sodass die Steuerung nicht mehr über die Temperatur, sondern etwa über Licht oder den pH-Wert möglich sei.

Die derzeit eingesetzten Materialien wie Silizium und Polyphosphazene seien in biomedizinischen Anwendungen bereits gut erforscht, betonen die Wissenschafter. Für sie besteht somit das Potenzial, dass eines Tages solche Mikromotoren beladen etwa mit Wirkstoffen durch menschliche Blutgefäße navigieren. (red, APA, 9.3.2021)