Hotelterrasse, Drink in der Hand, die Leute am Nachbartisch unterhalten sich leise, unten am Strand spielen die Kinder. Im zweiten Spätwinter der Pandemie sind Vorstellungen wie diese ein Sehnsuchtsort – und eine Kraftquelle, die mithilft, weiter durchzuhalten.

Wird es sich heuer im Sommer mit dem entspannenden Urlaub am Meer ausgehen, mit der lang geplanten, geselligen Rundreise, mit der Familienfeier, die man schon vier Mal verschieben musste? Das fragen sich angesichts der derzeit erneut bedrohlich ansteigenden Infektionszahlen und der schwächelnden Impfkampagne viele.

Oder ändert sich übers Frühjahr und über den Sommer, hinein in den Herbst und den Winter, nur wenig zum Besseren? Hausarrest mit partiellem Ausgangsrecht, um einkaufen, spazieren, in die Schule oder arbeiten zu gehen, blasse Gesichter mit weißen Masken in Geschäften und Straßen, Einkommensverluste und Existenzängste, Verdachts- und Krankheitsfälle im Bekanntenkreis, Furcht vor einer eigenen Infektion?

"Wie lange wird das noch so weitergehen?", hat DER STANDARD Expertinnen und Experten aus dem Corona-Fachrat gefragt. Die genannten Zeithorizonte sind, je nach Wissenschaft und Blickwinkel, höchst unterschiedlich.

Bis Sommer, wenn es gut läuft

Der heurige Urlaub in Griechenland könnte klappen, meint Florian Krammer, Virologe und Professor für Impfstoffkunde an der Icahn School of Medicine at Mount Sinai – wenn die Corona-Impfkampagne nun auch in Österreich endlich an Fahrt aufnimmt. Mit der Frage, ob es zeitnah gelingt, einen Großteil der Bevölkerung zu immunisieren, würden die Aussichten auf baldige Normalisierung stehen oder fallen.

"Eine Pandemie mit einem respiratorischen Virus dauert eineinhalb bis zwei Jahre, das weiß man aus den Erfahrungen des 20. und des 21. Jahrhunderts", sagt der in den USA forschende und lehrende Österreicher. Das sei – um vier Beispiele zu nennen – der Zeitrahmen bei der Spanischen Grippe in den Jahren 1918–1920 gewesen, die mit weltweit schätzungsweise bis zu 50 Millionen Toten am verheerendsten war, bei der Asiatischen Grippe 1957/1958 und der Hongkong-Grippe 1968/1969, an denen jeweils etwa ein bis zwei Millionen Menschen starben, sowie bei der H1N1-Pandemie 2009/2010.

Auch die Coronavirus-Pandemie sei diesbezüglich wohl keine Ausnahme. Durch mehr Grundimmunität in der Bevölkerung werde der Erreger endemisch werden, sagt Krammer. Den Beginn der massiven Sars-CoV-2-Verbreitung setzt er mit Jänner 2020 an, als aus China erstmals eine Häufung von Krankheitsfällen berichtet wurde. Das Ende erwartet er im heurigen Jahr.

Doch wann genau? In Ländern wie Israel, Großbritannien und den USA, "aber etwa auch in Serbien, Chile oder auf den Seychellen", die es schaffen, rasch sehr viele Menschen zu impfen, schon diesen Sommer, sagt Krammer.

In der EU sei die Lage aufgrund der derzeitigen Impfdefizite durchwachsener. Nicht schlecht lasse es sich zum Beispiel in Portugal an: "Sie haben es momentan geschafft, von sehr hohen Infektionszahlen runterzukommen." In Österreich sei die Situation riskanter: "Die Zahlen gehen rauf. Es schaut leider nach einer dritten Welle aus."

Ein Problem dabei: Gelinge es nicht, mit relativ niedrigen Infektionszahlen in den Sommer zu kommen und gleichzeitig umfassend zu impfen, könne man die dann bestehenden Vorteile – "mehr UV-Licht, mehr draußen, höhere Temperaturen" – nicht optimal ausnutzen. Dann sei wahrscheinlicher, dass es im Herbst zu einem Wiederaufflackern der Epidemie komme.

Möglicherweise Jahrzehnte

Es ist eine einfache Rechnung: Damit eine Pandemie endet, braucht es eine Herdenimmunität gegen den Erreger. Um sie zu erreichen, müssen laut Expertenschätzungen 70 bis 80 Prozent einer Population immun sein. Die derzeit verfügbaren Impfstoffe weisen je nach Studie und Wirkstoff eine Wirkung von 62 bis 95 Prozent auf. "Wenn wir es grob mit einer Schutzwirkung von 80 Prozent durchrechnen, müssen 100 Prozent der globalen Bevölkerung geimpft werden, damit es zur Herdenimmunität kommt", sagt der Physiker und Komplexitätsforscher Stefan Thurner vom Complexity Science Hub.

Mutiert das Virus weiterhin so schnell, wie es bisher scheint, so müsste die Weltbevölkerung jedes Jahr erneut durchgeimpft werden. "Das ist komplett unrealistisch", sagt Thurner. Das Virus wird also bleiben – und wir müssen lernen, damit "sinnvoll zu koexistieren".

