Die meisten Autos stehen tagtäglich mehr als 23 Stunden nur herum – und das, wo doch ausgerechnet die Fortbewegung ihr ureigenster Zweck ist, abgesehen von den Fällen, in denen sie nur zur Protzerei oder als Wertanlage angeschafft wurden. Dabei müsste das gar nicht sein. Während wir unseren Bewegungsapparat im Ruhezustand nicht verleihen oder teilen können, ist es bei Autos sehr wohl möglich, dass sie von mehreren Personen geshared, also geteilt werden.

Carsharing liegt aus guten Gründen voll im Trend – zumindest bei der jungen, urbanen Bevölkerung. Jeder Vierte unter 30 nutzt Carsharing. Das hat die Organisation "VCÖ – Mobilität mit Zukunft" kürzlich errechnet. Bis auf die Autohändler, die gerne jedem ein Auto andrehen würden, hilft das eigentlich jedem. Weil ein Sharer viel weniger herumsteht, könnten insgesamt weniger Parkflächen ausreichen, die von dringend benötigten Grünflächen zurückerobert werden könnten. Radinfrastruktur oder breitere Fußwege könnten an ihre Stelle treten. Ein geteiltes Auto kostet jene Menschen, die selten Auto fahren, zudem weit weniger Geld als ein eigens angeschafftes.

Foto: VCÖ

Und die Seltenfahrer sind gar nicht wenige: Mehr als eine halbe Million Menschen im Land fahren nur ein paar Mal jährlich Auto, knapp 700.000 wenige Male monatlich. Dem gegenüber stehen knapp 1,3 Millionen Zweit- und Drittautos in Österreichs Haushalten, welche es im Schnitt nicht einmal auf eine halbe Stunde Einsatzzeit pro Tag schaffen.

Teures Parken, nicht immer schlau

Stellt sich die Frage, warum man auf Wiens Straßen nicht längst auf eine Vielzahl verschiedenster Sharing-Angebote trifft. Eine mögliche Antwort: Es wird ihnen nicht unbedingt leicht gemacht. So klagt Nico Prugger, Chef des E-Carsharing-Unternehmens Eloop, im STANDARD-Gespräch etwa, dass sich entgegen anderweitiger Versprechungen der Stadt beim Thema Parkkosten immer noch nichts getan habe. So müsse das junge Start-up nach wie vor die vollen 2.544 Euro an Parkgebühr pro Auto und Jahr berappen, damit die Kundschaft den fahrbaren Untersatz in allen Bezirken abstellen darf – einen Tarif, den jede Wienerin und jeder Wiener so auch zahlen muss. Vergünstigungen für die Sharing-Anbieter gibt es nicht. Und das, obwohl die Sharer im Vergleich zu fast allen anderen Autos deutlich weniger herumstehen und Parkplätze belegen, als dies private KFZ tun. Wohl mit ein Grund, warum etwa der Carsharing-Anbieter Mo.Point auf ein rein stationsbasiertes Angebot an E-Autos setzt. Fehlt es da an Anreizen?

Prugger fordert keine gänzliche Befreiung, würde sich aber ein Entgegenkommen der Stadt wünschen. Angesichts der Tatsache, dass die Elektroflotte des Jungunternehmens bis in zwei Monaten von 25 auf 75 und bis Jahresende auf 200 Fahrzeuge ansteigen soll, nur verständlich. Das Parken soll aber freilich auch für Carsharing-Anbieter nicht gratis sein, sagt etwa VCÖ-Pressesprecher Christian Gratzer. Auch ihre Autos nähmen schließlich Platz ein, der Menschen zum Leben, Spazieren oder Spielen genommen werde. Es könne aber auch nicht sein, dass weder der Sharing- noch der Elektro-Gedanke honoriert werde und in die Angebote der Stadt miteinfließe. Schließlich arbeite Eloop auch daran, die Gesamtanzahl der Autos deutlich zu verringern. Gratzer plädiert für ein Einlenken der Stadt.

Guter Start, langer Weg

Insgesamt gebe es in Sachen E-Mobilität "noch einiges an Pionierarbeit zu leisten", sagt Gratzer. Seit Ende März rollt in Wien nun zumindest eine 200 Mopeds starke zweirädrige Flotte des niederländischen Unternehmens "Go Share" durch die Straßen. Auch sie sind ein Freefloater-Modell und funktionieren vom Verleih her im Grunde wie die geliebt-gehassten E-Scooter. Wien ist die 30. Stadt oder Gemeinde, in der die E-Mopeds zum Einsatz kommen – die erste außerhalb der Niederlande.

Bei den Autos stehe man in Wien noch am Anfang, sagt Gratzer. Trotzdem erlebe man eine gewisse positive Vielfalt an Carsharing-Konzepten in Österreich. Stationäre Sharing-Modelle von Anbietern wie Greenmove für große Unternehmen oder Wohnanlagen würden allesamt Bausteine für ein Automobilitätsangebot bilden, das Menschen letztlich vom eigenen Autokauf abhalten soll. Gratzer wünscht sich hierbei aber noch mehr Flexibilität und den Mut, neu zu denken.

"Im Idealfall fahre ich mit dem Zug nach Innsbruck und nehme erst dort am Bahnhof ein E-Sharing-Auto in Anspruch, um aufs schwer erreichbare Land zu fahren, die Familie zu besuchen oder dort am Wochenende Ausflüge zu machen, die mit den Öffis nicht so leicht erreichbar sind", so Gratzer. Da müssten sich auch große Städte vermehrt fragen, was sie für ihre zugezogenen Bewohner tun können, um den Heimaturlaub möglichst umweltfreundlich zu erlauben. Wieso lokale Autohändler nicht längst großflächig Sharing-Modelle an Bahnhöfen betreiben, um damit ihre Angebotspalette zu erweitern und Werbung für E-Autos zu machen, verstehe er auch nicht.

