Noch herrscht buntes Treiben im MAN-Lkw-Werk in Steyr. Das könnte sich aber bald ändern.

Foto: APA / Fotokerschi.at / Werner Kerschbaum

Die Verhandlungen über Verkauf und Erhalt des MAN-Lkw-Werks in Steyr sind im Endspurt. Die Volkswagen-Nutzfahrzeugsparte MAN mit Zentrale in München drücke gehörig aufs Tempo: Man verhandle ausschließlich mit der Investorengruppe rund um Ex-Magna-Chef Siegfried Wolf, berichtete die Austria Presse Agentur unter Berufung auf nicht näher genannte MAN-Unternehmenskreise.

Sollte es mit Wolf nicht bald zu einer Einigung kommen, sei die Schließung des mit rund 2.300 Beschäftigten doch recht wichtigen Industriestandorts in Oberösterreich die einzige Alternative. Die MAN-Führung signalisiere diese Gangart recht unverblümt, heißt es in Verhandlerkreisen.

Quasi ein Ultimatum

Das darf insbesondere für die Belegschaft als klares Signal gewertet werden. Dort hatte die zuletzt ins Spiel gebrachte Interessentengruppe um den Linzer Unternehmer Karl Egger (Kekelit) offenbar große Hoffnungen geweckt. Als Proponenten dieser Investoren werden der ehemalige Bundeskanzler Alfred Gusenbauer (SPÖ) und der ebenfalls als SPÖ-nahe geltende Siemens-Österreich-Chef Wolfgang Hesoun genannt. Ein konkretes, über "blumiges Green Mobility" hinausgehendes Konzept sei bei dieser Gruppe allerdings nur in homöopathischen Dosen vorhanden, beklagt ein den Verhandlern Nahestehender.

Anders bei Siegfried Wolf, der als Manager von Russian Machines und deren Autohersteller Gaz deutlich konkretere Pläne verfolgt. Als Intimus der Volkswagen-Aktionärsfamilie Porsche verfüge Wolf über den deutlich direkteren Zugang zu den kontrollierenden MAN-Aktionären. Einfacher macht dies den Deal allerdings nicht, denn da gibt es noch den Problembereich Russland-Sanktionen. Wie diese umschifft werden sollen, sei auch noch spannend.

Feind im Haus

Darüber hinaus dürfte die Volkswagen-Nutzfahrzeugsparte null Interesse haben, sich vor der Haustür einen Konkurrenten zu züchten. Andererseits ist Gaz russischer Partner von Volkswagen, was auf der Technologieseite unverzichtbar sei, produziere aber auch mit der Konkurrenz, skizziert ein Auskenner das Spannungsfeld des Deals.

Die Hürden, die bei derartigen Deals von Arbeitnehmervertretungen kaum übersprungen werden können: relativ hohe Löhne und Gehälter der Stammbelegschaft samt Altabfertigungen, die der Käufer des Werks kürzen beziehungsweise nicht übernehmen will.

Das heißt auf gut Deutsch: Die Beschäftigten erwartet neben Kündigungen ein Haircut, der in Zeiten der Corona-Krise nicht nur als besonders schmerzhaft empfunden wird. Klar ist inzwischen auch, dass Wolf bzw. der Eigentümer von Gaz und Russian Machines nur einen Bruchteil der Stammmannschaft übernehmen wollen und werden.

Dramatische Lage

Von den rund 2.300 Mitarbeitern gehören rund 1.900 zur Stammbelegschaft. Um sie gehe es, schildert ein Involvierter die dramatische Lage. Für den großen Rest könne relativ wenig herausverhandelt werden, sie seien Zeit- oder Leiharbeiter. Und für diese 1.900 Mitarbeiter schaut es düster aus: "Bleiben dürfen nur die Jungen, für die Alten gibt es einen relativ guten Sozialplan", sagt ein mit der Materie vertrauter Auskenner. Ungeschoren bleiben dürften freilich auch die jüngeren Jahrgänge nicht.

Der Grund: der mit an die 30 Prozent relativ hohe Anteil an Akkordlohn. Er soll nach dem Willen der Käufer komplett gestrichen, zumindest aber halbiert werden, was zwar nicht 30 Prozent Einkommensverlust, aber immer noch 15 Prozent weniger bedeuten würde. Neu eingestellte Mitarbeiter dürfen mit derartigen Sonderregelungen nicht mehr rechnen, sie werden für gute Geschäftsjahre im besten Fall mit einer Prämie belohnt.

Abstimmung über Haircut

Darüber hinaus gebe es noch jede Menge an Betriebsvereinbarungen, deren künftige Gültigkeit ebenfalls in den Sternen steht. Über all das sollen die MAN-Mitarbeiter am 24. März in einer Betriebsversammlung abstimmen.

Das Problem dabei: Selbst wer für Verkauf und Haircut stimmt, hat keine Gewissheit, dass er nach dem Verkauf tatsächlich an Bord bleibt. Die Belegschaft dürfe "nicht abgeräumt werden wie ein Christbaum", heißt es in der Gewerkschaft. Über scharfe Munition im Abwehrkampf verfügt sie allerdings nicht. Die "Oberösterreichischen Nachrichten" hatten als erste über Abstimmung und Versammlung berichtet.

MAN und Wolf seien der Arbeitnehmerseite weit entgegengekommen, aber der Betriebsrat in Steyr gefährde eine Lösung, betont man im Umfeld von MAN.

Klappt der Deal, werden in Steyr bis Ende 2022 weiter Lkws für MAN produziert und ab 2023 für Gaz. (Luise Ungerboeck, 14.3.2020)