Die Wahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz als Auftakt zu einem "Superwahljahr" in sieben der 16 Bundesländer und für den Bundestag am 26. September bestätigen das Ende der CDU/CSU als krisenfester Stabilitätsanker der Bundesrepublik und zugleich die Bedeutung der Persönlichkeiten in der Politik. Das Krisenmanagement während der Pandemie weckt auch in Deutschland eine wachsende Ungeduld der Bevölkerung. Diese trifft in erster Linie die CDU und die Bundesregierung, wenn auch das souveräne Handeln der Kanzlerin lange Zeit die CDU in den Umfragen hochgezogen hat. Vor der allmählichen Wirkung des bevorstehenden Abgangs Angela Merkels bleibt auch nach diesen Wahlen die entscheidende Machtfrage noch immer ungeklärt: Wer wird der Kanzlerkandidat der CDU/CSU bei der Bundestagswahl?

Obwohl immer wieder beteuert wird, die Landtagswahlen hätten für die Kandidatenfrage keine Rolle gespielt, zeigen die Erfolge des grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann in Baden-Württemberg und der sozialdemokratischen Ministerpräsidentin Malu Dreyer die ausschlaggebende Rolle der Spitzenkandidaten – und nicht nur bei regionalen Wahlgängen. Wenn auch Armin Laschet erst seit Jänner CDU-Vorsitzender ist und für die bitteren Niederlagen seiner Partei nicht verantwortlich gemacht werden kann, erweckt er – auch im Spiegel aller Umfragen – zumindest bisher nicht den Eindruck einer kraftvollen Persönlichkeit, die allein einen Stimmungsumschwung bewirken könnte.

Armin Laschet ist seit Jänner CDU-Vorsitzender – ob er Kanzlerkandidat bei der Bundestagswahl wird, ist aber noch offen.
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Die CDU stellt viermal so viele Bundestagsabgeordnete wie die CSU, und Laschet scheint zur Kandidatur entschlossen zu sein. Sollten aber die Umfragen noch mehr den Eindruck erwecken, dass der bayerische Ministerpräsident Markus Söder mit Abstand als die einzige starke Führungsfigur der CDU/CSU angesehen wird, könnte der ehrgeizige CSU-Chef bei der Entscheidung über die Kanzlerkandidaten zwischen Ostern und Pfingsten für eine Überraschung sorgen.

Krise der Sozialdemokratie

Zur Unsicherheit über die Stabilität nach diesem Wahljahr trägt die anhaltende Krise der deutschen Sozialdemokratie bei. Es ist fraglich, ob der persönliche Erfolg der Ministerpräsidentin Malu Dreyer in Rheinland-Pfalz, wo nur jeder zwanzigste Wähler lebt, an der Schwäche der SDP im Bund (rund 16 Prozent laut den letzten Umfragen) etwas ändern wird. Finanzminister Olaf Scholz als SPD-Kanzlerkandidat ohne Strahlkraft verkörpert eine zutiefst gespaltene Partei im langjährigen Niedergang.

Die Grünen gelten zwar als die Erfolgspartei, aber ihr Wahltriumph in Baden-Württemberg war fast nur ihrem Spitzenkandidaten, dem Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann, zu verdanken. Auch hier muss übrigens die Position der Nummer eins bei der Kanzlerkandidatur zwischen zwei Persönlichkeiten – Annalena Baerbock und Robert Habeck – noch entschieden werden.

In diesem Wahljahr der Unsicherheit bleibt im wichtigsten EU-Staat bei der Koalitionsbildung nach der Bundestagswahl alles möglich. Im Falle des weiteren, möglicherweise beschleunigten Niederganges der CDU/CSU könnte sogar eine linksliberale Koalitionsregierung zum ersten Mal mit einer grünen Kanzlerin oder einem grünen Kanzler die Merkel-Regierung ablösen. (Paul Lendvai, 15.3.2021)