Durch die Impfung aber würde ein Grundschutz entstehen. Ist ein hinreichend großer Bevölkerungsanteil immunisiert, kann sich das Virus nicht mehr großflächig ausbreiten. Für Österreich bedeutet das: Werden – wie es Gesundheitsminister Rudolf Anschober für die Zeit ab Ostern angekündigt hat – täglich 60.000 bis 80.000 Menschen geimpft, wären bis circa Jahresende genug Österreicher basisimmunisiert.

Ein großflächiger Ausbruch wäre dann kaum mehr möglich. Voraussetzung dafür: Die vorhandenen Impfstoffe erzielen bei den vorherrschenden Mutationen genügend Wirkung.

Auch in diesem Fall, sagt Thurner, müssten wir uns aber für mehrere Jahrzehnte auf ein Aufflackern des Virus vorbereiten. Der Erreger kann jederzeit wieder durch Reisen eingeschleppt werden. Daher brauche es ein gesamteuropäisches Ampelsystem mit lokalen Lockdowns.

Zudem müssen die Therapien für Covid verbessert und neue Kapazitäten im Gesundheitssystem bereitgestellt werden, etwa auf den Intensivstationen. "Wir sollten Ressourcen für die Behandlung von Covid-Fällen so schaffen, dass das normale Gesundheitssystem davon nicht betroffen wird", sagt Thurner.

Für Langzeitarbeitslose mehrere Jahre

So notwendig Lockdowns aus epidemiologischen Gründen auch sind – für die Wirtschaft stellen sie eine Hypothek dar, sagt Jürgen Janger, Vizechef des Instituts für Wirtschaftsforschung (Wifo). Ab wann es also mit der Wirtschaft wieder aufwärtsgehe, hänge stark von den Infektionszahlen ab – "und diese wiederum von Testen, Contact-Tracing, Isolieren und Impfgeschwindigkeit".

Ende März, so Janger, werde das Wifo zwei Szenarien der zu erwartenden ökonomischen Entwicklung in den Folgemonaten präsentieren; eines für den Fall von Lockerungen, ein anderes im Fall fortgesetzter Lockdownmaßnahmen. So viel sei verraten: "Gastronomie und Tourismus würden sich im Fall von Öffnungen relativ rasch erholen. Sogar ein kurzer Konsumboom ist möglich, wenn viele Menschen das in der Krise aufgestaute Ersparte ausgeben."

Auch die Vorhersagen für die mittelfristige Entwicklung nach Lockerungen sind nicht schlecht. Denn, so der Ökonom: "Im Vergleich zur Wirtschaftskrise von 2008 bis 2010 sind die Banken stabiler." Als "Damoklesschwert" hänge über all dem jedoch das Risiko zahlreicher Insolvenzen nach Ende der staatlichen Stützen.

Sollten in den kommenden Wochen und Monaten hingegen Schließungen nötig sein, werde sich die Erholung um diese Frist verzögern. Ebenso das Sinken der Arbeitslosenzahlen; derzeit sind – inklusive Schulungsteilnehmern – mehr als 500.000 Menschen ohne Job. Um einiges länger werde es auf alle Fälle dauern, bis rund 130.000 Langzeitarbeitslose – plus 40 Prozent seit Pandemiebeginn – eine reelle Chance auf einen regulären Arbeitsplatz erhalten: "Wie schnell diese Zahl zurückgeht, wird nicht nur von der allgemeinen wirtschaftlichen Erholung, sondern auch von spezifischen arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen abhängen", sagt der Wifo-Vizechef.

Vielleicht das ganze Leben lang

Geht es nach den Österreichern selbst, dann rückt das Ende der Pandemie zunehmend in die Ferne. Das besagen die aktuellsten Ergebnisse der Corona-Panelumfrage, die die Politikwissenschafterin Barbara Prainsack an der Universität Wien seit bald einem Jahr durchführt.

Im Februar meinten 89 Prozent der Befragten, die Corona-Krise würde länger als sechs Monate fortdauern, vergangenen April waren es nur 34 Prozent. "Die Menschen haben sich auf einen Sprint eingestellt. Nun ist es ein Marathon", sagt Prainsack. Das sei problematisch, da viele ihre Energiereserven bereits aufgebraucht hätten.

Anders als die Pandemie, deren Ende sich anhand epidemiologischer Kennzahlen festmachen lässt, ist die damit einhergehende gesellschaftliche Krise schwer zu fassen. Prainsack warnt davor, ihr Ende ausschließlich von wirtschaftlichen Kennzahlen abhängig zu machen: "Die Wirtschaft kann wachsen, und trotzdem kann das gefühlte Wohlbefinden der Bevölkerung zurückgehen." Deshalb sollte ein anderer Parameter in den Fokus rücken: die Verteilung von Lasten und Pflichten. Gerade Frauen hat die Krise vermehrt getroffen: Im Vergleich zum Vorjahr ist die Arbeitslosigkeit bei Frauen um 40 Prozent angestiegen, bei Männern um 25 Prozent.

Die Familienarbeit hat sich vervielfacht – den Großteil davon übernahmen die Frauen. Während des ersten Lockdowns im Frühjahr 2020 haben sie im Schnitt täglich 14,5 Stunden gearbeitet, davon 9,5 Stunden unbezahlt. "Die Folgen davon sind sicher nicht in einem Jahr vorbei. Viele Frauen werden es unter Umständen ihr ganzes Leben lang spüren – auch in Form von niedrigeren Pensionen." (Irene Bricker, Eja Kapeller, 13.3.2021)