Die Energie Steiermark will bis 2025 an die 150 Millionen Euro pro Jahr in die Ertüchtigung der Stromleitungen investieren – allerdings nur, wenn das Geld auch wieder zurückverdient werden kann.

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Wien – Österreich steht bei Strom vor den größten Investitionen seit den 1970er-Jahren. Ob die geplanten Ausgaben tatsächlich getätigt werden, hängt wesentlich von den Rahmenbedingungen ab. Die seien noch alles andere als klar, sagen Leute, die Projekte umsetzen müssen. Speziell was den Netzausbau betrifft, gebe es dringend Klärungsbedarf.

Einer, der das sagt, ist Martin Graf. Der frühere Co-Geschäftsführer der Regulierungsbehörde E-Control und nunmehrige Vorstandsdirektor der Energie Steiermark vermisst im Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG), das am Mittwoch von Türkis-Grün im Ministerrat beschlossen wird, "Essenzielles zu den Netzen". Einerseits sei es wichtig, dass das neue Ökostromgesetz nach mehr als zwei Jahren "endlich das Licht der Welt erblickt"; andererseits finde sich im EAG kein Hinweis, zu welchen Konditionen milliardenschwere Investments zurückverdient werden können.

Banken verlangen Sicherheiten

"Solange das nicht geklärt ist, können wir nichts tun," sagte Graf dem STANDARD. Allein an Investitionen ins Leitungsnetz stünden in der Steiermark bis 2025 Investitionen von bis zu 150 Millionen Euro pro Jahr an. Hinzu kämen noch Investitionen in erneuerbare Energien, insgesamt 1,2 Milliarden Euro, verteilt über fünf Jahre. Eines der Probleme, für das es dringend einer Lösung bedürfe: Investitionen ins Netz werden bisher erst nach zwei Jahren verzinst und müssen zwischenfinanziert werden. Das werde aber immer schwieriger, weil die Banken Sicherheiten verlangten.

"Auf Zuruf können wir keine Netze ausbauen", sagt Martin Graf, Vorstandsdirektor der Energie Steiermark.
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Allein aus der Oststeiermark lägen an die 6000 Anfragen für den Anschluss von Photovoltaikanlagen (PV) mit einer Gesamtleistung von 600 Megawatt (MW) vor, von ganz klein bis ganz groß. "In dieser industriearmen und vergleichsweise dünn besiedelten Region muss das Leitungsnetz in Wahrheit neu gebaut werden, damit es den zusätzlichen Strom aufnehmen kann", sagt Graf. "Auf Zuruf können wir aber keine Netze ausbauen."

Zudem sei unsicher, welche PV-Anlage tatsächlich genehmigt wird. "Wir haben ein Henne-Ei-Problem", sagt Graf. "Bauen wir zu früh aus und die Anlagen kommen nicht, fragt uns die E-Control, warum wir das Netz ausgebaut haben. Bauen wir zu spät aus, sagen die Betreiber von PV-Anlagen zu Recht, warum wir das Netz nicht rechtzeitig verstärkt haben." Den Netzausbau mit dem Ausbau von Windkraft-, Solar- und Biomasseanlagen zu synchronisieren sei zwar vom Ansatz her richtig, funktioniere in der Praxis aber nicht. Graf: "Genehmigungsverfahren für Leitungsbauten sind deutlich länger als für PV-Anlagen."

Zuallererst gehe es darum, länderweise möglichst rasch zu definieren, wo wie viel PV, Windkraft, etc. hinkommen soll, um das Ziel von zusätzlich 27 Terawattstunden (TWh) Strom aus erneuerbaren Quellen bis 2030 österreichweit zu erreichen. In der Steiermark sei dieser Prozess gerade im Laufen und könnte als Blaupause für andere Bundesländer dienen. Das Mitwirken der Bundesländer sowie der Kommunen bei der Energiewende ist essenziell, weil Raumplanung Landessache ist und für Flächenwidmung die Gemeinden zuständig sind.

Regelwerk für Gas

Graf bedauert, dass gleichzeitig mit dem EAG nicht auch ein neues Regelwerk für Gas vorgelegt wurde. Ein solches sei dringend notwendig, weil die Energiewende ohne "grünes" Gas nicht funktioniere. Ursprünglich wollte auch die ÖVP das Gas in einem Aufwasch mit Strom neu regulieren. Schließlich sei alles Energie, wie Staatssekretär Magnus Brunner, der Verhandler auf türkiser Seite, betont hat. Weil bei Gas aber noch einige Punkte in den Verhandlungen mit dem grünen Koalitionspartner noch offen seien, habe man das fertig verhandelte Strompaket vorgezogen. Dieses muss allerdings noch ausreichend Unterstützung im Parlament finden, sprich eine Zweidrittelmehrheit.

Die Opposition will sich ihre Zustimmung für das EAG teuer abkaufen lassen, weil es im Vorfeld zugesagte Verhandlungen nicht gegeben hat. Das Gasinfrastrukturpaket soll in den nächsten Wochen und Monaten fertig verhandelt werden. (Günther Strobl, 17.3.2021)