Tatort Hietzing: Am 5. Jänner erschoss ein Wiener Polizist eine psychisch kranke Frau, die mit einem Küchenmesser bewaffnet war.

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Im Fall des Polizeieinsatzes in Wien-Hietzing, bei dem Anfang Jänner eine 67-jährige, psychisch kranke Frau erschossen worden war, laufen gegen einen der beteiligten Polizisten Ermittlungen wegen Mordverdachts. Gegen einen zweiten Beamten wird wegen des Verdachts auf Körperverletzung ermittelt. Das geht aus der aktuellen Antwort einer parlamentarischen Anfrage der Neos an das Justizministerium hervor.

Dass der Einsatz – wie jede Polizeiaktion, bei der Menschen zu Schaden kommen – von der Staatsanwaltschaft strafrechtlich verfolgt wird, war schon bisher bekannt. Neu und überraschend ist, dass das Ermittlungsverfahren gegen den Schützen wegen Paragraf 75 des Strafgesetzbuches geführt wird. Mord setzt die vorsätzliche Tötung eines Menschen voraus. Für den betroffenen Polizisten gilt die Unschuldsvermutung. Bisher war davon auszugehen, dass überprüft wird, ob er in Notwehr gehandelt hat oder ob es sich um eine Notwehrüberschreitung handelte.

Heimhelferin alarmierte Polizei

Wie berichtet, hatte am 5. Jänner eine Heimhelferin die Polizei alarmiert, weil sie von der 67-jährige Klientin mit einem Küchenmesser bedroht worden sein soll. In einer zweiten Antwort auf eine Neos-Anfrage, unterfertig von Innenminister Karl Nehammer, heißt es, dass der Polizeieinsatz von 12.31 Uhr bis 12.55 Uhr dauerte. Beteiligt waren sechs Beamte des Stadtpolizeikommandos Meidling sowie vier Angehörige der Sondereinheit Wega. Die psychisch kranke Frau, in deren Wohnung es im Juni und Juli 2020 schon zwei Polizeieinsätze gegeben hatte, soll mit dem Messer auf die Polizisten losgegangen sein. Fast zeitgleich setzte ein Beamter einen Taser ein, ein anderer gab einen Schuss aus der Dienstpistole ab. Die Frau starb.

Sozialarbeiter wollte Einweisung

Ein Sozialarbeiter hatte schon früher die Einweisung der Frau in die Psychiatrie angeregt. Der Amtsarzt entschied jedoch gegen diese grundrechtlich heikle Maßnahme, wie Nehammer ausführt.

Grundsätzlich kann die Polizei eine Vorführung zur Untersuchung durch einen Amtsarzt oder eine Amtsärztin einleiten oder, bei Gefahr im Verzug (Fremd- oder Selbstgefährdung), auch ohne ärztliche Konsultation Personen ad hoc in eine psychiatrische Abteilung bringen. Das geschah im Vorjahr laut Angaben des Innenministeriums in 13.958 Fällen – in den meisten Fällen handelte es sich um Vorladungen. Auch 2019 waren es über 13.000 Fälle, 2017 unter 11.000. Die Zahlen spiegeln allerdings nicht die tatsächlichen Unterbringungen wieder, da aus datenschutzrechtlichen Gründen keine Statistiken darüber geführt werden, ob Personen zu einer Behandlung aufgenommen werden.

"Angewandte Psychologie"

Zur Frage, ob Polizisten im Umgang mit psychisch auffälligen Personen geschult seien, verweist der Innenminister auf entsprechende Module in der Polizeiausbildung, wie etwa den Lehrgegenstand "Angewandte Psychologie" mit einem verpflichtenden Seminar über "maßvolles Einschreiten". (simo, 17.3.2021)