Die Folgen für von Gewalt betroffene Frauen reichen von Depressionen über Angstattacken bis zur Übertragung von Krankheiten.

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Genf – Gewalt gegen Frauen ist laut einer Studie der Weltgesundheitsorganisation (WHO) allgegenwärtig und beginnt für viele Frauen schon in sehr jungen Jahren. Jede Dritte zwischen 15 und 49 Jahren – etwa 736 Millionen Frauen weltweit – erlebe irgendwann in ihrem Leben Gewalt durch einen Partner oder sexuelle Übergriffe außerhalb der Beziehung, konstatiert ein Bericht der WHO, der am Dienstag veröffentlicht wurde. Die große Mehrheit, 641 Millionen Frauen, erlebe Gewalt in der Ehe oder Partnerschaft.

Jede vierte Frau weltweit unter 24 habe bereits Gewalt in einer Beziehung erlebt. Rund sechs Prozent aller Frauen berichteten von Übergriffen von Männern, mit denen sie nicht liiert waren. Weil aber Frauen etwa nach einer Vergewaltigung oft stigmatisiert werden, geht die WHO davon aus, dass die wahre Zahl deutlich höher liegt.

Frauen in ärmeren Ländern besonders betroffen

Für diese Angaben hat die WHO nach eigenen Angaben mehr als 300 Studien ausgewertet. Sie bezieht sich auf Daten von 2000 bis 2018. Insgesamt beziehen sich die Autor*innen auf Material zu Gewalt gegen Frauen aus den 194 WHO-Mitgliedsländern. Vergleiche mit früheren Studien seien wegen veränderter Methoden nicht möglich.

Gewalt gegen Frauen gebe es in aller Welt, sagte WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus. Besonders betroffen sind laut WHO aber Frauen in ärmeren Ländern. In einigen Ländern berichtet die Hälfte der Frauen von Übergriffen. Die Rate sei am niedrigsten in einigen europäischen Ländern mit 16 Prozent, gefolgt von Zentralasien (18 Prozent), Ostasien (20 Prozent) und Südostasien (21 Prozent).

Gleichberechtigung hilft

Die Gewalt habe für die Frauen verheerende Folgen. Zum einen gebe es Verletzungen, aber diese Frauen litten auch häufiger unter Depressionen, Angstattacken, Geschlechtskrankheiten oder übertragenen Krankheiten wie HIV und würden ungewollt schwanger.

Attacken auf Frauen gehen der WHO zufolge zurück, wenn es mehr Gleichberechtigung gibt, mehr Bildungsangebote und sichere Arbeitsplätze. Die Behörden müssten auch dafür sorgen, dass diskriminierende, auf Geschlechterstereotype beruhende Vorurteile ausgeräumt werden.

Bei Männern ansetzen

"Dass jede dritte Frau weltweit von Männergewalt in der Partnerschaft betroffen ist, zeigt uns den gesamtgesellschaftlichen Auftrag dramatisch auf", schrieb die Frauensprecherin der Grünen, Meri Disoski, in einer Aussendung. "Als politisch Verantwortliche müssen wir die Anstrengungen im Gewaltschutz weiter forcieren."

Disoski betonte, dass "nachhaltiger Schutz vor Männergewalt dort ansetzen muss, wo diese Gewalt verursacht wird: bei Männern". Die gesamte Gesellschaft sei dabei gefragt, "toxische Männlichkeitsbilder und Rollenzwänge zu überwinden, Anlaufstellen wie Männerberatungen bekannter zu machen und geschlechtersensible Pädagogik voranzutreiben".

Gefährliche Lockdown-Situation

Angaben aus dem Pandemiejahr 2020 wurden für die WHO-Studie nicht ausgewertet. Das Coronavirus hat die Lage nach Angaben von Polizei, Gesundheitsdiensten oder Lehrpersonen aber noch verschärft. Durch die Corona-Maßnahmen verbrachten sowohl Opfer als auch Täter mehr Zeit zu Hause. Aufgrund der wirtschaftlichen Krise verloren auch viele ihre Jobs – sodass zur sozialen Isolation eine enorme finanzielle Unsicherheit hinzukam.

Während Pandemie-bedingter Lockdowns sind UN Women zufolge die Meldungen und Anrufe bei Notrufnummern für häusliche Gewalt in Ländern wie Deutschland, Frankreich, Italien, Singapur und Peru deutlich gestiegen, Tunesien meldete sogar ein Wachstum um 400 Prozent. In Österreich handelte es sich laut den Erkenntnissen von September um einen Anstieg von 38 Prozent der Anrufe bei der Frauen-Helpline 0800 222 555. (maa, APA, 9.3.2021)