Der vielfache Austausch von Genmaterial zwischen Bakterien führt dazu, dass die Stammbäume, die man anhand von Genom-Sequenzen erstellt, bilden lediglich ab, wie ausgiebig die Bakterien untereinander ihre Gene ausgetauscht haben.

Illustr.: Universität Basel, Biozentrum

Der Evolutionstheorie besagt, dass alle Lebewesen über eine Abfolge von Verzweigungen miteinander verwandt sind. Darstellen lässt sich dies im berühmten Stammbaum. Bei Bakterien versagt allerdings diese Analogie, denn deren evolutionäre Entwicklung verläuft nicht linear. Die Einzeller geben ihr Erbgut nämlich nicht nur entlang ihrer Abstammungslinie weiter, sondern tauschen Gene auch in unterschiedlichem Ausmaß über ihre Artgrenzen hinweg aus. Deshalb zeichnen Stammbäume, die auf bakteriellen Genomen beruhen, nicht die Abstammung nach, sondern eher, wie häufig Bakterien ihre Gene ausgetauscht haben.

Daher galt bislang: Je ähnlicher das Genom von Bakterien, desto kürzer der Zeitraum bis zum letzten gemeinsamen Vorfahren. Wissenschafter des Biozentrums der Universität Basel um Erik van Nimwegen rütteln nun an diesem Konzept. "Um es in einem Satz zusammenzufassen: Wir haben herausgefunden, dass phylogenetische Stammbäume nicht das abbilden, was die meisten bisher angenommen haben", erklärte van Nimwegen. Die Ergebnisse erschienen im Fachmagazin "eLife".

Horizontale Evolution

Bakterien können ihre Gene nicht nur an ihre Nachkommen weitervererben, sondern außerhalb ihrer Abstammungslinien austauschen. Fachleute sprechen von "horizontalem Gentransfer". Dieses Konzept ist bereits lange bekannt, doch bisher ging man davon aus, dass es für Stammbäume keine große Rolle spielt. Die Basler Wissenschafter konnten anhand neuer Methoden nun aber zeigen, dass Bakterien so viel DNA untereinander austauschen, dass die Evolution ihres Genoms vollständig auf diesem Gentransfer beruht.

"Die Stammbäume, die man anhand von Genom-Sequenzen erstellt, bilden also nicht ab, wann die Bakterien den letzten gemeinsamen Vorfahren hatten, sondern wie ausgiebig sie miteinander ihre Gene ausgetauscht haben", so der Bioinformatiker. Die Genomdaten und daraus rekonstruierten Stammbäume seien demnach seit mehr als zwanzig Jahren falsch interpretiert worden. (red, APA, 14.3.2021)