Rudolf Anschober (Grüne) hatte sich vor seiner Funktion in der Bundesregierung als oberösterreichischer Landesrat mit der Initiative "Ausbildung statt Abschiebung" intensiv für Asylwerber eingesetzt, die damals während noch laufender Lehre von Abschiebung bedroht waren. Mehr als den Verbleib bis zum Lehrabschluss konnte man der ÖVP nicht abringen, dem betreffenden ÖVP-Antrag stimmten im Dezember 2019 SPÖ, Grüne und Neos zu. Subsidiär Schutzberechtigte fallen allerdings nicht in diese Regelung.

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Innsbuck/Wien – Einem afghanischen Jugendlichen, der in Tirol eine Lehre zum Restaurantfachmann absolviert, droht die Abschiebung – und das sorgt für breite Kritik. Nicht nur bei seinem Arbeitgeber, dem Hotel Neue Post in Mayrhofen im Zillertal. Denn der 22-jährige Abdullah Hossaini gilt als im Ort gut integriert, außerdem spricht er gut Deutsch, posierte 2016 sogar mit dem damaligen Flüchtlingsbeauftragten Christian Konrad und Ex-Justizminister Wolfgang Brandstetter für ein Foto.

2015 kam Hossaini als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling nach Österreich. Seine ehemaligen Mitschüler der HLW Hollabrunn (Hossaini zog für die Lehre von Niederösterreich nach Tirol um) haben nun eine Petition gestartet und wehren sich damit gegen die bevorstehende Abschiebung – bis zum 16. März muss er Österreich verlassen.

Subsidiärer Schutz schützt in dem Fall nicht

Warum kann ein Lehrling aber überhaupt abgeschoben werden? Greift da nicht die Regelung, dass genau diese Jugendlichen ausgenommen sind? Im Fall von Hossaini ist es komplizierter: Hossaini wurde als subsidiärer Schutzberechtigter eingestuft, die Regelung, wonach Lehrlinge nicht abgeschoben werden dürfen, gilt nur für Asylwerber. Der Schutzstatus wurde Hossaini nach einmaliger Verlängerung allerdings aberkannt, damit fiel auch sein Aufenthaltsrecht weg.

ORF

Das Bundesverwaltungsgericht argumentiert die Aberkennung des Schutzes im Februar 2020 unter anderem damit, dass Hossaini wegen seiner Arbeitserfahrung und seiner Volljährigkeit nicht mehr schutzbedürftig sei. "Da es dem Beschwerdeführer schließlich gelungen sei, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten sowie die im Alltag immer wieder auftretenden Schwierigkeiten in diversen Bereichen zu bewältigen, sei es dem Beschwerdeführer zuzumuten, mit seiner neu gewonnenen Lebens- sowie Arbeitserfahrung auch in Afghanistan (...) zumutbar leben zu können."

Debatte über Copy-Paste in Entscheidungen

Hossainis Anwalt Wilfried Embacher spricht von unangebrachtem Zynismus. "Welche Möglichkeiten soll ein Rückkehrer in Afghanistan haben, der in Österreich eine Hotellehre macht?" Er stellt nun einen Antrag auf humanitäres Bleiberecht für Hossaini.

Auf Twitter teilte Embacher außerdem mehrere widersprüchliche Stellen aus der rechtlichen Beurteilung, etwa dass das Gericht angenommen habe, dass Hossainis Aufenthalt auf einem unbegründeten Asylantrag basierte, obwohl ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde. "Wie kann ein Antrag, dem stattgegeben wird, unbegründet sein?", fragt Embacher.

An einer anderen Stelle ist die Rede vom subsidiären Schutz seit 2014, Hossaini kam jedoch erst 2015 nach Österreich. "Das sagt einfach etwas über die Qualität aus, mit der dort gearbeitet wird." Häufig würden Textbausteine einfach mehrfach verwendet werden, das sei wahrscheinlich auch der Grund für die falsche Jahreszahl.

Die mehrfache Verwendung von Textbausteinen hat auch der im Asylrechtsbereich tätige Jurist Florian Hasel beobachtet. Ihm zufolge werden insbesondere bei Afghanen erfolgreiche Integrationsschritte negativ ausgelegt. Was Afghanistan betrifft, gebe es andere problematische Textbausteine, die von bestimmten Richterinnen und Richtern immer wieder verwendet werden würden.

Der Jurist nennt etwa eine Passage, die laut Abfrage im Rechtsinformationssystem (RIS) am Mittwoch in über 300 Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vorkommt und "fast ausschließlich" in Fällen von jungen Afghanen verwendet werde. Sie lautet: "Es ist daher anzunehmen, dass er im Herkunftsstaat im Falle einer Rückkehr in der Lage sein wird, sich ein ausreichendes Einkommen zu sichern, und somit nicht in eine hoffnungslose Lage geraten wird. Dafür spricht zuletzt auch die Tatsache, dass der BF (Beschwerdeführer, Anm.) als junger Erwachsener in der Lage war, völlig auf sich alleine gestellt über ihm unbekannte Länder die Flucht bis nach Österreich zu meistern, wobei er sicherlich ein überdurchschnittliches Maß an Anpassungs- und Selbsterhaltungsfähigkeit unter Beweis stellen musste."

Die Umdeutung der Fluchterfahrung in ein Element, das eine Rückkehrentscheidung zumutbar erscheinen lassen soll, ist laut Hasel ziemlich bemerkenswert, wenn man bedenke, dass der Asylgerichtshof eine derartige Argumentation bereits 2011 als Scheinbegründung bewertete.

Wann subsidiärer Schutz aberkannt wird

Zurück zum konkreten Fall Hossaini. Dass ein subsidiärer Schutz aberkannt wird, kommt laut Anwalt Embacher mittlerweile ziemlich häufig vor, eine Veränderung habe er hier seit 2017 oder 2018 beobachtet. Teilweise werde die Volljährigkeit als Argument hergenommen, teilweise die gute Anpassungsfähigkeit wie bei Hossaini. "Ich vermute, dass es da natürlich um Abschreckung gehen soll – also ja keine Signale zu senden, dass man hier in Österreich einen Schutzstatus bekommt. Das funktioniert natürlich auch, wenn man den Schutzstatus rasch aberkennt."

Grundsätzlich wird subsidiärer Schutz für zwei Jahre ausgesprochen, dann erfolgt eine Prüfung, kommt es zu einer Verlängerung, folgt jedes Jahr eine Prüfung.

Hossaini hätte jedenfalls noch große Ziele. Die Weinsommelier-Prüfung wolle er abschließen, sagte er dem ORF. "Und den Lehrabschluss sowieso." Ob der Fall wieder für Konflikte in der türkis-grünen Regierung sorgt, ist noch unklar. Bisher gibt es noch keine Stellungnahmen. Erst vor wenigen Wochen sorgte die Abschiebung von gut integrierten Schülern für ein Zerwürfnis zwischen den Regierungspartnern. (Lara Hagen, 10.3.2021)