Renate Brauner schied 2018 aus der Wiener Stadtregierung aus – sie war zuletzt Finanzstadträtin – und wurde in der Folge Bevollmächtigte der Stadt für Daseinsvorsorge und Kommunalwirtschaft, eine neu geschaffene Einrichtung. Die Prüfer des Stadtrechnungshof vermissen klare Ziele des Büros.

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Die ehemalige Wiener Grünen-Chefin Birgit Hebein setzte sich als Verkehrsstadträtin für temporäre Radwege auf wegen der Pandemie ziemlich leeren Straßen ein. Die sogenannten Pop-up-Radwege wurden von der Opposition kritisiert. Der Stadtrechnungshof merkt an, dass sie zu rasch umgesetzt wurden.

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Peter Hanke ist nicht nur Stadtrat für Finanzen, Wirtschaft, Arbeit und Internationales, sondern auch für die Stadtwerke. Dort kritisiert der Stadtrechnungshof teure und wenig umweltfreundliche Dienstautos.

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Es ist eine ganze Reihe an Prüfberichten, die am Mittwoch auf der Website des Wiener Stadtrechnungshofs online gegangen sind. Für Zündstoff sorgen nur wenige, die haben es aber durchaus in sich: So bemängelt das Prüforgan das Fehlen konkret messbarer Zielvorgaben im von der früheren Finanzstadträtin Renate Brauner (SPÖ) geleiteten "Büro für Daseinsvorsorge". An den von der damaligen Verkehrsstadträtin Birgit Hebein (Grüne) initiierten Pop-up-Radwegen wird bemängelt, dass diese zu schnell umgesetzt wurden. Und bei der Wien-Holding und den Wiener Stadtwerken bemerkten die Prüfer, dass die Dienstfahrzeuge teuer und wenig umweltfreundlich sind.

Messbare Ziele bei Brauner-Büro vermisst

Noch als Oppositionspartei haben die Neos eine Prüfung des neuen Jobs von Ex-Finanzstadträtin Brauner beantragt – als diese mit dem Amtsantritt von Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) die Stadtregierung verließ, orteten aber auch die FPÖ und die ÖVP einen Versorgungsjob.

Das Urteil der Prüfer fällt gemischt aus: Zwar werde die Einrichtung "grundsätzlich zweckmäßig" geführt, heißt es. Die Wirksamkeit der Arbeit könne aber nur bedingt überprüft werden.

Verwiesen wird auf ein Schreiben aus dem Jahr 2018, wonach es die Intention der Stadt sei, "das Wiener Modell der Daseinsvorsorge angesichts internationaler Rahmenbedingungen vor allem in der EU offensiv zu positionieren und die Bedeutung der Daseinsvorsorge und Kommunalwirtschaft aufzuzeigen". Dadurch solle das Bewusstsein für das Thema über Österreich hinaus gestärkt werden, hieß es in diesem Grundsatzpapier.

750.000 Euro Personalkosten

Allerdings, so konstatiert der Stadtrechnungshofs, seien keine konkreten Zielwerte oder Indikatoren festgelegt worden, mit denen die Wirkung gemessen werden könnte. Auch eine Evaluierung sei nicht vorgesehen. Geplante Maßnahmen seien auch nicht schriftlich festgehalten worden.

Die Prüfer haben sich den Output des Büros angesehen und entsprechende Projekte ausführlich dargelegt. Filme, TV-Produktionen, Lobbying auf EU-Ebene oder auch die Studie "Rekommunalisierung in Europa" wurden erwähnt. Letztere beschäftigt sich mit der Wiederaufnahme kommunaler Dienstleistungen wie der Wasserversorgung in die öffentliche Verwaltung.

Dargelegt werden auch die Kosten – etwa für das Personal. Hier betrugen die Gesamtkosten bisher – also vom Start im Mai 2018 bis Juni 2020, als der Stadtrechnungshof untersuchte – rund 750.000 Euro, wobei im Büro neben Brauner auch zwei Mitarbeiter beschäftigt sind. Der Bezug der ehemaligen Politikerin, die bis Ende 2021 in dieser Funktion bleiben wird, wird aus Datenschutzgründen nicht exakt ausgewiesen. Er liege jedoch leicht unter dem Durchschnittsbezug von Abteilungsleitern in der Wien-Holding, heißt es in dem Bericht.

