ORF-General Alexander Wrabetz Dienstagabend beim Pressegespräch im Radiocafé in der Wiener Argentinierstraße, von dem sich die Radio-Mannschaft bald Richtung Küniglberg verabschieden muss.

Foto: Harald Fidler

Es war eine Wahlveranstaltung, der nur eines fehlte: eine Kandidatur. ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz lud am Dienstag gegen Abend Journalistinnen und Journalisten zum Pressegespräch ins Radiocafé in der Wiener Argentinierstraße und berichtete, was der ORF alles für die nächsten Jahre plant an Weichenstellungen und Zukunftsprojekten. Dass er sich bewerben wird um die Funktion des ORF-Generaldirektors auch nach 2021, sagte er lieber nicht.

Nur kein Frühstart!

Ein Frühstart kann auch im Rennen um den Generalsjob zur Disqualifizierung führen, im übertragenen Sinne jedenfalls. Arbeiten soll die ORF-Führung, nicht wahlkämpfen, sagen dazu Stiftungsräte üblicherweise in den Monaten vor der Wahl, die eigentlich keine ist, sondern eine Bestellung, der ORF ist ja ein Unternehmen, wiewohl ein hochpolitisches.

Am 10. August bestellt der ORF-Stiftungsrat den Alleingeschäftsführer von Österreichs weitaus größtem Medienunternehmen, dem öffentlich-rechtlichen, großteils gebührenfinanzierten ORF. Eine ÖVP-nahe Mehrheit reicht dort diesmal dafür, erstmals seit Jahrzehnten können Bürgerliche den General alleine bestimmen. Wrabetz bemüht sich seit vielen Monaten um das Wohlwollen von Kanzler Sebastian Kurz abwärts, im Programm, im Personal, im medialen Krisenmanagement zur Pandemie zum Beispiel.

Große Neubesetzung

Nach der Generalswahl und der Bestellung der übrigen Direktorinnen und Direktoren Mitte September will er etwa einen Großteil der Führungspositionen in der ORF-Information neu ausschreiben und besetzen. Den Anlass bietet der multimediale Newsroom, er wird in den nächsten Monaten ausgestattet und soll bis Sommer 2022 besiedelt werden. Aus getrennten Ressorts wie Innenpolitik, Außenpolitik, Chronik, Wirtschaft, Wetter für TV, für Radio und Online wird jeweils eines für alle Medien, mit einem Chef oder einer Chefin plus Vize. In der ORF-Innenpolitik sind das derzeit Edgar Weinzettl (Radio) und Hans Bürger (TV).

Sendungsteams und -verantwortliche etwa für die "ZiBs", für die "ZiB 2", für die Ö1-Journale oder die Ö3-Information blieben erhalten, betont Wrabetz neuerlich.

Doch die Schlüsselfunktion in diesem multimedialen, zentralen Newsroom erwähnt er nicht: einen ebenso multimedialen Chefredakteur, eine Chefredakteurin. Auf Nachfrage sagt Wrabetz etwa, ohne sich da festzulegen: "Das ist dann der Schlussstein. Es wird ein multimediales Newsroom-Management über der ganzen Struktur geben." Bei Konflikten unter den Teams und Verantwortlichen etwa müsse ja jemand entscheiden.

"Die große Newsmaschine"

Ein "multimedialer Newsroom-Manager" würde "in einem Führungsteam arbeiten", möglich wäre ein "Chefredaktionsteam". Man müsse "noch festlegen", wie sich das Newsroom-Management "ergänzen soll". Für die Sender und Plattformen könne es im Team Zuständige geben oder doch "nur Vertreter" (wohl eines Chefredakteurs oder einer Chefredakteurin). Man werde die Führungsstruktur "noch diskutieren" für "alle, die an der großen Newsmaschine" arbeiten.

Muss es nicht einen oder eine Verantwortliche/n geben? "Wir fahren sehr gut damit, dass eine Ö1-'Journal'-Welt in der Themensetzung anders aussieht als eine 'ZiB'-Welt, die wieder anders ist als eine 'ZiB-Insta'-Welt. Das wollen wir erhalten", sagt Wrabetz. "Einen zentralen Chefredakteur, der vom ersten Früh-'Journal' bis zur 'ZiB 24' alles entscheidet, hielte ich für falsch."

"Geballte Macht von sehr eigenständigen Journalistinnen und Journalisten"

Und Wrabetz sieht in einer im Newsroom vereinten ORF-Information "eine sehr geballte Macht von sehr eigenständigen Journalistinnen und Journalisten zusammensitzen. Ich glaube nicht, dass die Gefahr besonders groß ist, dass man sie zentral steuern könnte – selbst wenn man es wollte."

Wahlprogramm ohne Kandidatur

Die größte Neubesetzung der gesamten ORF-Information seit Jahrzehnten findet jede Regierung und jede Regierungsmehrheit im Stiftungsrat interessant. Zudem beispielsweise im Wahlprogramm des noch nicht deklarierte Kandidaten:

  • "Noch im April" (also vier Monate vor der Generalswahl und fast 15 Jahre nach Wrabetz' erster Bestellung zum ORF-General) will der ORF-Chef "20 Innovationsprojekte über das ganze Haus" vorstellen, insbesondere (aber "nicht ausschließlich") um Inhalte für junge Publika zu entwickeln und weiterzuentwickeln.
  • Ein großes Traineeprogramm für journalistische, technische und auch Management-Nachwuchskräfte. Stiftungsräte fordern seit langem eine Strategie, um jüngeres ORF-Personal zu gewinnen, wenn in den kommenden Jahren 600 bis 700 ORF-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter in Pension gehen, rund ein Fünftel der Belegschaft im ORF selbst.
  • Signale der Offenheit an Mitbewerber – und damit für die künftige Zusammenarbeit mit privaten Medien etwa in der Werbevermarktung oder beim Archivzugang.
  • Diese Signale sollen auch der Regierung und der Regierungsmehrheit im Nationalrat erleichtern, Beschränkungen des ORF aufzuheben und Abruf über mehr als sieben Tage zu ermöglichen und Beiträge alleine oder zuerst für das Web zu erlauben.

"Programm des ORF für die nächsten Jahre"

War das alles nun Wrabetz' Wahlprogramm? Nein, sagt Wrabetz: "Das ist das Programm des ORF für die nächsten Jahre." Das könne man nicht von den Fragen der nächsten Monate abhängig machen, Personalfragen meint er wohl. "Wir können nicht mit dem Player noch ein Jahr warten oder den Newsroom ein Jahr später beziehen, weil wir uns jetzt mit Wahlen beschäftigen."

Auf Nachfrage wiederholt Wrabetz seine Formel zur Kandidatur: "Es spricht schon viel dafür." Er wolle ja nicht "wichtige Dinge mittendrin stehen lassen". Und warum sagt er's nicht einfach? "Es ist noch so viel zu tun, dass ich niemanden mit Ankündigungen belasten will, sondern meine Arbeit weitermache." (fid, 10.3.2021)