Gespräche mit Vertretern der älteren Generation dieser Tage offenbaren wahre Wechselbäder der Gefühle: Erst haben sie wochenlang auf die ersehnte Spritze gewartet, dann – endlich – einen Termin bekommen, mutmaßlich für eine Impfung mit Astra Zeneca. Jetzt die große Verunsicherung: Ist dieser Impfstoff überhaupt sicher? Mehr noch – ist dieser Impfstoff womöglich gefährlich für mich?
Viele überlegen derzeit, ob sie nicht doch lieber, aus Vorsicht, vorerst auf eine Impfung verzichten wollen. Vielleicht ist ja ein anderer Impfstoff besser? Aber: Habe ich überhaupt eine Chance, einen anderen Impfstoff zu bekommen?

Die Aufregungskurbel, die Bundeskanzler Sebastian Kurz seit vergangenem Freitag mit aller Kraft dreht, hinterlässt in der Bevölkerung tiefe Spuren. Die Menschen sind verunsichert. Das ist das Letzte, was sie in einer belastenden Pandemie brauchen können. Gleichzeitig steigt die Zahl der Neuinfektionen wieder rasant an, die Intensivstationen füllen sich ähnlich rasch wie im Herbst.
Die vielen kursierenden Zahlen über fehlende oder doch vorhandene, noch abzurufende oder liegengebliebene Impfdosen tragen nicht zur Beruhigung bei. Droht nun eine "Impflücke" von 1,5 Millionen Dosen, oder erwarten wir knapp sechs Millionen für das zweite Quartal? Stimmt vielleicht sogar beides? Immerhin verspricht der Kanzler, dass es bis zum Sommer eine Impfdosis für "jeden in Österreich" geben soll. Es ist auch schön, dass Gesundheitsminister Rudolf Anschober Geimpften gewisse Freiheiten in Aussicht stellt. Doch diese gut gemeinte Geste wird sich ins Gegenteil verkehren, wenn nicht rasch gewährleistet wird, dass jeder, der will, auch rasch eine Impfung bekommt.
Auftritts-, Anpatz- und Ankündigungsfasten
Dafür müssen sich Kurz und Anschober zuallererst auf die Sache konzentrieren und dafür sorgen, dass das auch der Rest der Regierung tut – kombiniert mit ein wenig vorösterlichem Auftritts-, Anpatz- und Ankündigungsfasten. Die Menschen interessiert längst nicht mehr, wer woran schuld sein könnte und wer wem den schwarzen Peter zuschiebt. Sie wollen einen Impfplan, der hält – und Vakzine, deren Qualität sie vertrauen können. Der Pandemie-Albtraum, die Anspannung, die Angst müssen ein Ende haben. Das wünschen sich die Menschen am dringlichsten. Diesem Wunsch zumindest annähernd nachzukommen muss die erste und wichtigste Aufgabe von Kurz und Anschober in den kommenden Monaten sein – tunlichst ohne theatralische Auftritte des Regierungschefs, dafür mit ernsthafter, zäher Sacharbeit hinter den Kulissen.
Auf kleinteiliges Hickhack und taktische Fouls sollten beide Seiten tunlichst verzichten. Es geht nicht darum, welche Partei, welcher Politiker als Gewinner aus dieser Krise aussteigt. Es geht darum, dass am Ende alle Menschen in Österreich gewinnen. Das steht und fällt mit dem Zugang zum Impfstoff.
Der Unmut in der Bevölkerung ist ohnehin groß. Erstmals ist eine Mehrheit laut Umfrage mit der Arbeit der türkis-grünen Regierung unzufrieden. Dieser Unmut ist auch bei der Corona-Bekämpfung spürbar: Immer mehr Menschen umgehen Lockdown-Maßnahmen und Quarantänen, auch die Demos der Corona-Leugner erfahren immer mehr Zulauf. Das sollte Ansporn genug für die Regierung sein, auf interne Reibereien vorerst einmal zu verzichten und besser als bisher zusammenzuarbeiten. (Petra Stuiber, 17.3.2021)