Durch Übernahmen können gefährdete Unternehmen gerettet werden. Aber gerade in einer Krise ist ein solcher Verkaufsprozess ein heikles Unterfangen.

Illustration: Davor Markovic

Es gibt zahlreiche Faktoren, die dazu führen können, dass ein Unternehmen in finanzielle Schwierigkeiten gerät. In jüngster Zeit führten etwa Handelskriege und Wirtschaftssanktionen, disruptive Veränderungen in bestimmten Sektoren und vor allem die Covid-19-Pandemie viele Unternehmen in eine Schieflage.

Dem leidgeplagten Unternehmer stehen verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung, um die Schieflage zu überwinden. M&A spielt dabei eine wesentliche Rolle. Durch den Verkauf von Unternehmen oder Unternehmensteilen kann sich etwa ein notleidender Verkäufer refinanzieren. Damit kann sich das Management – sowohl des Verkäufers als auch der Zielgesellschaft – wieder voll auf das operative Geschäft konzentrieren.

Da in Krisensituationen Zeit ein wesentlicher Faktor ist und alles möglichst schnell gehen muss, birgt auch Distressed M&A Risiken für den Erwerber.

Due Diligence

Zunächst sollte der Erwerber den Fokus darauf legen, die Gründe für die Krise des Zielunternehmens im Rahmen einer Due-Diligence-Prüfung zu finden. Die Pandemie als Vorwand für die Krise zu verwenden kann in vielen Fällen von der Tatsache ablenken, dass in der Vergangenheit ein nicht nachhaltiges Geschäftsmodell verfolgt wurde.

Wenngleich der Erwerber beim Distressed M&A eine gute Portion Risikobereitschaft mitbringen muss, ist die Durchführung einer – wenn auch schnelleren und zielgerichteteren – Due Diligence unverzichtbar.

Einerseits müssen die Geschäftsführer des Erwerbers ausreichende Informationen einholen, um eine solide Grundlage für ihre Investitionsentscheidung zu schaffen und damit das persönliche Haftungsrisiko zu verringern. Andererseits ist häufig der vertragliche Schutz, etwa durch Gewährleistungen, eher begrenzt, und darüber hinaus kann die künftige Durchsetzbarkeit angesichts der Notlage des Verkäufers fraglich sein.

Versicherungen versuchen durch W&I-Versicherungen (Warranty & Indemnity) diese Haftungslücken zu schließen. Häufig bleibt aber ein Restrisiko, da diese Versicherungen nur Risiken abdecken, die in der Due-Diligence-Prüfung ausreichend untersucht wurden bzw. nicht bekannt waren.

Verkaufsprozess

Distressed-M&A-Transaktionen müssen rasch abgeschlossen werden – schließlich droht dem Verkäufer und/oder dem Zielunternehmen das Geld auszugehen. Dennoch gewähren Gläubiger aus Eigeninteresse regelmäßig Zeit für einen ordnungsgemäßen Verkaufsprozess. Dies tun sie natürlich nur, wenn sie an den Erfolg des Verkaufsprozesses und das Geschäftsmodell des Zielunternehmens glauben.

Mit Insolvenzanmeldung ändert sich die Situation dramatisch: Nicht nur übernimmt je nach Verfahrensart ein Insolvenzverwalter – mit unternehmerisch eingeschränkterem Spielraum – die Kontrolle über den Verkaufsprozess, sondern es kommen andere insolvenzrechtliche Besonderheiten zum Tragen.

Es ist daher in diesem Prozess enorm wichtig, stets mit den richtigen Personen die wesentlichen Gespräche zu führen. Vor der Insolvenz sind häufig die von den Gläubigern dem Unternehmen aufgezwungenen Chief Restructuring Officers die alleinige Ansprechperson für alle Fragen in Zusammenhang mit der Umstrukturierung des Unternehmens und damit auch für einen möglichen Verkaufsprozess.

Wurde bereits ein Insolvenzverfahren eröffnet, wird – je nach Jurisdiktion und Art des Verfahrens – ein vom Gericht bestellter Insolvenzverwalter den Verkaufsprozess leiten. Dieser muss dann in der Regel den Verkauf einem Gläubigerausschuss und dem Insolvenzgericht zur Genehmigung vorlegen.

Kaufpreis

Die Kaufpreiseinigung wird in der gegenwärtigen Situation zur Herausforderung. Die Verkäufer werden argumentieren, dass die Pandemie die Rentabilität des Unternehmens und damit den Wert nur vorübergehend beeinträchtigen wird. Die Käufer werden darlegen, warum der Einbruch der Zahlen nicht nur pandemiebedingt ist.

Übliche Kaufpreisanpassungen im Vertrag helfen in der Regel nicht weiter, da sie nur bilanzielle Veränderungen bis zum Abschluss erfassen, nicht jedoch langfristige Entwicklungen in der Zukunft. Earn-outs oder ähnliche Besserungsmodelle, die eine Anpassung des Kaufpreises in der Zukunft vorsehen, können hilfreich sein, wenn die richtigen Parameter vereinbart werden können.

Rechtliche Absicherung

Neben einer zufriedenstellenden Due Diligence ist die Strukturierung von immenser Bedeutung. Käufer sind bestrebt, unerwünschte Teile des Zielunternehmens und vor allem Verbindlichkeiten zurückzulassen. In den meisten Ländern gibt es verschiedene Möglichkeiten, dies zu erreichen, etwa durch Asset-Deals, bei denen Vermögenswerte und Verbindlichkeiten einzeln übertragen werden, und Spaltungen, bei denen der gewünschte Teil des Geschäfts durch Gesamtrechtsnachfolge auf ein neues Unternehmen übertragen wird.

Jede Lösung hat Vor- und Nachteile, die gegeneinander abgewogen werden müssen. Weiters sind mit solchen Ausgliederungen immer verschiedene Komplexitäten verbunden, einschließlich operativer Abhängigkeiten, die durch Übergangslösungen – sogenannte Transitional Services – abgedeckt werden müssen.

Schließlich ist es bei vorinsolvenzlichen Distressed M&As von größter Bedeutung sicherzustellen, dass der Erwerb nicht in einer nachfolgenden Insolvenz des Verkäufers vom Insolvenzverwalter angefochten oder anderweitig rückgängig gemacht werden kann. Dazu gibt es je nach Jurisdiktion verschiedene Hilfsmaßnahmen.

Wird keine Vorsorge getroffen, muss im schlimmsten Fall der Kauf rückabgewickelt werden. Und während der Käufer das Unternehmen zurückgeben muss, kann er nur die Rückzahlung des Kaufpreises als Insolvenzforderung anmelden und erhält in der Regel eine Quote für seine Forderung, die üblicherweise sehr gering ausfällt. Gute Vorbereitung ist daher ein Muss. (Farid Sigari-Majd, Wirtschaft & Recht Magazin, 11.3.2021)

Farid Sigari-Majd
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