Wiener Neustadts Bürgermeister Klaus Schneeberger (ÖVP) will die Durchimpfung seiner Stadt.

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Wiener Neustadt – Er wolle sich heute nur einen Seitenhieb erlauben, sagt der Wiener Neustädter Bürgermeister Klaus Schneeberger (ÖVP) am Donnerstag bei einer Pressekonferenz – nämlich dass das Gesundheitsministerium fünf Tage für den Erlass zu den Ausreisekontrollen gebraucht habe, während die Stadt die dafür notwendigen Testkapazitäten innerhalb von drei Tagen aufgestellt habe. Tatsächlich hielt sich Schneeberger sonst nicht mit Seitenhieben auf, sondern kritisierte das Gesundheitsministerium offen.

Seit 1. März habe es Gerüchte und mediale Meldungen über mögliche Maßnahmen für das Hochinzidenzgebiet Wiener Neustadt gegeben, aber erst am vergangenen Freitag habe sich die Generalsekretärin des Ministeriums bei der Stadt gemeldet. Und das auch nicht mit einer Verordnung, die die Stadt unmittelbar hätte umsetzen können, sondern mit einem Erlass, der erst wieder in eine Verordnung habe gegossen werden müssen – mit einer Frist bis Mittwoch. "Ich hab' gewusst: Das dapock ma net", sagt Schneeberger.

2,1 Tests pro Einwohner

Bis Samstag soll es sich aber ausgehen, dass in der Stadt 15.000 Tests pro Tag durchgeführt werden – das ist die Bedingung des Bürgermeisters für die Kontrollen. Denn nur wenn auch tatsächlich alle Bewohner die Möglichkeit zum Test hätten, könne man die Ausreise aus der Stadt auch an ein negatives Ergebnis knüpfen.

Nun sei man aber "bereit, die größte Corona-Testoffensive Österreichs durchzuführen", sagt Schneeberger. "Ich gehe davon aus, dass kaum eine andere Stadt eine vergleichbare Anzahl im Vergleich zur Bevölkerung aufweisen kann", sagt der Bürgermeister und Klubobmann der ÖVP im niederösterreichischen Landtag. Man führe "ab sofort" 2,1 Tests pro Einwohner durch, Wien komme derzeit auf 0,15 Tests pro Bewohner.

Soldaten und Studenten an den Teststraßen

Dafür stockt die Stadt von zwei auf drei große Teststraßen auf, sie sollen jeden Tag von sieben bis 20 Uhr in Betrieb sein. Um das zu "dapocken", stellt das Bundesheer 218 Soldaten zur Verfügung, die schon Testerfahrung aus Tirol und Wien mitbringen. Und von der Fachhochschule Wiener Neustadt haben sich hundert Studierende für einen freiwilligen Einsatz an den Teststraßen gemeldet, die FH stellt darüber hinaus Material wie Laptops zur Verfügung.

Und wie lange soll das alles dauern? Das ist ungewiss. Der Erlass des Gesundheitsministeriums stellt ein Ende der Ausreisekontrollen erst dann in Aussicht, wenn die Sieben-Tage-Inzidenz der Stadt zehn Tage lang unter 200 liegt – derzeit steht Wiener Neustadt bei einer Inzidenz von 541,2.

Durchimpfung gefordert

Dass dieser Wert mit den aktuell gültigen Maßnahmen dauerhaft so stark gedrückt werden kann, bezweifelt Schneeberger aber. Er werde im Gegenteil zunächst sogar eher steigen, weil man ja viel mehr teste. "Wenn es so ist, wie es ist, werden die Zahlen in Wiener Neustadt durch die Decke gehen", sagt der Bürgermeister.

Er fordert deshalb vom Gesundheitsministerium, die Stadt – ähnlich wie den Bezirk Schwaz – komplett durchzuimpfen, sollten die Zahlen nicht bald sinken. "Wir haben alles getan, um den Erlass über die Verordnung umzusetzen", sagt der Bürgermeister. "Wenn keine Besserung kommt, muss es zu einer Durchimpfung kommen." Das Gesundheitsministerium hat das allerdings zuletzt abgelehnt.

Ministerium winkt ab

Aus dem Gesundheitsministerium holt sich Schneeberger am Donnerstag eine Abfuhr: Beim Projekt im Bezirk Schwaz "handelt es sich um Impfstoff, der unter Mithilfe der europäischen Partner vorab zur Verfügung gestellten werden konnte", das Projekt werde wissenschaftlich begleitet "um etwaige Rückschlüsse auf die Auswirkungen der Impfung im Lichte der südafrikanischen Virusvariante treffen zu können, die vorwiegend in Teilen Tirols verstärkt auftritt", heißt es auf STANDARD-Anfrage. "Darüber hinaus sind aktuell keine weiteren Projekte dieser Art möglich." (sefe, 11.3.2021)