In der Nase zu bohren oder zu spucken ist in Corona-Zeiten gesellschaftlich nicht mehr verpönt. Vielmehr sollen Antigen-Selbsttests mit einem Selbstabstrich aus dem vorderen Nasenraum und Spucktests im Kampf gegen Covid-19 helfen.

Österreichs Volksschülerinnen und Volksschüler führen mittlerweile dreimal in der Woche einen Antigen-Selbsttest per Nasenabstrich durch – und in den Apotheken kann man sich gegen Vorlage der E-Card monatlich fünf Gratisselbsttests abholen. Nach 15 Minuten wird das Ergebnis – ähnlich wie bei einem Schwangerschaftstest – sichtbar.

Das klingt einfach, verführerisch einfach. Doch: Wie genau sind die Tests? Für Kritik sorgt zunächst einmal, dass die Selbsttests im Rahmen der Zulassung nicht unabhängig geprüft werden. Antigen-Schnelltests müssen eine CE-Kennzeichnung gemäß dem Medizinproduktegesetz aufweisen.

Für die Zulassung von Antigentests reichen die Angaben der Hersteller.
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Keine Prüfung durch die Agentur für Ernährungssicherheit und Gesundheit

Um dann zur Eigenanwendung als Selbsttest zugelassen zu werden, reicht eine Selbstverpflichtung. Der Hersteller muss dem Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG) – der im Auftrag der Agentur für Ernährungssicherheit und Gesundheit (Ages) tätigen Medizinmarktaufsicht – eine Selbstverpflichtungserklärung ausstellen. So bestätigt er, dass ein Test bei "Eigenanwendung ein Sicherheits- und Leistungsniveau erreicht, welches die Funktionstauglichkeit und die Einsatztauglichkeit für den geplanten Zweck gewährleistet."

Das BASG evaluiert die Tests dabei nicht. Per Selbstverpflichtung sind bereits mehr als 100 Schnelltests für den Eigengebrauch auf den österreichischen Markt gebracht worden.

Paul-Ehrlich-Institut evaluiert ausschließlich die Sensitivität

Beim Thema unabhängige Prüfung wird man hingegen in Deutschland fündig. Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI), das in Deutschland eine der wichtigsten Stellen für die Qualitätsprüfung von Arzneimitteln ist, evaluiert Antigen-Schnelltests.

Besteht ein Schnelltest diese Prüfung, wird er als "dem derzeitigen Stand der Technik entsprechend" bewertet und erscheint in einer Liste des PEI. Ein Teil der in Österreich zugelassenen Schnelltests hat eine positive Bewertung erhalten. Andere nicht – oder zumindest noch nicht.

Allerdings bezieht sich die Evaluierung nur auf die Sensitivität der Schnelltests. Die Sensitivität meint die Fähigkeit des Tests, Menschen mit einer Infektion auch korrekt als infiziert zu erkennen. Ein Test mit 98 Prozent Sensitivität beispielsweise erkennt 98 Prozent der Menschen mit einer Infektion korrekt. Zwei Prozent der Infizierten bleiben hingegen unentdeckt, sind also falsch-negativ.

Die Herstellerangaben reichen

Wichtig ist aber auch noch die Spezifität eines klinischen Tests. Sie bezieht sich auf die Fähigkeit des Tests, Menschen ohne eine Infektion korrekt als nicht infiziert zu erkennen. Ein Test mit 98 Prozent Spezifität würde 98 Prozent der Nichtinfizierten korrekt als negativ erkennen. Aber zwei Prozent der Nichtinfizierten werden fälschlicherweise als positiv eingestuft, sind also falsch-positiv.

Bislang stammen die Angaben zur Sensitivität und Spezifität meist nur von den Herstellern. Wie gut sie wirklich sind, müssen unabhängige Prüfungen zeigen. So etwa eine Ages-Studie, die geprüft hat, wie gut sich Antigentests mit Abstrichen aus dem vorderen Nasenbereich schlagen: genau die Methode, die in Schulen zum Einsatz kommt.

Mit einem Stäbchen wird dabei rund eineinhalb Zentimeter tief in beiden Nasenlöchern 15 Sekunden lang kreisförmig entlang der Naseninnenseite herumgefahren. Verglichen wurde die Methode mit Abstrichen aus dem tieferen Nasen-Rachen-Bereich und mit einem PCR-Test, dem Goldstandard der Corona-Tests.

Wenig valides "Nasenbohren"

Die Sensitivität des Nasentests mit Abstrich aus dem vorderen Nasenbereich lag im Vergleich zu dem PCR-Test nur bei 56,3 Prozent. Bei Personen ohne Symptome sank sie sogar auf nur 40,7 Prozent. Besser schlug sich der Test bei Menschen, die zum Zeitpunkt des Tests leichte Symptome hatten. Hier kam er auf 75,9 Prozent. Bei Menschen, die mit Covid-19 im Krankenhaus lagen, erreichte er 93 Prozent. Er kann also vor allem jene Menschen gut identifizieren, bei denen es bereits leichte oder schwere Symptome gibt.

Die Ages sieht die Tests mit Nasenabstrichen im vorderen Bereich trotz der niedrigen Sensitivität als gute Alternative. Die Schnelligkeit der Testresultate erlaube, potenziell hochinfektiöse Personen unverzüglich zu isolieren. Dieser Vorteil überwiege die geringere Sensitivität bei gänzlich symptomfreien Personen bei weitem. Die Ages betont allerdings auch, dass man negative Testresultate nicht als gesicherten Beleg dafür ansehen sollte, dass man nicht infektiös ist.

Ähnliche Trefferquote wie bei Tests im tieferen Nasen-Rachen-Raum

Die Studie zeigte aber noch etwas anderes. Der Test mit Abstrichen aus dem vorderen Nasenbereich schnitt nicht schlechter ab als Tests mit Abstrichen im tieferen Nasen-Rachen-Raum. Zu ähnlichen Ergebnissen kam ein Team um Frank Mockenhaupt von der Berliner Charité: In deren Studie waren laut PCR-Test 39 der Studienteilnehmer mit Sars-CoV-2 infiziert. Bei 31 von ihnen (rund 80 Prozent) schlug der Antigen-Schnelltest an, wenn die Probe professionell tief aus der Nase entnommen wurde.

Der Selbstabstrich aus der vorderen Nase lieferte immerhin bei 29 von den Infizierten (knapp 74 Prozent) das korrekte Ergebnis. Ein Test mit einem Selbstabstrich war demnach nicht viel schlechter.

Gregor Hörmann von der Österreichischen Gesellschaft für Labormedizin kommt zu einem ausgewogenen Fazit. Die wesentliche Grenze der Selbsttests sei die eingeschränkte Sensitivität. "Ein negativer Selbsttest ist daher nicht geeignet, eine Sars-CoV-2-Infektion sicher auszuschließen." Ein solcher Negativbefund solle also nicht dazu führen, allgemeine Hygienemaßnahmen vollständig zu ignorieren. "Das Gefühl einer falschen Sicherheit wäre hier kontraproduktiv."

Hörmann kann den Selbsttests aber auch Positives abgewinnen: "Chancen sehe ich dahingehend, dass grundsätzlich eine niederschwellige Testung mit flächendeckender Beteiligung und hoher Testfrequenz erreicht werden kann. Damit lassen sich infizierte Personen identifizieren, die ansonsten nicht getestet würden." (Christian Wolf, 17.3.2021)