"Immer mehr Kinder haben Probleme", sagt Martens. Es dürfe nicht sein, dass junge Menschen, die im Fall von Infektionen das geringste Risiko tragen, gleichzeitig mit den stärksten Restriktionen umgehen müssen.

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Wien – Gerald Martens hat einen Brief geschrieben, und seither, sagt er, ist nichts mehr so, wie es vorher war. Der Brief, den der Präsident des Basketballverbands an Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) adressiert hatte, war ein offener in jeder Hinsicht. Martens hat die, wie man jetzt stets sagt, Corona-bedingte Situation des Sports sowie der Kinder und Jugendlichen in Österreich bekrittelt und sogar eine Anzeige gegen Anschober in den Raum gestellt. Wegen? "Wegen Körperverletzung."

Mag sein, dass es sich dabei um eine Zuspitzung, eine Übertreibung gehandelt hat. Martens hält sie jedenfalls für zulässig angesichts der Situation, die er im Gespräch mit dem STANDARD "nicht anders als dramatisch" nennen könne und wolle. Er habe, seit der Brief unterwegs ist, "enorme Zustimmung" erfahren. Es gab unzählige Reaktionen, von berufstätigen Eltern, von Alleinerziehenden, von anderen Sportverbänden. "Deshalb glaube ich, es war der richtige Schritt. Kinder haben in diesem Land keine Lobby. Es ist höchste Zeit, dass sich das ändert." Martens (55), selbst Vater zweier Töchter, verweist auf Studien und Untersuchungen, denen zufolge Familien und Kinder besonders unter den Lockdowns leiden. "Die Kinder degenerieren", sagt der Wiener. "Immer mehr haben große psychische oder körperliche Probleme, auch durch den Bewegungsmangel. Und dabei wollen wir nicht länger zusehen."

Viel Unverständnis

Die Lockerungen, die Anschober und Sportminister Werner Kogler (ebenfalls Grüne) in Aussicht gestellt haben, gehen Martens nicht weit genug. Ab Montag (15. März) können Kinder und Jugendliche in Sportvereinen wieder trainieren, sogar ungetestet, freilich nur outdoor unter Einhaltung der Zwei-Meter-Abstand-Regel. Die Ausnahme ist Vorarlberg, allein dort darf wegen vergleichsweise niedriger Infektionszahlen ab Montag auch indoor wieder trainiert werden.

Österreichweit aber bleiben, was auf viel Unverständnis stößt, etwa Tennishallen wohl auch weiterhin geschlossen. Und beispielsweise auch im Fußball dürfen künftig – vom Spitzensport abgesehen – nur Kinder und Jugendliche üben, doch Zweikämpfe oder gar Matches sind weiterhin untersagt.

Der organisierte Sport hat sich laut Martens gegenüber der Regierung lange genug quasi vornehm zurückgehalten, hat sich etwas gewünscht, hat gefordert, hat Konzepte erstellt und abgewartet. "Es ist noch nicht gelungen, die richtigen, wichtigen Leute zum Nachdenken zu bringen", sagt der Basketball-Austria-Präsident. "Dazu kommt, dass an den zuständigen Stellen", damit meint er insbesondere Anschober und Kogler, "ja wirklich hochsympathische Leute sitzen. Wenn das lauter Unsympathler wären, wäre es viel einfacher, Kritik zu üben."

Noch mehr Unverständnis

Martens will "ganz sicher nicht demonstrieren und Randale machen", er sei alles andere als ein Corona-Leugner. "Ich halte es für besonders wichtig, ältere und alte Menschen zu schützen. Und das tun wir auch sehr gerne." Doch es dürfe nicht sein, dass junge Menschen, die im Fall von Infektionen das geringste Risiko tragen, gleichzeitig mit den stärksten Restriktionen umgehen müssen.

Seit 2019 steht der Unternehmer dem Basketballverband vor. "Kein Manager würde im Krisenfall das tun, was die Regierung jetzt tut", sagt Martens und fordert einen aktiveren Umgang mit der Pandemie. Soll heißen? "Testen, testen, testen. Dazu kann der Sport enorm viel beitragen, wenn alle, die zu einem Training kommen, getestet sein müssen. Die Verbände und Vereine haben dazu zig Konzepte in den Schubladen liegen. Und die Kinder brauchen den Sport so dringend."

Viele, beileibe nicht bloß junge Menschen, die vor Corona in Sportvereinen trainierten, würden laut Martens nun auf öffentlich zugängliche Sportanlagen in Parks ausweichen. "Da spielt es sich jetzt ab, unkontrolliert und ganz ohne Tests. Auch so gesehen wäre die Öffnung von Sportvereinen doch tausendmal klüger."

Hans Niessl, Präsident der Bundessportorganisation Sport Austria, würde nie auf die Idee kommen, einem Minister mit Anzeige zu drohen, er hat schließlich mit der Regierung zu verhandeln. Rein inhaltlich aber liegt der Basketball-Funktionär durchaus auf Sport-Austria-Linie. Auch Niessl hatte schon Kritik an Anschober geübt, etwa Mitte Februar mit der Feststellung, dass der Gesundheitsminister "den Sport bis jetzt leider nicht als Gesundheitsfaktor berücksichtigt". Nun hofft Niessl, dass der Sport nicht nur im Nachwuchsbereich, sondern insgesamt bis Ostern hochgefahren wird.

Kollateralschäden

Es ist die Frage, ob Gerald Martens eine Antwort auf seinen Brief bekommen wird. Er hofft es, sagt er. Ansonsten will er "bald den nächsten Schritt setzen". Also tatsächlich den Gesundheitsminister anzeigen? Martens sagt, das lasse er tatsächlich prüfen. "Bitte seid mir nicht bös, dass wir energisch sein müssen. Wir erfahren jeden Tag die Infektionszahlen. Aber welche Kollateralschäden es jetzt schon gibt und welche es noch geben wird, das wird nicht gezeigt." (Fritz Neumann, 11.3.2021)