Wenn es ans Eingemachte geht, schlägt die Kraft der Emotion jede Empirie mit links. Umfragen belegen seit Jahr und Tag, dass kein anderes Thema den Österreicherinnen und Österreichern so wichtig ist wie die Gesundheit. Nichts berührt uns so unmittelbar in unserem Innersten wie die Sorge vor Krankheit und Siechtum. Es überrascht nicht, dass nach einem Jahr der Pandemie, in dem die Schreckensmeldungen kein Ende nehmen, selbst bei den Besonnensten unter uns die Nerven blankliegen. Vor allem beim Thema Impfen, wo nun Berichte über schwere – aber aller Evidenz nach nicht unmittelbar damit zusammenhängende – Begleiterscheinungen des Astra-Zeneca-Vakzins AZD1222 in Österreich, Dänemark und anderen Ländern für weitere Verunsicherung sorgen. Als gäbe es davon nicht ohnehin längst mehr als genug.

Zahlreiche Impftermine blieben in Wien wegen des schlechten Images von Astra Zeneca bisher ungenutzt.
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Kein Wunder, dass sich da so mancher Zeitgenosse vor der Medizin mehr fürchtet als vor der Krankheit. Dass in Wien des schlechten Images von Astra Zeneca wegen schon Hunderte der raren Impftermine ungenutzt blieben, stimmt traurig angesichts der vielen Covid-Toten, fast 3000 Neuinfektionen pro Tag in Österreich sowie der wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Ödnis, die damit einhergeht – und wütend angesichts der vielen unter uns, die sich gerne lieber heute als morgen vor einer schweren Erkrankung schützen wollen, aber einfach noch nicht dran sind. Das verschwindend geringe Risiko, nach einer Impfung ernste Nebenwirkungen zu erleiden, wird da offenbar über die real existierende Gefahr eines potenziell tödlichen Virus gestellt. Menschlich ist das verständlich. Lange wurde schließlich der eine Impfstoff, jener von Biontech/Pfizer nämlich, in der öffentlichen Wahrnehmung als Premiumprodukt dargestellt, der von Astra Zeneca hingegen als billige – weil tatsächlich kostenneutral hergestellte – Massenware. Und was liegt, das pickt, gerade beim Thema Gesundheit.

Dass einerseits Fachleute den Astra-Zeneca-Impfstoff unisono als ähnlich sicher und wirksam einstufen wie jenen von Biontech/Pfizer und andererseits die EU-Arzneimittelagentur keinen direkten Zusammenhang zwischen den Fällen in Österreich und der Impfung erkennt, geht inmitten all der Emotion unter. Ebenso dass es in Großbritannien nach den ersten 9,7 Millionen verimpften Dosen AZD1222 – Stand 28. Februar – nur bei sechs von 1000 verabreichten Impfdosen zu Nebenwirkungen kam. Freilich ist jede einzelne davon tragisch. Die tatsächlich gefährlichste Impfung, so zeigt das Beispiel Großbritannien, ist aber jene, die nicht verabreicht wird. (Florian Niederndorfer, 11.3.2021)