Martin Finnland: "Durch häufiges Übersiedeln übt man das Loslassen"

Der Regisseur des Theaterensembles Nesterval erklärt, warum er jedes Dreivierteljahr ein anderes Büro bezieht

Martin Finnland (38) ist Theaterregisseur und Mitbegründer von Nesterval. Die Produktionen dieses Ensembles vermischen immersives Theater, Abenteuerspiele und Performances.
Foto: Mafalda Rakoš

"Das Büro der Theatergruppe Nesterval ist ein ständiges Provisorium. Wir nutzen Räumlichkeiten in Gebäuden, die bald renoviert oder abgerissen werden. Das heißt, wir ziehen circa jedes Dreivierteljahr um. Dafür zahlen wir bloß die Betriebskosten. Finanziell ist es immer schwierig für kleine Kulturbetriebe wie unseren.

Als wir aber zu groß waren, um von zu Hause aus zu arbeiten, hatten wir vor sechs Jahren die Idee, ein provisorisches Büro in unserer damaligen Spielstätte aufzuschlagen. Als wir dort rausmussten, entstand das Arrangement mit JP Immobilien, die uns seitdem Gebäude in Zwischennutzung vermitteln.

Mir gefällt es, die Stadt durch die wechselnden Bürostandorte noch besser kennenzulernen. Durch das häufige Übersiedeln übt man außerdem das Loslassen. Es kommt nur das Nötigste mit, den Rest verschenke ich. Trotzdem brauchen wir viel Platz für unseren Möbel- und Kleiderfundus und natürlich auch zum Proben.

Unser derzeitiges Büro hat 250 Quadratmeter. Es ist ein lichtdurchfluteter Altbau mit Innenhof im fünften Bezirk. Bis zum Sommer können wir noch hierbleiben. Wohin wir dann übersiedeln, erfahre ich erst kurzfristig. Ich bin aber schon gespannt, wo unser nächstes provisorisches Büro sein wird." (Michael Steingruber)


Nunu Kaller: "Auf meinem alten Laptop schaue ich Netflix und Nachrichten"

Die Buchautorin Nunu Kaller hat ihr schwächelndes Provisorium neu aufsetzen lassen und will es möglichst lange nutzen

Nunu Kaller verarbeitete 2013 in ihrem ersten Buch "Ich kauf nix" ihren Konsumverzicht. In der aktuellen Veröffentlichung "Kauf mich!" begibt sie sich auf die Suche nach dem guten Konsum.
Foto: Mafalda Rakoš

"Mein Laptop ist neun Jahre alt, auf ihm ist schon mein erstes Buch Ich kauf nix entstanden. Als er immer langsamer wurde, habe ich ihn neu aufsetzen lassen, Boxen angeschlossen und mir zum Arbeiten ein neues Macbook gekauft.

Seither verwende ich ihn als Fernseher. Warum sollte ich mir auch einen neuen kaufen, wenn er alle meine Bedürfnisse erfüllt. Ich schaue Netflix und Nachrichten, bin bekennend süchtig nach True Crime. Kurz und gut: Mein Provisorium muss einfach noch möglichst lange leben. Zugegebenermaßen bekommt der Laptop aber, sobald ich ihn vom Strom nehme, einen Schwächeanfall. Würde er meine TV-Situation nicht so dermaßen ideal lösen, hätte ich ihn bereits weggegeben.

Sollte es einmal so weit sein, werde ich im Bekanntenkreis fragen, ob es Bastler gibt, die Interesse an dem Teil haben. Wenn niemand das gute alte Stück will, werde ich es zur Sammelstelle bringen. Ich bin grundsätzlich ein Fan davon, Dingen eine lange Lebensdauer zu gewähren. Meine halbe Wohnung ist secondhand eingerichtet, ich wehre mich gegen psychische Obsoleszenz, also das Ablehnen von einwandfrei funktionierenden Geräten, nur weil sie einem nicht mehr in den Kram passen." (Anne Feldkamp)


Bernd Schlacher: "Vielleicht hat Coco Chanel darauf gesessen"

Neo-Hotelier Bernd Schlacher über seine Liebe zu Paris und Möbel für das Hotel, die durch Corona zum Meetingmobiliar wurden

Bernd Schlacher (55) begann als Kellner im Restaurant Wiener. 1991 übernahm er das Motto. Catering, Motto am Fluss und Motto Brot folgten. Im Herbst eröffnet Schlacher sein erstes Hotel in Wien.
Foto: Mafalda Rakoš

"Ich liebe Paris, auch wenn ich kein Französisch spreche. Vor drei Jahren hat das legendäre Ritz in Paris einige seiner Möbel verkauft, und wir waren dort.

Coco Chanel wohnte jahrzehntelang im Ritz. Von Ernest Hemingway bis zu Lady Di, sie alle waren da. Das Ritz in Paris ist der Inbegriff eines Luxushotels und hochprofessioneller Gastlichkeit. Auch mein Ritual bei jedem Paris-Besuch war, zumindest eine Tasse Tee in der Lobby des Hauses zu genießen. Dort zu wohnen, habe ich mir nie geleistet.

Zur Zeit der Versteigerung 2018 wusste ich schon, dass wir ein Hotel in Wien eröffnen werden. Wir haben Lampen, Stühle und eben diese rote Chaiselongue gekauft. Sie stand im Ritz in der Lobby und wird das auch bei uns in der Mariahilfer Straße tun. Vielleicht hat Coco Chanel darauf gesessen. Man weiß es nicht.

Abgesehen von der Optik bin ich natürlich auch in die Geschichte der Möbel verliebt. Wir bringen damit ein Stückchen Paris nach Wien. Und weil wir Corona-bedingt etwa ein Jahr später aufsperren als geplant, haben wir die Möbel kurzerhand für Meetings genutzt. Es wird tatsächlich eine harte Umstellung für Hintern und Geist, die Treffen nach der Hoteleröffnung wieder auf den alten Büromöbeln abzuhalten." (Nina Wessely, RONDO exklusiv, 26.3.2021)