Die meisten Prüfungen findet derzeit daheim vor dem PC statt. Um Absprachen und Schummelzettel zu unterbinden, setzen Unis auf Überwachung und strenge Vorschriften.

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Schwindelnde und betrügende Studierende sind kein neues Phänomen. Die Methoden ändern sich freilich im Laufe der Zeit – im Einklang mit dem technischen Fortschritt. Doch auch die Unis rüsten technisch auf, um etwa mittels Software Plagiaten auf die Spur zu kommen. Aktuell prägt die Corona-Pandemie Prüfungsformate, Kontrollmechanismen und die Suche nach Schlupflöchern. Mit ihrer Novelle des Uni-Gesetzes will die Regierung künftig zudem scharf gegen professionelle Ghostwriter vorgehen. Doch wie beugen Unis derzeit gegen Schummelei vor und welche Konsequenzen drohen Studierenden, wenn sie erwischt werden?

Schummelzettel und unerlaubte Geräte

Wenn Faktenwissen abgefragt wird und das Gedächtnis streikt, greifen manche Studierende im Hörsaal auch heutzutage noch zum Traditionsprodukt: dem Schummelzettel aus Papier. Eine modernere Version für das heimliche Nachschlagen ist das Handy mit dem digitalen Vorlesungsskript in der Hosentasche. In beiden Fällen handelt es sich um "unerlaubte Hilfsmittel" – das sind all jene Hilfsmittel, die vor der Prüfung nicht ausdrücklich erlaubt worden sind.

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Wer mit dem unerlaubten Hilfsmittel ertappt wird, verliert einen Prüfungsantritt. Wie sich das Vergehen im Zeugnis abbildet, unterscheidet sich leicht von Uni zu Uni. Diese können das in ihrer Satzung eigenständig festlegen. An der Uni Wien wird etwa ein "X" ins Zeugnis eingetragen, an der Uni Innsbruck bekommt man die Note "Nicht Genügend".

Ein Einfallstor für die unerlaubte Verwendung von Notizen stellen die während der Pandemie häufigen Online-Distanzprüfungen dar. Die Unis gehen dagegen mit massiver Überwachung sowie teils bizarr anmutenden Regelungen vor. An der Technischen Uni Wien war es etwa zuletzt Usus, dass Studierende ihren Arbeitsplatz mit einem genau definierten Kamerawinkel der Webcam filmen und auf Aufforderung des Prüfers Kameraschwenks durch ihr Zimmer durchführen mussten. Auch bedruckte Müsliverpackungen und Flaschen mit Etiketten wurden verboten.

Flüstern, Chatten und "Zufälle"

Das Flüstern durch die Bankreihen spielt es bei den derzeit raren Präsenzprüfungen nicht. Zu groß ist der Abstand, zu schalldämpfend die FFP2-Masken, Lippenlesen kann man sowieso vergessen. Prinzipiell drohen bei dieser Art des Schummelns allerdings dieselben Konsequenzen wie bei anderen unerlaubten Hilfsmitteln.

Die Online-Klausuren daheim vor dem PC bieten freilich neue Räume, die zum Tuscheln während der Prüfung missbraucht werden können. In Chatgruppen auf Whatsapp lässt sich gemeinsam an so mancher Antwort tüfteln. Sollte sich unbemerkt auch der Lehrveranstaltungsleiter in die Gruppe reklamiert haben, kann der Schwindel leicht enttarnt werden – DER STANDARD hat über einen solchen Fall berichtet.

Die Unis versuchen dem Problem unerlaubter Kooperation auch durch technische Vorschriften zu begegnen. So dürfen etwa nur regulierte Browser geöffnet werden, in denen sich Chats oder Mails nicht öffnen lassen. Gegen Umgehungsversuche per Zweitgerät soll mancherorts die Videoüberwachung der Hände dienen.

Für die Prüfer ist der Schwindel besonders augenfällig, wenn mehrere Studierende idente Antworten auf relativ offene Fragen geben. Durch nachträgliche Befragungen der Studierenden können sie versuchen, diesem "Zufall" auf den Grund zu gehen.

Mögliche Sperre nach dem Abschreiben

Bei Plagiaten ist die Bandbreite des Fehlverhaltens groß. Sie reicht von der unsauberen Zitierung fremder Formulierungen bis zur Aneignung langer Textpassagen, Hypothesen oder Daten, die ungeniert als eigene ausgegeben werden. Wenn schwere Fälle nachträglich ans Licht kommen und es sich dabei um hochrangige Politikerinnen und Politiker handelt, kocht das Thema regelmäßig hoch.

Für die Hochschulen steht in der Praxis aber das Aufspüren von Plagiaten bei Studierenden gleich nach der Einreichung von Arbeiten im Mittelpunkt. Dabei helfen Plagiatssoftwares wie Turnitin, die Übereinstimmungen mit anderen Texten anzeigen. Die Betreuerin sollte dann nachschauen, ob die auffälligen Stellen korrekt zitiert wurden. Sollte sie "nur" auf Schlampereien stoßen, kann sie zu einer milderen Maßnahme greifen und den Studierenden auffordern, die Arbeit zu überarbeiten.

Bei einem gröberen Problem folgt eine negative Note oder ein "X" im Zeugnis, und man muss in einem anderen Kurs eine neue Arbeit schreiben. Zudem kann man für ein Jahr vom Studium gesperrt werden. Noch drastischere Sanktionen blühen, wenn ein vorsätzliches Plagiat in einer Abschlussarbeit erst auffliegt, nachdem sie benotet und daraufhin der Titel erlangt wurde. Dann droht die Nichtigerklärung der Beurteilung samt Aberkennung des akademischen Grads.

Freunde und Agenturen

Nicht immer braucht es Agenturen, um sich per Geisterhand zur guten Note zu schummeln. Eine trickreiche Möglichkeit gibt es seit jeher durch schleißige Identitätskontrollen bei Klausuren: Befreundete Studienkollegen schreiben die Prüfung einfach füreinander. Optische Ähnlichkeiten zwischen echtem und falschem Prüfling sind dabei nützlich, das Gewusel bei der Abgabe lässt mancherorts aber auch sonst genügend Schlupflöcher für die Fälschung der Autorschaft.

Verbreiteter ist allerdings das bezahlte Engagement von Ghostwritern für schriftliche Arbeiten – von der Seminararbeit bis zur Dissertation. Studentin und Ghostwriterin lernen einander dabei nie persönlich kennen, vielmehr wird der Kontakt über eine finanziell kräftig mitschneidende Vermittlungsagentur anonym hergestellt. Für die Agenturen ist das derzeit noch nicht strafbar, durch die Novelle des Uni-Gesetzes soll das Anbieten der fremden Federn aber bald hohe Geldstrafen nach sich ziehen.

Für die Studierenden gibt es jetzt schon rechtliche Konsequenzen, die im Wesentlichen jenen für Plagiate entsprechen. Das Entdecken von Ghostwriting ist jedoch äußerst schwierig, denn da nützt auch eine Software nichts – zumal professionelle Ghostwriter gemäß akademischen Standards zitieren. Die offiziell von Universitäten registrierten Fälle sind nahezu null. (Theo Anders, Selina Thaler, 12.3.2021)