Angebote Privater wie etwa die App Wegfinder sind diesbezüglich aber zumindest mal ein Start. Und auch in Vorarlberg findet sich mit Caruso eine ansehnliche Flotte an E-Sharern, allerdings auch standortbasiert.

Taxis als unerwarteter Partner

Eloop-Mitgründer Prugger glaubt jedenfalls, dass seinem Team durch die mächtige Taxi-Branche manch Platz am Gesprächstisch verwehrt bleibe. Dabei sollte ausgerechnet sie ein großes Interesse haben, die Sharer tunlichst zu unterstützen, sagt zumindest Gratzer: Wenn Menschen kein eigenes Auto haben, fahren sie bestimmte Strecken, auf denen es günstiger oder bequemer ist, auch mal mit dem Taxi. Mit dem Sharer zur Party am Stadtrand, mit dem Taxi zurück – das klingt nicht nur für Pandemiegeplagte nach einem guten Plan.

Eloop will vor allem die Wochendausflügler abholen mit seinem Sharing-Angebot und setzt dabei auch auf Teslas.
Foto: eloop

Das Taxi will man bei Eloop ohnehin ebensowenig ersetzen wie die Öffis. Man sieht sich nicht als Anbieter kurzer Wege in der Stadt, sondern setzt primär auf Menschen, die Ausflüge außerhalb der Stadt planen. "Carsharing soll ein Ersatz zum Privatauto und nicht zu den öffentlichen Verkehrsmitteln sein", sagt Prugger. Das Nutzverhalten solle deshalb möglichst jenem eines Privatautos ähneln. Sobald man den Menschen den Komfort nehme, werde es nämlich schwierig, sie auch dafür zu begeistern.

Man sehe, dass User durchaus dazu bereit seien, einige Stationen mit den Öffis zum Auto zu fahren, solange sie es dann wieder bequem vor der eigenen Haustür abstellen könnten. Prugger sieht in jenem Komfort den größten Vorteil des Free-Floater-Modells gegenüber stationären Alternativen. Auch seien die kleinen Autos wenig nachgefragt worden, weshalb er künftig auf größere und reichweitenstarke Autos setze, damit mehrere Passagiere die Reise aus der Stadt antreten können – mehrere Tesla Modell 3 zieren neuerdings etwa den Fuhrpark.

Apropos Reichweite: Für den VCÖ kann es kein Ansatz sein, die Stadt mit tausenden E-Tankstellen zuzupflastern, die dann erst recht wieder Barrieren sind. Getankt werde ohnehin hauptsächlich in privaten Ladestationen in Garagen oder am Arbeitsplatz. Genau diese gelte es gezielt zu fördern. Dass natürlich trotzdem einige Ladesäulen für E-Sharer an viel frequentierten Straßen oder Supermarktparkplätzen reserviert sein sollten, verstehe sich fast von selbst, so Gratzer.

Verdienen, egal wer fährt

Neben dem Sharing-Konzept alleine lockt Eloop seine Kunden auch noch mit einer zusätzlichen Verdienstmöglichkeit. Von Anfang an hatte das Start-up einen auf Blockchain basierten Token für seine Elektro-Sharing-Flotte im Businessplan festgeschrieben. EOT heißt er und erlaubt eine "Beteiligungsvergütung" an den Umsätzen des tokenisierten Fahrzeugpools. Das Prinzip ist recht einfach erklärt: Wenn irgendjemand den Sharing Dienst nutzt, bekommt man anteilsmäßig Credits auf seinem Account gutgeschrieben. Diese lassen sich am Dashboard der App einsehen, monatlich ausbezahlen oder mit dem Faktor 1,5 als Fahrtvergütung nutzen.

Prugger erklärt, für sein Team sei es nur dann "echtes Sharing, wenn man auch an der Flotte beteiligt sein kann, alles andere ist nur Autovermietung, wie es sie seit etlichen Jahren gibt". Eloop kümmert sich um die korrekte Versteuerung, der User braucht eigentlich nur seine Rendite abschöpfen. Die Tokens sind (noch) nicht auf einem internationalen Markt handelbar, können aber jederzeit auf jede Art und Weise jemanden zu einem frei gewählten Preis verkauft werden. Wird die Flotte vergrößert, kommen auch mehr Tokens auf den Markt. Im besten Fall wird mit größerem Wachstum das Risiko gestreut. Die Community scheint jedenfalls Gefallen an der Idee zu finden. 665.000 Tokens wurden bereits verkauft, der zweite Batch war binnen zwei Tagen vergriffen, der dritte binnen 19 Minuten, und die Community macht weiterhin fleißig Werbung auf Eigeninitiative.

Im Unterschied zu anderen Tokens und Coins die dank des Krypto-Booms aktuell herumschwirren und in die oft investiert wird, ohne dass es eine realen Gegenwert gebe, habe man bei Eloop auf das funktionierende Produkt das Beteiligungsmodell gesetzt, erklärt Prugger. Auch wenn es zunächst noch in Wien zu wachsen gilt, hat man bei Eloop schon weitere größere Städte im Visier. "Mehr als 500.000 Bewohner soll sie schon haben", sagt der Vorarlberger Jungunternehmer, was einen Gang ins Ausland nahelegt. Und wenn die Österreicher schon ins Ausland gehen, mischt künftig ja vielleicht auch der ein oder andere Sharing-Anbieter aus den Nachbarstaaten den heimischen Markt auf. (Fabian Sommavilla, 12.4.2021)