Thomas Spreitzer ist Vorsitzender des Schöffengerichts, das den ehemaligen FPÖ-Politiker Thomas Schellenbacher nicht rechtskräftig zu unbedingter Haft verurteilt.

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Wien – Vielleicht klingen die Schlussworte von Verteidiger Farid Rifaat und dem Erstangeklagten Thomas Schellenbacher, von 2013 bis 2017 Nationalratsabgeordneter der FPÖ, nur für einen Arbeitnehmer seltsam. Beide betonen nämlich vor dem Schöffengericht unter Vorsitz von Thomas Spreitzer, der 56-jährige Ex-Politiker habe sich durch die angeklagten versuchten und vollendeten Betrügereien in Höhe von fast neun Millionen Euro nicht selbst bereichert, sondern nur versucht, sein Firmengeflecht "am Leben zu erhalten". Auf der anderen Seite verfügt das Gericht die Beschlagnahmung von bei Schellenbacher Sichergestelltem: 11.900 Euro Bargeld und ein Ferrari F119 im Wert von 80.000 Euro.

Schellenbacher bekannte sich bereits am ersten Verhandlungstag zu dem von Oberstaatsanwalt Marcus Schmitt vorgeworfenen schweren Betrug für schuldig. Laut Anklage hatte er den Autobahnbetreiber Asfinag, Versicherungen und Banken geprellt, indem er teils fingierte Schäden zwischen seinen zahlreichen Unternehmen bei Versicherungen einreichte, aber auch wertlose, ruinierte LED-Hinweistafeln in Sale-and-Lease-Back-Geschäften an Banken verscherbelte, die die gekauften Tafeln nie selbst überprüften, sondern sich auf die Verkäuferangaben verließen.

Überblick verloren

Verteidiger Rifaat und sein in Privatinsolvenz befindlicher Mandant argumentieren, Schellenbacher sei zu rasch gewachsen, habe immer neue Firmen gegründet und den Überblick verloren, wodurch Doppelabrechnungen entstanden. Allerdings: Wie die Einvernahme des Erstangeklagten ergab, hatte er 2013 noch genug Überblick, um seine diversen Firmenposten im beginnenden Wahlkampf aufzugeben und im Firmenbuch nicht mehr aufzuscheinen. "Das war wegen der Transparenzdatenbank", sagte der Angeklagte am ersten Verhandlungstag. Ukrainische Oligarchen wurden Teilhaber seiner Firmen, er zog im Hintergrund weiter die Fäden.

Im Raum steht auch, dass aus der Ukraine zehn Millionen Euro an die FPÖ geflossen sind, um Schellenbacher einen Platz im Nationalrat zu sichern. Tatsächlich verzichteten 2013 besser gereihte Kandidaten zugunsten Schellenbachers. Der Ex-Politiker steht auch im Verdacht, dem flüchtigen Wirecard-Manager Jan Marsalek dabei geholfen zu haben, sich ins Ausland abzusetzen. Diese Vermutungen waren im aktuellen Prozess aber kein Verhandlungsgegenstand.

Mysteriöse Mails

Stattdessen geht es um diverse Geschäftsschreiben, zu denen Vorsitzender Spreitzer noch Fragen an Schellenbacher und den Zweitangeklagten, einen quasi als Strohmann fungierenden Geschäftsführer einer der Firmen, hat. Interessanterweise behauptet der Zweitangeklagte bei einigen von diesen, sie nicht verfasst zu haben.

Die in mehreren Schellenbacher-Firmen beschäftigte Assistentin müsse die Verfasserin sein, vermutete er. Die Frau bestritt am ersten Prozesstag, über Passwörter zu fremden Mailkonten verfügt zu haben. Verteidiger Gerhard Taufner hat am zweiten Tag dazu eine Überraschung zu bieten: Eine interne Mail der Assistentin, in der gleich mehrere Konten samt Passwörtern angeführt sind. Ankläger Schmitt betont aber, dass die inkriminierte Kommunikation im gesamten Verlauf betrachtet werden müsse, aus dem klar werde, dass der Zweitangeklagte wissen musste, dass etwas nicht mit rechten Dingen zuging.

Zwei Jahre und neun Monate unbedingte Haft

Das Verfahren gegen den Zweitangeklagten wird zu Mittag ausgeschieden, um ein Urteil über Schellenbacher fällen zu können. Bei einem Strafrahmen von ein bis zehn Jahren Haft entscheidet sich der Schöffensenat für zwei Jahre und neun Monate unbedingte Haft für schweren Betrug und betrügerische Krida. Während der seit Jänner in Untersuchungshaft sitzende Ex-Politiker diese Entscheidung akzeptiert, muss der Oberstaatsanwalt zunächst an eine vorgesetzte Stelle berichten und kann daher keine Erklärung abgeben. Damit ist das Urteil nicht rechtskräftig. (Michael Möseneder, 17.3.2021)