Herbert Kickl war FPÖ-Generalsekretär, als Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache auf Ibiza in die Videofalle tappte. Für Parteifinanzen sei er aber nicht zuständig gewesen, sagte er am Mittwoch.

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ÖVP-Tage im Ibiza-U-Ausschuss erkennt man an der meist SPÖ-lastigen Ladungsliste. Und weil die Geladenen oft wenig mit der türkis-blauen Regierung zu tun hatten, um deren mutmaßliche Käuflichkeit es im U-Ausschuss geht, dauern die Befragungen oft nicht lang. Der ÖVP-Tag am Mittwoch war anders.

Geladen war neben zwei SPÖ-Leuten auch FPÖ-Klubchef Herbert Kickl, er war Innenminister unter Türkis-Blau und bis 2018 Generalsekretär der Blauen. Die Parlamentarier interessiert besonders, ob er in letztgenannter Funktion Wahrnehmungen zu mutmaßlichen verdeckten Parteienfinanzierungen habe. (Den Live-Ticker vom Mittwoch können Sie hier nachlesen).

Zu Beginn der ausführlichen Befragung gab Kickls Parteikollege Christian Hafenecker der Auskunftsperson die Möglichkeit, sich über die türkis-blauen Koalitionsverhandlungen auszubreiten – was Kickl bereitwillig annahm.

Die grüne Abgeordnete Nina Tomaselli wunderte sich vor Kickls Befragung ein bisschen, dass die ÖVP Herbert Kickl lud.

Die Türkisen seien sehr unternehmerfreundlich aufgetreten und hätten sich für den Zwölf-Stunden-Tag starkgemacht. Die Blauen hätten auf die Interessen der Arbeitnehmer geschaut. Zum Schluss sei es dann erst um Ressortaufteilung gegangen. Das Gesundheitsressort etwa sei den Freiheitlichen gar nicht wichtig gewesen, das Innenressort schon. Man habe nicht damit gerechnet, das zu bekommen, dass es geschah, sei ein "schöner Verhandlungserfolg" gewesen.

Fast gescheitert

Jedoch seien die Verhandlungen fast gescheitert, weil die ÖVP ein Papier vorgelegt habe, das dem Innenminister die Personalhoheit in seinem Ressort entzogen hätte. Als Kompromiss sei Karoline Edtstadler "schwarze Aufpasserin" im Innenressort geworden.

Der öffentliche Rundfunk (ORF) sei in einem Anhang zum Regierungsprogramm besprochen worden. Solche "Sideletters" habe es gegeben, um Themen für spätere Verhandlungen festzuhalten. Einen Anhang habe es auch zum gemeinsamen Regierungssprecher gegeben, der dem Kanzler sehr wichtig gewesen sei.

Kickls Befragung begann am frühen Nachmittag und dauerte rund vier Stunden.
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Beim ORF sei es beispielsweise um eine Abschaffung der Rundfunkgebühren (Gis) gegangen, die der FPÖ wichtig war. Auch sei eine große Enquete zur Zukunft des ORF geplant gewesen. Es sei weiters um Compliance-Regeln für ORF-Redakteure gegangen. Die ÖVP habe das Thema ORF aber auf die lange Bank schieben wollen.

Sozialminister Kickl?

Dass viele Regierungspläne nie zur Umsetzung kamen, lag freilich auch am frühen Ende von Türkis-Blau. Das Ibiza-Video habe ihn schockiert, sagte Kickl, die Bilder seien erdrückend gewesen. Hätte er gewusst, was da kommt, hätte er vom Regieren abgeraten.

Als Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache nach der Veröffentlichung zurückgetreten war, habe die ÖVP plötzlich gefordert, dass er als Innenminister gehen müsse, erinnerte sich Kickl. Man habe ihm das Sozialministerium angeboten, er sei aber kein "Wanderpokal" und habe sich zum Rücktritt bereiterklärt.

Harmonisch sei es in der Regierung bereits Anfang 2019 nicht mehr zugegangen. Ob Asyl, Mindestsicherung oder Karfreitag: Die ÖVP habe blaue Anliegen oft abgewürgt, Kickl habe sich selbst dabei als "Problembär" der Koalition empfunden.

Keine Spenden

Von Spenden an seine Partei über Vereine und am Rechnungshof vorbei wusste Kickl in seiner Befragung nichts. So sei er zwar in die Gründung von "Austria in Motion" zu Beginn eingebunden gewesen. Dabei habe es sich aber lediglich um einen "bürgerlichen Thinktank" gehandelt. "Ich habe erst im Nachhinein in der Berichterstattung erfahren, das der Verein Spenden entgegengenommen hat", sagte Kickl.

Die Auskunftsperson im Kamerafokus.
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Ein FPÖ-Generalsekretär – der Kickl zur Zeit der Aufnahme des Ibiza-Videos war – habe nicht mit dem finanziellen Gebaren der Partei zu tun, Spendenlisten der FPÖ seien ohnehin einsehbar. Er glaube, dass die Spenden 2017 null Euro betrugen, sagte Kickl. Mit der Aussage seines damaligen Parteichefs Strache im Video, dass der Glücksspielkonzern Novomatic "alle" zahle, könne er bis heute nichts anfangen.

Spendenkonstruktionen am Rechnungshof vorbei – auch davon spricht Strache im Ibiza-Video – seien ihm aber sehr wohl bekannt. "Spenden-Schreddern" nannte die Auskunftsperson die Stückelung von Spenden und erwähnte ÖVP-Spenderin Heidi Goëss-Horten. Sie hatte der ÖVP rund 930.000 Euro gespendet, in Tranchen von jeweils unter 50.000 Euro – das war damals die Meldeschwelle.

Wer sonst noch kam

Als Erster geladen war am Mittwoch Hans Niessl, ehemaliger roter Landeshauptmann im Burgenland. Befragt wurde er zu Berührungspunkten mit der Novomatic, genauer: zu einem geplanten Kasino-Standort in Parndorf. Der Glücksspielkonzern sei nie in der Angelegenheit an ihn herangetreten, auch nicht bezüglich der kleinen Glücksspielnovelle im Burgenland.

Zuletzt war SPÖ-Mann David R. geladen – er hatte vor der Veröffentlichung des Ibiza-Videos auf Neuwahlen gewettet. Er kam am Mittwoch nicht mehr dran. (Renate Graber, Aloysius Widmann, 17.3.2021)