Ja, Beziehungen sind derzeit ein heißes Thema. Wie wir alle wissen, gestaltet sich unser aller Leben seit ungefähr einem Jahr unvorhergesehen anders. Viele Gewohnheiten und Kontakte fallen oder brechen weg, einiges wird weniger oder mehr, klarer oder unklarer, unsere Geduld wird auf die Probe gestellt.

Klar, dass wir uns mit uns selbst und auch in mehr oder weniger allen Beziehungen ein bisschen bewusster definieren müssen. Okay, nicht unbedingt müssen, wir können uns auch ablenken.

Wer öfter bei sich ist, bräuchte nicht so oft außer sich zu sein

Irgendwann kommen wir doch mehr oder weniger intensiv bei uns selbst an – aus welchen äußeren oder persönlichen Impulsen heraus auch immer. Wer sorgt fürs eigene Wohlbefinden? Sind das hauptsächlich die anderen oder doch auch man selbst? Aber schlussendlich, abseits aller Klischees wie Geschlechter- oder Generationstendenzen, sind wir alle immer wieder eingeladen, in den Leben der anderen bestimmte Rollen zu spielen oder umgekehrt. Wir sind halt Beziehungsmenschen.

Wir schauen, verändern, gestalten nur, wenn es Krisen gibt. Dann geht es zum Beispiel darum, ob eine Beziehung und die Rolle(n) innerhalb der Beziehung noch zu einem passen. Machen Sie sich bewusst, was Sie haben, und freuen sich, wenn es Ihnen guttut. Oder verändern Sie etwas, damit es eben wieder gut passt.

Ich möchte eine herzliche Einladung aussprechen, sich ums eigene Wohlbefinden auch selbst zu kümmern. Also doch bewusst so etwas wie Selbstfürsorge zu leben. Dazu braucht es oft an der richtigen Stelle klare Entscheidungen. Warum? Die freie Wahl macht gestaltbarer, lebendiger, leichter und ermöglicht mehr.

"Einander wollen" statt "Einander brauchen"

Wollen wir nicht alle die Beziehung genießen und uns wohlfühlen, anstatt auszuhalten, verstrickt sein? Wollen wir schlussendlich nicht alle mehr gewollt, wahrhaftig persönlich gemeint, gesehen, gehört und auch begehrt werden? Also positive Resonanz bekommen?

Natürlich geht das nicht immer, und auch in den glücklichsten und lustvollsten Beziehungen gibt es die eine oder andere dauerhafte oder auch zeitliche Abhängigkeiten. Ich lade hier ein, die Grundhaltung der Beziehungsdynamik zum Positiven zu forcieren. Es gibt Paare, die miteinander leben, lieben, begehren, gestalten, sich immer wieder bewusst und auf Augenhöhe ehrlich miteinander auseinandersetzen und es auch wollen, um Nähe und Intimität, Vertrauen und vieles andere lebendiger zu entwickeln und zu genießen. Diese Menschen fragen, was der andere braucht, sind neugierig und interessiert am Befinden des Partners, der Partnerin, statt einzuordnen und zu "wissen". Sie bleiben überwiegend wach und interessiert, erleben Beziehung und Liebe, Lust und Leidenschaft als gestaltbar.

Andere Menschen suchen – oft unbewusst – jemanden, der sie glücklich macht, rettet, heilt, den sie also überwiegend brauchen. Hier liegen oft das Delegieren von Verantwortungen, Verstrickungen und Forderungen nicht fern, oft bleiben hier das Wollen sowie ebenbürtiges Miteinander, ja auch die freie Gestaltung und natürlich auch ein lustvolles Liebesleben auf der Strecke.

Es geht beziehungsdynamisch nicht, jemanden zu wollen, den man ganz viel braucht. Ja, wir brauchen beides in einer stabilen und verlässlichen Zweierbeziehung, in unterschiedlichen Bereichen. Beim Brauchen geht es emotional leider oft um "Rettung", Verstrickung oder Abhängigkeit, also keine freiwillige Bewegung aufeinander zu wie beim Wollen. Lustkiller par excellence.

Glückliche Paare sind interessiert am anderen, fragen nach, gestalten die Beziehung.
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Psychohygiene – hart oder notwendig?

Ob wir wollen oder nicht, diese Zeit gerade lädt nicht nur ein, sie zwingt uns gerade dazu, uns auch innerlich neu zu sortieren, die eigenen aktuellen Bedürfnisse gut zu spüren und mit denen des Liebsten, der Liebsten in Einklang zu bringen. Da gibt es andere Nähe, die eine oder andere Verantwortung wird neu verteilt, so manche Entscheidung will getroffen werden, da bleiben manche Fragen nicht aus.

Viele fragen sich "Passt meine Liebesbeziehung noch?" oder aber auch "Will ich mich mal wieder auf eine Beziehung einlassen – vor dem nächsten Lockdown?". "Wer und was ist mir wichtig, wie will ich leben, mit wem, wo?" Was wir als unabänderlich glaubten, ist nun oft ganz anders. Welche Sehnsüchte und Wünsche habe ich an eine gelungene Freundschaft oder an eine Liebesbeziehung, an mein Sexleben?

Manchmal geht es auch gar nicht ums Grundlegende, sondern um kleinere, bewusst gewählte Akzente, zum Beispiel, mal selbst wieder einen Schritt zu setzen, um die Erotik zu erfrischen.

Ich will dich wollen und gewollt werden

Weil wir uns ja doch alle über positive Resonanz freuen – vielleicht ist jetzt für viele Menschen gerade ein guter Zeitpunkt, sich der inneren und auch äußeren "Sortierung" zu widmen. In allen möglichen Belangen. Welche Sehnsüchte treiben mich an? Gerade auch in der Liebe, bei Lust, Leidenschaft, Spiel und Sex? Was will ich, und was brauche ich? Oft liegt dann die Frage nahe, was davon kann ich mir selbst geben, was wünsche ich mir von anderen?

Das Schöne ist, wer sich Zeit nimmt, seine Bedürfnisse immer wieder neu und besser zu erkennen, kann auch gut für sich selbst sorgen. So gelingt es meist einfach und genussvoll, andere einzuladen, zu verführen und zu begehren – in der Lust und in der Liebe. (Nicole Siller, 17.3.2021)