Ernteausfälle, vertrocknete Wälder und trockenfallende Flüsse sind nur einige der vielen Folgen von Hitzewellen, mit denen Europa in den vergangenen Jahren immer wieder zu kämpfen hatte.
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Auch wenn es nicht immer so schien, aber die jüngsten Sommer waren in Europa die trockensten der vergangenen zwei Jahrtausende – das geht aus einer aktuellen internationalen Studie hervor, die sich auf die Analyse von Baumringen stützt. Mithilfe eines spezifischen Verfahrens gelang es dem Team um Ulf Büntgen von der Universität von Cambridge, einen gewaltigen Datensatz zu erstellen, der die hydroklimatischen Bedingungen in Mitteleuropa von der Römerzeit bis zur Gegenwart nachzeichnet.

Für die im Fachjournal "Nature Geoscience" veröffentlichte Arbeit nahmen Büntgen und seine Kollegen aus Tschechien, Deutschland und der Schweiz mehr als 27.000 Messungen an Baumringen von 147 Eichen vor, die einen Zeitraum von 2.100 Jahren (75 vor unserer Zeitrechnung bis 2018) abdeckten. Die Proben stammten von historischen Brunnen, Gebäuden und Pfahlbauten sowie aus archäologischen Überresten und Ufersedimenten, aber auch von lebenden Bäumen aus der heutigen Tschechischen Republik und Teilen des südöstlichen Bayern.

Genaues Klimaarchiv

Aus jedem der Baumringe extrahierten und analysierten die Wissenschafter dann die stabilen Kohlenstoff- und Sauerstoffisotope. Während sich normale Baumringmessungen auf Ringbreite und Holzdichte beschränken, spiegeln die hier untersuchten stabilen Isotope die physikalischen Bedingungen und die Reaktionen der Bäume darauf wider. "Diese stabilen Isotope von Baumringen liefern uns ein viel genaueres Archiv, um die hydroklimatischen Bedingungen in gemäßigten Zonen zu rekonstruieren. Hier versagen die herkömmlichen Baumringstudien häufig", sagt Koautor und Paläoklimaforscher Jan Esper von der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz.

Detailaufnahme einer Traubeneiche. Aus lebenden und historischen Proben rekonstruierten die Forscher die klimatischen Verhältnisse der europäischen Sommer seit der Römerzeit.
Foto: Ulf Büntgen

"Generell wird unser Verständnis umso schlechter, je weiter wir in die Vergangenheit zurückgehen, weil die Datensätze über vergangene Dürreperioden selten sind", sagt der für Dendrochronologie-Experte Büntgen. "Allerdings sind gerade die Erkenntnisse über die Zeit vor dem Mittelalter besonders wichtig, weil sie uns ein vollständigeres Bild der Trockenheitsschwankungen geben, was für die Funktion und Produktivität von Ökosystemen und Gesellschaften entscheidend war."

Trend mit plötzlicher Verschärfung

Die Resultate zeigen zwar einen langfristiger Trend zur Trockenheit, doch seit 2015 hat sich die Dürresituation plötzlich deutlich verschärft – weit heftiger als in den 2.000 Jahren zuvor: Die jüngsten sommerlichen Dürreperioden und Hitzewellen hatten in Europa verheerende ökologische und ökonomische Folgen, die sich verschlimmern werden, wenn die globale Erwärmung weiter zunimmt.

"Wir sind uns alle dieser Anhäufung von außergewöhnlich heißen und trockenen Sommern in den letzten Jahren bewusst, aber wir brauchen eine präzise Rekonstruktion der historischen Situation", sagt Büntgen. "Unsere Ergebnisse zeigen, dass die letzten fünf Sommer für Mitteleuropa außergewöhnlich waren im Hinblick darauf, wie stark die wiederkehrende Trockenheit gewesen ist."

Die Grafik zeigt die Sommertrockenheit der vergangenen 2.100 Jahre.
Grafik: Ulf Büntgen

Frühere Studien bestätigt

In dem Zeitraum von 2.110 Jahren gab es sehr feuchte Sommer wie in den Jahren 200, 720 und 1100, aber auch sehr trockene Sommer wie etwa 40, 590, 950 und 1510 unserer Zeitrechnung. Insgesamt zeichnete sich ab, dass Europa in den letzten zwei Jahrtausenden allmählich trockener geworden ist. Die Baumproben von 2015 bis 2018 allerdings machen klar, dass die Trockenheit in den vergangenen Sommern alle anderen Schwankungen der letzten 2000 Jahre übertrifft.

"Auf Jahrhunderte mit einem langsamen, deutlichen Rückgang folgte ein steiler Abfall, was für die Land- und Forstwirtschaft besonders alarmierend ist. Das noch nie da gewesene Waldsterben in weiten Teilen Mitteleuropas unterstreicht unsere Resultate", sagt Koautor Mirek Trnka vom Czech Globe in Tschechien.

Klimaerwärmung und Jetstreamverlagerung

Die Wissenschafter gehen davon aus, dass die jüngste Häufung von ungewöhnlich trockenen Sommern sehr wahrscheinlich ein Ergebnis der menschengemachten Klimaerwärmung ist und der damit einhergehenden Veränderungen in der Position des Jetstreams. Dieser gehört zu den beiden großen Windbändern, die das Temperaturgefälle zwischen den Polen und dem Äquator ausgleichen und großen Einfluss auf unser Wetter ausüben. "Klimawandel bedeutet nicht, dass es überall trockener wird. Manche Orte werden vielleicht feuchter oder kälter, aber Extremereignisse werden häufiger. Das könnte für die Landwirtschaft, für die Ökosysteme und die Gesellschaft insgesamt verheerend sein", sagt Büntgen. (red, 16.3.2021)