Nach einem Jahr unter dem Regime des Coronavirus sind vor allem Familien mit Schulkindern extrem belastet. Sie klagen über enormen Stress.

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Ein Jahr Pandemie. Das waren 365 Tage mit dem Coronavirus, viele davon ohne Schule, ohne "echten" Kontakt zu Gleichaltrigen, sondern zurückgeworfen auf digitales Lernen und Leben. Was hat das mit den Kindern und Jugendlichen sowie ihren Familien gemacht? Die Arbeiterkammer (AK) wollte es genauer wissen und hat seit Beginn der Corona-Pandemie im März 2020 laufend mehrere Tausend Eltern schulpflichtiger Kinder befragt.

Seit Herbst 2020 finden im Rahmen der Schulkostenstudie regelmäßig Covid-Sondererhebungen statt, die Entwicklungen während der Pandemie aufzeigen. Das Sora-Institut hat dazu im Oktober, im Dezember und zuletzt im Februar jeweils zwischen 1.200 und 2.000 Eltern mit insgesamt rund 2.300 bis 4.000 Schulkindern befragt. Und daraus "geht ganz klar hervor, dass die vielen Wochen des Lockdowns und die damit verbundenen Schließungen der Schulen die Familien sehr stark belastet haben".

Konkret zeigt sich folgende pandemiebedingte Gemengelage:

  • Lernverluste Mehr als die Hälfte der befragten Eltern (54 Prozent) glaubt, dass ihr Kind (jedenfalls in einigen Fächern) Schwierigkeiten mit dem Lernstoff haben wird, wenn die Schulen wieder öffnen. Auffällig und zugleich wenig überraschend: Während diese Sorge sechs von zehn Eltern ohne Studienabschluss äußern, sind es unter Akademikern nur vier von zehn.
  • Druck auf Eltern Fühlten sich vor der Pandemie neun Prozent der Eltern gestresst wegen Betreuungsfragen, waren es im ersten Lockdown im Frühjahr 2020 zwei Drittel (66 Prozent), und jetzt im Februar leiden fast gleich viele (63 Prozent) unter der Betreuungsunsicherheit.
  • Psychische Belastung für Kinder Die psychische Gesundheit der Kinder hat sich im Verlauf des Pandemiejahrs deutlich verschlechtert. Im Oktober gab knapp ein Drittel (31 Prozent) der Eltern an, dass es ihrem Kind oder ihren Kindern in den vergangenen Wochen psychisch schlechter gegangen sei, bis Februar wuchs dieser Anteil auf mehr als die Hälfte (56 Prozent) an.
  • Müde, niedergeschlagen, schlaflos Im Vergleich zum Zustand vor einem Jahr, also vor der Pandemie, leidet heute mehr als die Hälfte aller Kinder (53 Prozent) viel oder etwas mehr unter Müdigkeit und wenig Energie. 45 Prozent berichten von Niedergeschlagenheit, jedes dritte Schulkind (32 Prozent) leidet unter Schlafproblemen, die es vor einem Jahr so noch nicht hatte.
  • Einsam, verängstigt, gereizt Fühlte sich im Oktober noch ein Viertel der Schülerinnen und Schüler einsamer (etwas oder viel mehr als vor der Pandemie), so wurde dieser Anteil in nur vier Monaten bis Februar auf 68 Prozent katapultiert. Zwei von drei Kindern fühlen sich also in Einsamkeit gefangen. Ebenso viele sind jetzt gereizter als in vorpandemischen Zeiten (Februar: 67 Prozent, November/Dezember/Jänner: 52 Prozent, Oktober: 36 Prozent). Ein knappes Drittel (30 Prozent) der Schulkinder ist jetzt verängstigter.
  • Unzufriedenheit mit Politik Fast drei Viertel der Eltern fühlen sich von der Politik im Stich gelassen (46 Prozent sehr, 26 Prozent ziemlich). Drei von vier Eltern (76 Prozent) empfanden es als belastend, "nicht zu wissen, ob und wann die Schulen wieder für den Unterricht öffnen", zwei Drittel (66 Prozent) stimmten der Aussage "Es war die richtige Entscheidung, die Schulen zu schließen" nicht oder nur wenig zu. Für Schulschließungen sprachen sich explizit nur 15 Prozent der Eltern sehr und 18 Prozent ziemlich aus.

"Die Lernschere geht weiter auf", resümierte AK-Bildungsexperte Philipp Schnell am Mittwoch: "Es ist massiv entscheidend, wie gut Eltern beim Lernen vor allem im Distanzmodus unterstützen können."

Kinderrecht auf Kontakte

Die andere Dimension sind psychisch-emotionale Folgen: "Die lange Phase der sozialen Einschränkungen wirkt sich jetzt aus", sagte AK-Bildungsexpertin Elke Larcher: Kindern und Jugendlichen fehlten soziale Kontakte und klare Perspektiven. Konsequenz müsse eine sichere Öffnung der Schulen zur Entlastung der Familien sein, und zwar "weder Normalbetrieb noch Distance-Learning". Wichtig seien "sichere und regelmäßige Präsenzphasen, Priorisierung von Lerninhalten und verlässliche Sozialkontakte. Das muss ein Recht für Kinder sein. Wir brauchen eigene Regeln für Kinder und Jugendliche in der Pandemie. Kinder brauchen in jeder Phase nahen Kontakt zu anderen Kindern. (Lisa Nimmervoll, 10.3.2021)