Der Weg in den Burnout ist ein langer. Am Ende steht völlige Erschöpfung.

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Was früher das Büro war, ist heute der Küchentisch, an dem manche tagein, tagaus ihre Arbeit erledigen. Das macht es schwierig, eine Grenze zwischen Arbeits- und Wohnalltag zu ziehen. Noch schnell beim Fernsehen die E-Mails checken und gleich beantworten? Am Wochenende den Laptop einschalten, um schon einmal für die kommende Woche vorzuarbeiten? Das ist für manche Menschen im letzten Jahr normal geworden. Gesund ist das aber nicht.

Auch wenn das Homeoffice von gar nicht so wenigen, die sich damit langes Pendeln und hektischen Alltag im Großraumbüro ersparen, als angenehm empfunden wird: Bei manchen führen die ständige Erreichbarkeit und der nie endende Stress ins Burnout. Ein bisschen ist das eine Persönlichkeitssache, sind sich Expertinnen und Experten einig. Besonders gefährdet sind Menschen, die sich schwer damit tun, Grenzen zu ziehen – und die obendrein noch perfektionistisch veranlagt sind und sich für ihre Arbeit stark begeistern können.

"Früher waren diese Grenzen ja durch eine Struktur von außen gegeben", sagt die Wiener Psychotherapeutin und Arbeitspsychologin Nicole Trummer. Die Arbeit war auf die Bürozeiten beschränkt – und wurde am Abend auch dort gelassen. Jetzt liegt sie in vielen Fällen Tag und Nacht mitten auf dem Küchentisch.

Bis zur völligen Erschöpfung

Der Übergang zwischen starker beruflicher Belastung sowie einer daraus resultierenden Erschöpfung und der Diagnose Burnout ist ein fließender, sagt der Wiener Psychotherapeut und Supervisor Gerald Käfer-Schmid, der auch Vorstandsmitglied in der Vereinigung für Supervision und Coaching (ÖVS) ist. Gefährlich wird es, wenn man beginnt, sich selbst und seine Bedürfnisse zu vernachlässigen: "Wenn Erholung, Abstand, Ablenkung dauerhaft zu kurz kommen, wird es kritisch."

Die Symptome, die auf ein Burnout hinweisen, unterscheiden sich individuell stark. Sie reichen von Nackenschmerzen, Migräne bis hin zu Magen-Darm-Problemen. Was aber bei den meisten Betroffenen auftritt, sind Probleme beim Einschlafen oder Durchschlafen. Sie fühlen sich nervös und unruhig, sie berichten von einem Gedankenkarussell, das das Einschlafen verhindert. "Man verliert das Gefühl zu sich selbst", sagt Käfer-Schmid. Und er fügt hinzu: "Viele beschreiben auch eine innere Leere." Am Ende steht dann die völlige Erschöpfung.

Erste Anzeichen

Der Weg ins Burnout ist allerdings ein langer. Erste Anzeichen werden aber gerade bei Menschen, die im Homeoffice sitzen, oft übersehen. "Früher haben wir gesagt: Man merkt, dass es ein Problem gibt, wenn soziale Kontakte reduziert werden und man sich zurückzieht", sagt Psychologin Trummer. Bloß: In Zeiten von Corona ist eine solche Kontaktreduktion ja sogar erwünscht, um die Ausbreitung des Virus zu bremsen. Noch etwas kommt in Zeiten der Pandemie hinzu: "Viele sagen: Ich kann mich eh mit niemandem treffen, da lenk ich mich lieber mit Arbeit ab", erzählt Trummer.

Im Homeoffice wird die Entwicklung eines Burnouts auch deshalb begünstigt, weil viele allein und isoliert den ganzen Tag vor sich hin werken. Und in virtuellen Meetings kommt der Smalltalk oft zu kurz, betont der Supervisor und Psychotherapeut Käfer-Schmid. Fragen wie "Wie geht es dir?", "Was ist denn mit dir los?", "Willst du nicht für heute Schluss machen?", die im Büro selbstverständlich waren, werden virtuell seltener gestellt. Und auch Führungskräften fällt es ohne den direkten Austausch oft erst spät auf, dass ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin Hilfe braucht.

Virtuell zu Mittag essen

Was man dagegen tun kann? "Das Wichtigste ist: miteinander in Kontakt kommen", sagt Käfer-Schmid. Das kann etwa in Form eines wöchentlichen virtuellen Mittagessens oder eines virtuellen Kaffees mit den engsten Kolleginnen und Kollegen erfolgen, bei dem Zeit für informellen Austausch ist. Oder indem man nach einer Besprechung noch ganz bewusst zehn Minuten für ein lockeres Gespräch einplant. Vielen tut auch gut, einmal wieder einen Kollegen oder eine Kollegin anzurufen, um einfach nur zu plaudern.

Bei der Vorbeugung eines Burnouts hilft außerdem alles, was mit positiver Ablenkung zu tun hat. Das kann schon ein Spaziergang in der Mittagspause sein, um den Kopf freizubekommen. Nicole Trummer empfiehlt außerdem, sich im Kalender fixe Zeiten für sich selbst einzutragen, etwa um Sport zu machen, zu meditieren oder mit der Familie zu zoomen. Das mache es leichter, sich die Zeit dann im Arbeitsalltag auch tatsächlich zu nehmen.

Platz zum Arbeiten

In Wohnungen, in denen es die räumlichen Möglichkeiten für ein eigenes Arbeitszimmer nicht gibt, ist es ratsam, sich einen fixen Platz herzurichten, an dem ausschließlich gearbeitet wird, damit die Arbeit nicht immer auf dem Esstisch liegt.

Und: Wochenende ist Wochenende – auch wenn das Homeoffice theoretisch immer nur ein paar Schritte entfernt ist. Das Diensthandy sollte daher, wenn möglich, konsequent ausgeschaltet und der Laptop weggeräumt werden – damit das Zuhause zumindest am Wochenende einmal wieder einfach nur zum Wohnen da ist. (Franziska Zoidl, 18.3.2021)