Galt für den Kanzler lange als ein Vorzeigeunternehmen in der Corona-Krise: der Maskenproduzent Hygiene Austria.

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Elf eigene Mitarbeiter will der Maskenhersteller Hygiene Austria haben, aber mehr als 200 arbeiteten Tag und Nacht im Maskenwerk in Wiener Neudorf. Wie passt das zusammen? Der von Lenzing und Palmers gegründete Maskenproduzent greift großteils auf Zeitarbeiterfirmen zurück, wie DER STANDARD bereits kurz nach der Razzia am 2. März mithilfe eines Informanten darlegte.

Offensichtlich haben Zeitarbeitsfirmen Arbeiter ins Hygiene-Austria-Werk geschickt, die laut Finanzministerium nur zum Schein existierten. Davon will sich Hygiene Austria nun am liebsten distanzieren.

Insolvente Scheinfirma

Das sieht man am Beispiel der AD Job Assist GmbH. Die Scheinfirma ist insolvent. Die Insolvenzverwalterin Ulla Reisch versucht vergebens, Kontakt mit der Firma aufzunehmen. Ihr liegen keine Buchhaltungsakten oder Unterlagen zu Vertragspartnern vor. Auf Nachfrage bei Hygiene Austria habe Reisch die Antwort erhalten, dass der Maskenproduzent die Leiharbeitsfirma nicht kenne und auch kein Vertrag mit ihr abgeschlossen worden sei. Auch dem STANDARD teilt der Maskenhersteller mit, dass keinerlei Beziehung zur AD Job Assist bestehe.

Auf Anwesenheitslisten, die laut einem Informanten der Hygiene Austria zugerechnet werden und aus dem vergangenen Sommer stammen, tauchen jedoch Namen auf, die im selben Zeitraum auch bei der AD Job Assist GmbH gemeldet waren – die meisten als vollbeschäftigt. Zudem zeigen die Recherchen, dass es Zahlungseingänge seitens der First Staff GmbH bei der Scheinfirma gegeben haben soll.

Im STANDARD-Interview sagte Palmers-Chef Tino Wieser, dass man bei Lenzing seine Anrufe ignoriere. Die Masken-Partnerschaft der beiden heimischen Unternehmen ist seit Bekanntwerden der Vorwürfe rund um Schwarzarbeit und Schummelmasken zerrüttet.
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Die Personalfirma war ebenfalls für Hygiene Austria am Werk – das weist sie selbst auf ihrer Homepage aus. Geld soll die AD Job Assist auch von der Steady Global Partners GmbH erhalten haben. Auch diese nannte ein Informant dem STANDARD in Bezug auf Zeitarbeitsfirmen rund um Hygiene Austria. Auch Steady ist in der Scheinfirmenliste des Finanzministeriums vermerkt.

First Staff ließ eine Anfrage unbeantwortet. Ermittler bestätigen allerdings, dass die Spur heiß sei. Das Firmenkonstrukt ist den Ermittlern reichlich bekannt: Eine Zeitarbeitsfirma bedient eine insolvente Subfirma, bei der für Masseverwalter nichts zu holen ist. Die Arbeiter können so brutto für netto entlohnt werden – deshalb sind sie so billig. Das würde erklären, warum Hygiene Austria keinen Vertrag mit der AD Job Assist eingegangen ist, obwohl deren Arbeiter in den Werkshallen tätig waren. Insolvenzverwalterin Reisch stellte am Dienstag im ORF-Radio die Vermutung an, dass die AD Job Assist zu Unrecht Kurzarbeitsgeld bezogen haben könnte.

Nicht nur bei FFP-Masken soll Hygiene Austria getrickst haben. Auch der vermeintlich aus heimischer Produktion stammende Mund-Nasen-Schutz soll teilweise aus China zugekauft worden sein.
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Lenzing verstört

Im Rahmen einer Bilanz-Pressekonferenz nahm am Donnerstag Lenzing zu den Vorwürfen rund um Hygiene Austria Stellung. Laut eigenen Angaben ist der Faserhersteller bemüht, die Vorwürfe forensisch aufzuarbeiten. Man sieht sich als Geschädigten in der Causa. Konzernchef Stefan Doboczky bezeichnete das entstandene Bild der Hygiene Austria als zutiefst verstörend. Fehler wolle man aufarbeiten, aber "Hygiene Austria ist nicht Lenzing".

Nachfragen beantwortete Lenzing teils vage: Man wolle nur Fakten kommunizieren, heißt es, und die würden Lenzing noch nicht vorliegen, weil Palmers den Zugang zu Unterlagen teils verweigere – was Palmers bestreitet. Welche Leiharbeitsfirmen Masken gefertigt hätten, wisse man nicht und sei Sache der Geschäftsführung von Hygiene Austria. Auch von den Zukäufen aus China habe man bei Lenzing erst erfahren, als es zur Razzia kam.

Die Geschäftsführung der Kooperation war bis vor kurzem auch mit Lenzing-Leuten besetzt. Diese wurden nach Bekanntwerden der Vorwürfe abberufen. Die Lenzing-Anteile sollen von einem Treuhänder verwaltet werden, hieß jüngst es in einer Aussendung. Wie es mit der Unternehmenspartnerschaft weitergeht, ist offen.

Lenzing-Chef Stefan Doboczky sprach am Donnerstag im Rahmen der Bilanz-Pressekonferenz des Faserherstellers von einem riesigen Image-Schaden für sein Unternehmen. Er sagte aber auch, dass Hygiene Austria und Lenzing nicht dasselbe Unternehmen seien. Von den Vorwürfen habe er erst nach der Razzia in Wiener Neudorf erfahren.
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Made in China

Gegen den Maskenhersteller wird nicht nur wegen Schwarzarbeit ermittelt, sondern auch wegen Betrugs – in beiden Fällen gilt die Unschuldsvermutung. Doch die Affäre weitet sich aus. Am Donnerstag verdichteten sich Hinweise, dass Hygiene Austria auch bei den Mund-Nasen-Schutz-Masken geschwindelt haben könnte. Bisher war nur die Rede von chinesischen FFP-Masken, die als österreichisch verkauft wurden. Dass auch bei Mund-Nasen-Schutz getrickst worden sein dürfte, wurde dem STANDARD aus Ermittlerkreisen bestätigt.

Das "Ö1-Morgenjournal" berichtete unter Berufung auf Dokumente von einer Lieferung mit elf und einer mit neun Millionen MNS-Masken im vergangenen Oktober an Hygiene Austria. Adressat sei Palmers gewesen. Den Lieferanten sei gesagt worden, die Masken seien für die Ukraine bestimmt. Die Rechnung soll nach Liechtenstein geschickt worden sein, an eine Aktiengesellschaft namens CFA. Die Rechnung soll auch bezahlt worden sein. Wo die Masken landeten, ist unklar. Ermittelt wird, ob sie umgepackt und als österreichisch verkauft wurden – was den Aussagen eines Insiders entsprechen würde.

Maskenaffären im Ausland

Österreich ist indes nicht das einzige Land mit Maskenskandal. Zwei deutsche Bundestagsabgeordnete von CDU und CSU sollen für Maskenvermittlungstätigkeiten hohe Provisionen eingestrichen haben. Das Schweizer Unternehmen Emix verkaufte gefälschte Masken an ein Spital. (Jan Michael Marchart, Bettina Pfluger, Aloysius Widmann, 12.3.2021)