Wien ist auf die Kläffer gekommen – und das ist unerträglich. Hunde, die kaum größer als eine Pochette sind und auch gut in eine Hobo-Bag passten, neigen zum ständigen Kläffen. Und kaum ein Geräusch ist nervender. Sich im hysterischen Gebell überschlagend, ziehen die kleinen Bastardln ihre Frau- wie Herrchen durch die Gassen und verschmutzen dabei akustisch die Umwelt. Die tägliche Morgen-, Mittags- und Abendrunde wird damit für die Anrainerinnen und Anrainer zur Prüfung, und das im Homeoffice so zu schätzen gelernte Mittagsschlaferl wird dabei gestört. Angeblich steigt auch schon der Absatz an Flobertgewehren in den betroffenen Wohnvierteln.

Die Garnele gehört zu den perfekten Haustieren.
Foto: Regine hendrich

Aber das muss so nicht sein. Es gibt auch Haustiere, die sich graziler fortbewegen, mindestens ebenso hübsch anzuschauen und durch regelmäßige Futtergaben bei Laune zu halten sind. Die Schrift ist hier von den stummen Freunden, den Wirbellosen.

Der perfekte Begleiter

In der Gruppe der Wirbellosen sind unter Beachtung einiger Haltungsregeln perfekte Lebensbegleiter zu finden. Sie sprechen in der Regel nicht zurück, verweigern Kunststücke und sind inert gegenüber Zärtlichkeiten oder Wutanfällen. Hier sind besonders die Süßwassergarnelen hervorzuheben. Um diese ausgesprochen hübsch gefärbten Winzlinge ist in den vergangenen Jahren ein richtiges Griss entstanden. Für Matthias Jesenko war das ein ausreichender Anlass, sein Studium bleiben- und sein Hobby, die Garnelenzucht, als Beruf zuzulassen. Sein Geschäft namens Garnelaxia in der Schönbrunner Straße 77 im Stadtteil Reinprechtsdorf birst vor Garnelen. Wer es betritt, kommt aus dem Staunen nicht heraus. Feenartig gleiten die nur wenige Zentimeter langen Krebserln durch das Wasser, manche gelb, manche blutrot, andere blau – und die besonders schönen in schwarz-weißer Musterung.

Das Angebot für die Unterwasserwelt ist groß: Treibgut, Steine und Pflanzen können selbst gewählt und beliebig zusammengeführt werden.
Foto: Regine Hendrich

Doch für die meisten Kunden sind die Garnelen nur die Kirsche auf ihrer Aquarientorte. Sie betreiben Aquascaping, eine Sonderform der Aquaristik. Dabei werden aus Bodenmaterial, Schwemmhölzern, Felsen und Wasserpflanzen anmutig beleuchtete Unterwasserlandschaften in Glaskuben geschaffen. Aquascaper reden von lebendigen Kunstwerken. Anfänger orientieren sich dabei an Vorbildern aus der Natur, zum Beispiel an Uferzonen südamerikanischer Amazonaszuflüsse, Könner legen mehr Wert auf japanische Ästhetik.

Garnele trifft Fisch

Die bunten Garnelen dienen dann nicht nur der tierischen Behübschung, sondern machen sich auch sofort an ihre wesentliche Aufgabe, das Abweiden beginnender Algenrasen. Passen die Wasserwerte und das Futterangebot, beginnen sie auch recht bald, sich fortzupflanzen. Wer möchte, kann die Garnelen auch mit ein paar sehr kleinen, ruhigen Süßwasserfischen vergesellschaften. Auch diese gibt es im Garnelaxia in besonders schöner Auswahl.

Glaskubus reiht sich an Glaskubus in den Gängen von Garnelaxia.
Foto: Regine Hendrich

Das Hobby des Aquascapings erfordert eine einmalig kräftige Anschubfinanzierung, ab dann verursacht es kaum noch Kosten. Ein simples Garnelenaquarium ist "all in" ab 200 Euro zu haben, ein prächtiges Aquascape mit 240 Litern Wasser und Highend-Geräten kostet rund 2000 Euro. Dazwischen gibt es jede Menge Spielraum. Manche Garnelen brauchen sehr weiches Wasser, das Umkehrosmoseanlagen zu Hause bereitstellen. Man kann dies aber auch im Geschäft kaufen. Andere Garnelen zeigen auch im Wiener Leitungswasser ihre Pracht und prosperieren entsprechend gut.

Aquascaping findet immer mehr Zulauf. In den hübschen Unterwasserlandschaften haben auch Garnelen einen Job.
Foto: Regine Hendrich

Eine Garnele kostet je nach Pracht ab zwei Euro – die schönsten Zuchtformen (Galaxy fishbone) können auch schon einmal 500 Euro kosten. Und weil der Witz immer kommt: Ja, man kann diese Garnelen natürlich auch essen. Wenn man eine Fünf-Euro-Garnele hernimmt, die zweihundert Milligramm wiegt, kommt man auf einen Kilopreis von 25.000 Euro. Sagt das mal einem Oligarchen. (Gregor Fauma, 16.3.2021)