ÖVP sieht weiterhin "Versorgungsjob"

Die Kritik an der Einrichtung hält auch nach der Prüfung an: "Es ist gut und wichtig, dass der Stadtrechnungshof das Postenschachersystem der Wiener SPÖ beleuchtet und unter die Lupe genommen hat. Die SPÖ ist erfinderisch und verschwenderisch, wenn es um die Schaffung von Versorgungsposten auf Steuerzahlerkosten geht. 2,12 Millionen Euro betragen die Gesamtkosten, die die SPÖ für den Versorgungsjob von Ex-Stadträtin Renate Brauner in die Hand genommen hat, 750.000 Euro alleine für Personalkosten", beklagen die nichtamtsführende Stadträtin Bernadette Arnoldner (ÖVP) und ÖVP-Klubobmann Markus Wölbitsch.

FPÖ spricht von "Phantomjob"

Wiens FPÖ-Chef Dominik Nepp befand in einer Aussendung ebenfalls: "Jetzt ist endgültig bewiesen, dass es sich hierbei um einen reinen Phantomjob für Brauner handelt und sie sich für eine nicht vorhandene Leistung jährlich hunderttausende Euro auszahlen lässt. Es ist höchste Zeit, dass SPÖ-Bürgermeister Ludwig – der ihr diesen Versorgungsposten zugeschanzt hat – die Reißleine zieht. Bei fast 200.000 Arbeitslosen alleine in Wien ist der Brauner-Job eine moralische Bankrotterklärung der Rathaussozialisten."

Neos wollen rasch umsetzen

Die Wiener Neos, die die Prüfung in die Wege geleitet haben und die inzwischen mit der SPÖ die Stadtregierung bilden, formulierten zurückhaltender. Deren Rechnungshof-Sprecher Jörg Konrad lobte grundsätzlich die Arbeit des Stadtrechnungshofs und hielt fest: "Im Falle des Büros für Daseinsvorsorge und Kommunalwirtschaft werden einige Maßnahmen zur Optimierung vorgeschlagen, die jetzt rasch umzusetzen sind."

"Stark verkürzte" Verfahrensdauer bei Pop-up-Radwegen

Geprüft wurden auch die Pop-up-Radwege: Die temporären Radwege waren nach Ausbruch der Corona-Pandemie – die zu einem deutlichen Anstieg des Radverkehrs in Wien führte – von der damaligen Verkehrsstadträtin Birgit Hebein (Grüne) initiiert worden, wobei sie dem Beispiel anderer Metropolen folgte. Die erste Pop-up-Variante wurde Anfang Mai auf der Praterstraße realisiert, weitere folgten.

Dem Stadtrechnungshof stach nun die "stark verkürzte" Verfahrensdauer ins Auge, wie es in dem betreffenden Bericht heißt. Die für die Anbringung der Bodenmarkierungen zuständige Magistratsabteilung 28 hatte laut den Prüfern kaum Vorlaufzeit. Der Verordnungsplan wurde gar nur innerhalb eines Tages erstellt. "Unter Berücksichtigung einer engagierten Vorgangsweise wurden die angeschriebenen Stellen in der Folge zur Abgabe der gewünschten Stellungnahmen doch in ein beachtlich enges zeitliches Korsett gedrängt."

Kaum Zeit für Einwände

Den örtlich zuständigen Bezirksvorstehungen, der Landespolizeidirektion Wien, den Wiener Linien und der Magistratsabteilung 28 selbst wurden demnach nur wenige Tage zur Äußerung eingeräumt, die teilweise durch Wochenenden und Feiertage weiter eingeschränkt waren: "Die Magistratsabteilung 46 (Verkehrsorganisation, Anm.) verstärkte den Druck, indem sie anführte, die Stellungnahmen würden zwingend bis zum gewünschten Datum einlangen müssen, andernfalls sie Zustimmung bzw. Kenntnisnahme annehmen werde."

"Die angeschriebenen Stellen hatten also kaum Zeit, die Eingabe zuzuteilen, sich einen Überblick zu verschaffen, zu prüfen und analysieren und allfällige Einwände in Worte zu fassen", bemängeln die Prüfer. "Trotz der kurzen Zeit kam es in allen vier eingesehenen Fällen zu negativen Stellungnahmen der Landespolizeidirektion Wien, die den Vorhaben nicht zustimmte", heißt es im Bericht.

"Für künftige, ähnlich gelagerte Verfahren empfahl der Stadtrechnungshof Wien, ein Mindestmaß an Zeit zur fundierten Entscheidungsfindung zur Verfügung zu stellen", hieß es abschließend.

