Und wieder einmal steht – mitten in der Pandemie – nach tagelangem Beschuss der Kanzlerpartei ÖVP das Gesundheitsressort von Rudolf Anschober (Grüne) wie ein chaotisch geführtes Ministerium da. Angesichts des jüngsten Impfdosendisputs meint ein Grüner: "Das gibt zehn Punkte für die ÖVP und nur einen für uns." Wieder einmal.

Die Opposition bezweifelt den angeblich alleinigen Fehltritt von Impfkoordinator Auer – SPÖ, FPÖ und Neos machen für das fragwürdige Impfmanagement auch Kanzler Kurz und Gesundheitsminister Anschober verantwortlich.
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Weil sein zuständiger Spitzenbeamter Clemens Martin Auer über einen Reservetopf der EU rund 100.000 zusätzliche Impfdosen gegen das Coronavirus von Biontech/Pfizer hätte abrufen können, davon aber nichts erzählt hat, berief Gesundheitsminister Anschober, soeben aus dem Krankenstand zurückgekehrt, zu Wochenbeginn den langjährigen Mitarbeiter ab. Ab sofort übernimmt Katharina Reich, seit dem Jahreswechsel Chief Medical Officer, die Impfkoordination, den Job von Auer, der stets als ÖVP-Mann galt.

Konkret habe Auer, der am Sonntag seinen Rückzug angeboten habe, auf weitere Bestellungen von Impfdosen verzichtet, obwohl genug Geld zur Verfügung gestanden wäre, lautete Anschobers Begründung. Unter anderem sei er nicht darüber informiert worden, dass im Zuweisungsverfahren der EU nicht verteilte Impfdosen in einem Topf verblieben seien.

Hin und Her zum Impfbudget

Für eine Suspendierung, wie von der Kanzlerpartei gefordert, würde Auers Verfehlung nicht aber reichen, erklärte Anschober. Auer bleibt im Ressort daher Sonderbeauftragter für internationale Angelegenheiten, er vertritt Österreich etwa weiterhin in der Weltgesundheitsorganisation.

Parallel zu alledem rechnete das von Gernot Blümel (ÖVP) geführte Finanzministerium am Montag vor, dass erst ein Viertel des Impfbudgets ausgeschöpft sei, Anschober selbst hatte zuvor erklärt, Auer habe sich an die Vorgabe des Finanzressorts gehalten, 200 Millionen Euro im Rahmen der Beschaffung nicht zu überschreiten. Prompt stellte man dort daraufhin klar, dass Anfragen aus dem Gesundheitsressort für Budgetfreigaben stets "innerhalb weniger Tage" erfolgt seien – die 200 Millionen wären der Planungsstand vom Vorjahr.

Geht es also nach wie vor drunter und drüber im Gesundheitsressort, obwohl Anschober die Amtsgeschäfte wieder übernommen hat? Fakt ist, dass in Österreich derzeit maximal 50.000 Dosen pro Tag verimpft werden. Durch Auers angeblich alleinigen Fehltritt fällt man rund zwei Tage hinter den Impfplan zurück, also läuft weiterhin alles zwar stotternd, doch weitgehend nach Plan.

Kanzlerpartei zufrieden – vorerst

Dass Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) Anschobers Ressort während seines Krankenstands (Gesundheitscheck nach Kreislaufkollaps) attackiert hat, quittierte der Gesundheitsminister nur mit der Bemerkung, er gehe zur Tagesordnung über und wolle sein "Bestes" geben. In der ÖVP gab sich Vizegeneralsekretärin Gabriela Schwarz, die nicht nur Auers Kopf, sondern auch den von Ines Stilling, Generalsekretärin im Gesundheitsressort, gefordert hatte, zufrieden: Nun brauche es gemeinsame Anstrengung, um für ein rasches Durchimpfen der Bevölkerung zu sorgen.

Hinter vorgehaltener Hand monieren Grüne aber sehr wohl, wie letztklassig es sei, Verfehlungen im Gesundheitsressort anzuprangern, wenn der Minister erkrankt sei. Die jüngsten Attacken wertet man auch als türkises Ablenkungsmanöver von den Malversationen rund um die Maskenproduktion bei der Hygiene Austria, im Zuge derer diverse Verwandtschaftsverhältnisse im Büro von Kanzler Kurz bekannt wurden.

Wurschtelt Türkis-Grün also trotz der Demütigungen weiter wie bisher? Angesichts der Corona-Krise gäbe es dazu keine Alternative, heißt es bei den Grünen. Zur Erinnerung: Schon bei der umstrittenen Corona-Ampel im Herbst und dem zögerlichen Start der Impfkampagne zu Jahresbeginn nahm Kurz Anschober das Heft aus der Hand. Umgekehrt glänzte Anschober nicht gerade als Gesundheitsminister, weil aus seinem Ressort immer wieder schlampig ausgearbeitete Verordnungen kamen. Dazu blieben wichtige Schlüsselstellen in seinem Ministerium lange unbesetzt, der oberste Sanitätsrat als unabhängiges Beratungsgremium des Gesundheitsministers im Bereich der öffentlichen Gesundheit harrt bis heute seiner Neubestellung.

Aus Verantwortung verabschiedet

Für den Politikberater Thomas Hofer gilt es als bemerkenswert, wie sich Kurz und Anschober rund um die nicht abgerufenen Impfdosen "aus der Verantwortung verabschieden. Man hat jemanden gefunden, der daran schuld ist, obwohl das Thema Impfen für den Kanzler und den Gesundheitsminister seit Monaten erste Prioritätsstufe haben sollte."

FPÖ-Chef Norbert Hofer machte darauf aufmerksam, dass die EU-Kommission Ende 2020 bekanntgegeben habe, dass für Österreich die Option bestehe, aus dem EU-Kontingent von Biontech/Pfizer zwei Prozent an Impfstoff zu beziehen. Neos-Mandatar Gerald Loaker sagt, die Regierung habe gewusst, dass es immer wieder die Option auf Kauf zusätzlicher Dosen geben werde. Man hätte Auer beauftragen müssen, dann sofort zuzugreifen. Und auch für Vize-SPÖ-Klubchef Jörg Leichtfried liegt die Verantwortung für das "miserable Impfmanagement" bei Kurz und Co selbst. (Nina Weißensteiner, Rosa Winkler-Hermaden, 15.3.2021)