Die "Weniger ist mehr"-Mentalität ist wohl auch der Pandemie geschuldet.

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"Die Haut braucht keine Creme, nur weil es Tag oder Nacht wird." Diesen Rat bekam meine Tante bereits vor über zehn Jahren von ihrem Dermatologen. Sie hatte ihn wegen eines Ausschlags im Gesicht aufgesucht. Er verordnete ihr aber nicht wie erwartet eine Creme dagegen – sondern keine.

Denn: Zu viel des Guten ist auch in der Hautpflege oft erst der Grund für Irritationen. Während mir meine Tante diese Hautpflege-Philosophie deshalb schon als Jugendliche mitgab, kommt der sogenannte "Skinimalism", eine Wortkreation aus Skin und Minimalism, erst 2021 groß heraus.

Dass immer mehr Menschen eine reduzierte Hautpflegeroutine und einen natürlicheren Look anstreben, zeigen etwa die meistgesuchten Begriffe im auf Beauty- und Lifestylethemen spezialisierten sozialen Netzwerk Pinterest.

Dort sind Suchanfragen zu natürlicher, strahlender Haut in den vergangenen Monaten um rund 400 Prozent gestiegen, auch natürliche Tages-Make-ups wurden um 180 Prozent häufiger gesucht. Skinimalism ist deshalb laut der Pinterest-Jahresvorschau der Beautytrend 2021.

Positive Nebeneffekte

Dass die "Weniger ist mehr"-Mentalität gerade jetzt so populär ist, liegt wohl zu einem guten Teil an der Corona-Pandemie. Diese hat unseren Alltag zwar um so manches Party-Highlight gebracht, dafür aber auch um die dazugehörigen High Heels und Full-Face-Make-up-Looks. Sowohl unsere Füße als auch unsere Haut danken es uns.

Durch die fehlenden Anlässe haben viele sich in den vergangen Monaten hauttechnisch auf pflegende Produkte und leichte, natürliche Looks beschränkt. Das hat gleich mehrere positive Nebeneffekte: Eine kleinere Palette an Beauty-Produkten spart Platz und Geld.

Statt auf eine breite Auswahl kann man auf einige wenige hochwertige und dafür vielseitig einsetzbare Lieblingsartikel setzen. Und wer weniger Produkte verwendet, durchbricht noch dazu häufig einen Teufelskreis: Hautirritationen treten so seltener auf, dadurch benötigt man weniger abdeckende oder beruhigende Produkte.

Individuell statt ideal

Doch wie kann so eine minimalistische Hautpflegeroutine aussehen? Allgemeingültige Regeln gibt es dafür nicht. Die Grundidee ist, seiner Haut individuell das zukommen zu lassen, was sie braucht – und zwar nur das. Im Gegensatz zum "No Make-up"-Look, der ein ungeschminktes, aber makellos anmutendes Hautbild zum Ziel hat, dürfen beim Skinimalism Poren, Pickel und Unebenheiten ruhig zu sehen sein.

Ein weiterer Grund, warum der Hauttrend gerade 2021 überzeugt: Unerreichbare Schönheitsideale sind überholt – Body-Positivity betrifft auch die Haut. Behalten sollten wir laut Skinimalisten nur ein Vitamin-C-Serum für strahlende und retinolhaltige Pflege für glatte Haut, wer zu trockener Haut neigt, sollte auch die Feuchtigkeitspflege nicht aussortieren. Essenziell ist zudem zum Hauttyp passender Sonnenschutz.

Wer sich in der ganzen freien Zeit, die ohne 20-Schritte-Hautpflegerituale bleibt, etwas Gutes tun will: Statt auf Botox und Lipfiller schwören Skinimalisten auf Gesichtsmassagen und Face-Yoga. Anleitungen für die Übungen und Massagetechniken finden sich zuhauf auf Pinterest, Tiktok und Youtube. Und auch wenn der Effekt möglicherweise gegen den eines Nervengifts nicht ankommt – gesünder und angenehmer ist es allemal.

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Die Zeit der tausend Tiegel und Döschen ist vorbei, auch in der Hautpflege setzt sich der Minimalismus durch.
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"Maskne"

Skinimalism ist also günstig, spart Zeit, bricht mit Schönheitsdiktaten und schont die Haut. Das ist aber noch nicht alles – der Trend passt aus einem weiteren Grund perfekt in unsere pandemisch geprägte Zeit. Denn der reduzierte Look verträgt sich einwandfrei mit dem Mund-Nasen-Schutz. Obwohl klar ist, dass die Gesichtsbezüge Leben retten und sie somit alle Unannehmlichkeiten wert sind – Pickel und Reizungen im Mund-Nasen-Bereich sind unter dem Begriff "Maskne" bereits allzu vielen vertraut.

Das ist nur natürlich, da speziell unter FFP2-Masken ein feuchtes Klima entsteht, in dem die Pusteln sprießen wie Pilze im Urwald. Um dem vorzubeugen, raten Dermatologen von dickem Make-up oder schweren Cremen ab.

Ein guter Anlass also, dem Skinimalism eine Chance zu geben. Wer sich mit den Masken auch vom reduzierten Look wieder verabschieden möchte, kann dies ja ohne weiteres tun. Ich persönlich werde nach dem Ende der Pandemie meine Zeit aber lieber anderswo als vor dem Spiegel verbringen. (Antonia Rauth, RONDO, 29.3.2021)