Dienstautos wenig umweltfreundlich

Auch die Dienstfahrzeuge der Wien-Holding bzw. der Wiener Stadtwerke könnten für Zündstoff sorgen: Die beiden Konzerne stellen bestimmten Mitarbeitenden – in erster Linie Mitgliedern der Geschäftsleitung sowie Prokuristen und Abteilungsleiterinnen bzw. Abteilungsleitern – Dienstfahrzeuge zur persönlichen Verwendung (beruflich und privat) zur Verfügung.

Umweltfreundlich sind viele dieser Fahrzeuge nicht: Zum Stichtag 30. April 2020 gab es bei der Wien-Holding 43 dieser Dienstautos, wobei etwa 16 Prozent mit alternativer Antriebstechnologie ausgestattet waren. Im Wiener-Stadtwerke-Konzern befanden sich zum Stichtag 67 Dienstautos für Führungskräfte im Bestand, nur sieben Prozent davon mit umweltfreundlicher Antriebstechnologie (wie Hybrid- oder Elektroantrieb).

Wien Energie mit nur einem E-Fahrzeug

Fast ironisch wirkt, dass die Wien Energie – eine Tochtergesellschaft der Stadtwerke – nur ein personenbezogenes rein elektrisch betriebenes Fahrzeug zum Prüfungszeitpunkt in ihrem Bestand hatte, obwohl das Unternehmen "als größte regionale Energieversorgerin und Energieanbieterin seit Jahren auf E-Mobilität" setzt und im Großraum Wien zum Zeitpunkt der Einschau 630 öffentlich zugängliche Ladestellen in Betrieb hatte.

Die Prüfer machen deutlich, "dass die festgestellte Anzahl an personenbezogenen Dienstfahrzeugen in den beiden Konzernen den Bemühungen der Stadt Wien in Bezug auf die Reduzierung des motorisierten Individualverkehrs – und damit der weiteren Ökologisierung des Wiener Stadtverkehrs – nicht entsprach". Im Bericht heißt es, dass "in keiner der vorgelegten Kaufunterlagen die Umweltfreundlichkeit der angeschafften Fahrzeuge durch die HerstellerInnen – wie von der Konzernrichtlinie gefordert – explizit bescheinigt" worden sei.

Verhältnismäßig teure Autos

Und auch die Kosten der Autos kritisieren die Prüfer, denn die von den Konzernen bestimmten Anschaffungsobergrenzen waren so definiert, dass durch die Anschaffung umweltfreundlicher Fahrzeuge sowie persönliche Zuzahlungen ein Überschreiten der steuerlichen Angemessenheitsgrenze von 40.000 Euro um bis zu 36 Prozent möglich war. Wie bereits in einem Vorbericht im Jahr 2010 wiederholt der Stadtrechnungshof deswegen die Empfehlung, sich der sogenannten "Luxustangente" von 40.000 Euro anzunähern "sowie die Möglichkeit von Zuzahlungen der Dienstnehmerinnen bzw. Dienstnehmer für Sonderausstattungen zu überdenken".

Grüne: Den Dienstwagen-Fans die U-Bahn zeigen

Der Wiener Grünen-Klubobmann David Ellensohn kritisiert die "ausufernde Dienstwagen-Lawine bei der Wien-Holding" – 98 Autos mit herkömmlichen Verbrennungsmotoren und nur vier Hybrid- und acht Elektroautos seien definitiv zu wenig. "Wien wird alle Klimaziele verfehlen und dabei viel Geld und Benzin verbrennen, wenn in den Chefetagen von Bürgermeister Michael Ludwig abwärts nicht endlich eine Trendwende eingeleitet wird", sagt Ellensohn. Man solle "den Dienstwagen-Fans" die Vorteile der Wiener Öffis zeigen und sie mit in die U-Bahn nehmen. "Und hört auf Millionen für Luxuskarossen aus dem Fenster zu werfen, wir sind im 21. Jahrhundert, rettet das Klima für uns und die nächsten Generationen."

Die Stadtwerke erproben einstweilen die Flucht nach vorn: Just an dem Tag, an dem die Prüfberichte online gingen, kündigte der Konzern an, bis 2025 4,25 Milliarden Euro in den Klimaschutz zu investieren. "Die Wiener Stadtwerke sind damit maßgeblich am Ziel der emissionsfreien Stadt im Jahr 2040 beteiligt", sagte dazu der zuständige Stadtrat Peter Hanke (SPÖ). (lhag, APA, 11.3.2021)