Familiendynamiken beherrschen aktuell nicht nur die Queen und deren Sprösslinge. In der österreichischen Innenpolitik geht es basierend auf dem “Corona-Test“ für die Bundesregierung ganz ohne Stäbchen drunter und drüber. Tektonische Platten der Macht sind so stark in Bewegung wie schon lange nicht mehr. Kommt es am Ende noch bei den nächsten Nationalratswahlen, wann immer diese stattfinden, gar zu einem Politerdbeben? Fragen über Fragen, die, wenn überhaupt, nur die Jury von Austria’s Next Bundeskanzler(in) beantworten kann.

Was haben aber die Royals mit dem politischen Parkett in Österreich gemeinsam? Die Antwort ist ganz einfach: Inszenierung, Sozialtechnik und soziale Erwünschtheit. Letzteres beschreibt im akademischen Kontext, eine Antworttendenz oder Verzerrung bei Befragungen in den Sozialwissenschaften, der Marktforschung oder bei psychologischen Testverfahren. Kurz gesagt, man antwortet so, wie man glaubt, dass die eigenen Antwortreaktionen eher auf soziale Zustimmung stoßen. Nicht dass wir ein derartiges Verhalten bei unseren Spitzenpolitikern wahrnehmen könnten. Unter Sozialtechnologie versteht man die Verwendung soziologischen Wissens, um geplante Veränderungen der Gesellschaft herbeizuführen. Sowohl staatliche als auch private Akteure können Sozialtechnologie anwenden, wo wir wieder bei Monarchen und Hollywoodstars wie Oprah Winfrey wären. Bei deren Inszenierung kann sich selbst unser Bundeskanzler noch einiges abschauen. Wer weiß, vielleicht sitzt dieser bald auf ihrer Interviewcouch.

Wer wird Austria’s Next Bundeskanzler(in)?

In Österreich erinnert die Politik genauso wie das britische Königshaus an ein modernes Märchen, welches leider schlecht erzählt und nicht gelebt wird. Jemandem etwas "Einimpfen" bekommt in beiden Settings eine ganz neue Bedeutung. Geht nun aber die Fabel für Prinz Sebastian von der ÖVP weiter oder kommt es zu einer verlängerten Regentschaft? Es folgt eine kurz skizzierte Polit-Potenzialanalyse.

Sebastian Kurz: Wannabe-Großbürger für kleinbürgerliche Gemüter?

Vom Phänotypus ist die Rolle des edlen Retters ganz analog zum Bildnis des jungen Kaisers Franz Joseph auf den ÖVP-Chef mit konservativ-klerikalem Background zugeschnitten. Keiner seiner Kontrahenten kann so gut den Faktor der sozialen Erwünschtheit bedienen. Ein vermeintlicher Großbürger, der alle bewussten und unbewussten Triebe der Kleinbürger in Resonanz versetzt. Der einzige Haken ist, dass Kurz durch eine einschneidende Corona-Linie der Bundesregierung viele seiner Fangruppen aus Wirtschaft und dem rechteren Rand zusehends vergrault. Ob er erneut wiedergewählt wird, wird stark davon abhängen, wie sehr es seiner Konkurrenz gelingt, ihm frustrierte Untertanen abzuringen.

Amtszeitverlängerung bei Kurz?
Foto: APA/HERBERT NEUBAUER

Pamela Rendi-Wagner: Sozial-mental-demokratischer Impfstoff?

Gelingt es den affektierten Habitus des Medicus abzulegen, könnte aus ihr noch eine ernsthafte Anwärterin auf den Kanzlersessel werden. Wenn sie dann noch ähnlich routiniert mit den unteren 10.000 parliert, wie sie medizinische Fakten rezitiert, dann steht diesem Ziel nur mehr wenig im Weg. Rendi-Wagners größtes Plus ist, dass sie noch nicht beweisen konnte, ob sie das Zeug zur Regierungschefin hat und wenn es noch so abgedroschen und unkreativ klingen mag (was es ebenfalls ist), täte eine “Königin“, die Bezeichnung “Prinzessin“ ist schon an einen Parteikollegen vergeben, an der Spitze des Staates ebendiesem vielleicht sehr gut.

Norbert Hofer: Ritter aus Leidenschaft?

Er ist der Gentleman der FPÖ. Sein größtes Manko: Hofer ist vielleicht zu sehr Gentleman für die Freiheitlichen. Während sich Erwähnter gerne in elitären Ritterorden aufhält, fährt der Intellekt bei manchen Wahlplakaten der “sozialen Heimatpartei“ ab und zu im Hühnerstall Motorrad. Die einst eher akademisch geprägte Bewegung hat nach Norbert Steger einen Wandel zur breiten Masse und ehemaligen sozialdemokratischen Wählerschaft den Arbeitern vollzogen. Federführend in diesem Zusammenhang war und ist der zweite starke Mann der FPÖ, Herbert Kickl. Ob die Doppelstrategie aus Brachialrhetorik und dem noblen Auftreten des Vorsitzenden aufgehen kann, wird sich früher oder später herauskristallisieren.

Bei den kommenden Nationalratswahlen wird sich weisen welcher der Kandidat(innen) den berühmten Satz "Ich habe heute leider kein Foto für Dich" nach dem Urnengang vom Wähler zu hören bekommt. (Daniel Witzeling, 15.3.2021)

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