Kräfte bündeln, um die Entwicklung wasserstoffangetriebener Lkws voranzutreiben: Zu diesem Zweck schlossen sich Truckhersteller und Energiekonzerne zu einer Interessengemeinschaft zusammen. Das Ziel ist ein emissionsfreier Transport bis zur Mitte des Jahrhunderts.

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Wasserstoff als "grüner" Energieträger der Zukunft beflügelt offenbar die Fantasie der Anleger. Investoren reißen sich um Firmen, die Brennstoffzellen-Antriebe herstellen oder Anlagen zur umweltfreundlichen Gewinnung dieses Gases anbieten. Die Aktien einschlägiger Unternehmen erlebten einen Höhenflug.

Befeuert wird dies unter anderem auch durch die Aussagen hochrangiger Politiker. US-Präsident Joe Biden kündigte einen Schwenk in der Energiepolitik der Vereinigten Staaten an, Europa soll nach dem Willen der EU-Regierungschefs bis zur Mitte des Jahrhunderts klimaneutral sein. Und Deutschland will gar das Wasserstoffland Nummer eins werden.

Nicht nur an der Börse schlägt das Thema hohe Wellen, auch in der Transport- und Nutzfahrzeugbranche gilt das im Universum am häufigsten vorkommende Element als Hoffnungsträger. Konkret geht es um die Elektrifizierung des Antriebsstrangs und damit einhergehend die Aussicht auf einen klimaneutralen Straßengüterverkehr.

Ein Weg dorthin führt über Wasserstoff in Verbindung mit Brennstoffzellentechnologie. Lastwagen sollen in Zukunft mit "grünem" Wasserstoff "betankt" werden, der von Brennstoffzellen in Strom für den Elektroantrieb umgewandelt wird.

Damit sollen zum einen identische Leistungsmerkmale wie jene von normalen Diesel-Lkws erreicht werden, zum anderen sollen die künftig strengeren Umweltauflagen für Trucks eingehalten werden können, denn bei dieser Antriebsart sollen keinerlei schädliche Emissionen anfallen, es wird lediglich Wasserdampf an die Umwelt abgegeben.

Strenge Vorgaben

Die Hersteller stehen unter Druck: Bis 2025 müssen die Lkw-Bauer nach dem Willen der Europäischen Union die Kohlenstoffdioxid-Emissionen durchschnittlich um 15 Prozent und bis 2030 sogar um 30 Prozent senken. Als Basis gelten die Werte von 2019. Andernfalls drohen hohe Strafen.

Weil die Entwicklung eines alternativen Antriebs forschungs- und kostenintensiv ist, gibt es in der Nutzfahrzeugbranche konkrete Bemühungen, an einem Strang zu ziehen. Die Daimler Truck AG und die Volvo Group zum Beispiel haben Anfang März ein bereits im Vorjahr angekündigtes Brennstoffzellen-Joint-Venture gegründet.

Die Volvo Group hat hierfür 50 Prozent der Anteile am bestehenden Unternehmen Daimler Truck Fuel Cell GmbH & Co. KG für die Summe von etwa 600 Millionen Euro erworben. Die Partner wollen das neue Joint Venture als einen weltweit führenden Hersteller von Brennstoffzellen etablieren. Der Name der gemeinsamen Firma lautet Cellcentric GmbH & Co. KG.

Bis zur Serienreife

Das Ziel lautet, serienreife Brennstoffzellensysteme zu entwickeln, zu produzieren und zu vermarkten. Der Fokus liegt auf dem Einsatz in schweren Lkws, zusätzlich sollen die Systeme aber auch für andere Anwendungen angeboten werden. In drei Jahren will man den Brennstoffzellen-Lkw der Kundenerprobung zuführen, die Serienproduktion ist für die zweite Hälfte des Jahrzehnts geplant.

Beide Hersteller sind auch in eine weitaus größere Allianz eingebunden, die ebenso sehr ehrgeizige Pläne verfolgt: H2Accelerate (H2A). Neben Daimler und Volvo sind an dieser auch Iveco, Shell und die heimische OMV eingebunden. Gemeinsames Anliegen dieser bis dato noch nicht gesehenen Zweckgemeinschaft: den Lkw-Bereich zu "dekarbonisieren" und dem wasserstoffangetriebenen Truck europaweit zum Durchbruch zu verhelfen.

Neue Industriebereiche

Die Einführung von wasserstoffangetriebenen Lkws in hohen Stückzahlen könne die Entstehung neuer Industriebereiche bedeuten, heißt es: CO2-freie Wasserstoffproduktionsanlagen, große Wasserstoffverteilsysteme, ein Tankstellennetz mit hoher Kapazität für flüssigen und gasförmigen Wasserstoff und die Produktion von wasserstoffangetriebenen Lkws.

Branchenweit synchronisierte Investitionen in den 2020er-Jahren sollen den an H2A beteiligten Unternehmen zufolge die Einführung von wasserstoffangetriebenen schweren Lastwagen in großem Maße unterstützen. Dies ist aus ihrer Sicht die Voraussetzung, um das europäische Ziel eines emissionsfreien Transports bis zum Jahr 2050 zu erreichen.

Gemeinsam mit dem Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung (PIK) haben die Hersteller einen Aufgabenkatalog für die EU-Regierungen ausgearbeitet. Die zentrale Forderung: Die Politik müsse für Tausende von Ladesäulen an Landstraßen und Autobahnen und ein entsprechendes Elektrizitätsnetz sorgen. So sei es möglich, die Zahl batteriebetriebener Trucks innerhalb von zehn Jahren auf 200.000 zu steigern. (Markus Böhm, 19.3.2021)