Dass auf Baustellen alles mit rechten Dingen zugeht, auch bei Dienstnehmern aus dem Ausland, dafür soll eine Identitätskarte nach Vorbild der E-Card sorgen.

Foto: Imago Images / Joaquim Ferreira

Wien – Beim Digitalisierungsprojekt Bauarbeiter-Card zur Eindämmung von Lohn- und Sozialdumping am Bau steht es Spitz auf Knopf. Am Donnerstag tagt der Vorstand der Bauarbeiterurlaubs- und Abfertigungskasse (Buak), um über die weitere Vorgangsweise in dem außer Tritt geratenen Vorhaben zu beraten.

Es stehen wichtige Entscheidungen an, allen voran die Vergabe des auf zwei bis 2,4 Millionen Euro taxierten Teilprojekts Softwareentwicklung. Dabei handelt es sich quasi um den Motor des von den Sozialpartnern unter Aufsicht des Arbeitsministeriums getragenen Projekts. Inklusive Bezahl- und Identifizierungssystem wird das Gesamtvolumen auf 2,9 bis 3,3 Millionen Euro geschätzt.

Wenige Interessenten

Nach dem Flop der ersten Teilausschreibungen ab Frühjahr 2020 – es gab jeweils nur einen Bieter – ist die Zahl der Interessenten dem Vernehmen nach auch im zweiten Anlauf überschaubar.

Als Favorit gilt in der Branche der Österreich-Ableger des finnischen IT-Hauses Tieto, ob dieses nun von der – eigens für dieses Bauausweis-kartenprojekt gegründeten – Buak-Tochter Bau-ID GmbH das Pflichtenheft bekommt, gilt als ungewiss.

Rahmenbedingungen fehlen

Der Grund: Die dringend notwendigen Rahmenbedingungen liegen noch immer nicht vor. Weder wurden im Arbeitsministerium die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die notwendige Übertragung der persönlichen Daten der in der Baubranche Beschäftigten an diese Bau-ID GmbH geschaffen noch liege die Freigabe für das notwendige Projektbudget vor, berichten Insider. Stirnrunzeln verursacht insbesondere die Koordinierung der auf vier Teile zersplitterten Aufträge von der Identitätsprüfung über die Bezahl- und Abrechnungsfunktion bis hin zur Herstellung von Software und Plastikkarte.

Ministerium als Aufsichtsbehörde

Im Ministerium, das inzwischen von Martin Kocher (für die ÖVP) geführt wird und als Aufsichtsbehörde der Buak fungiert, gibt es dazu keine aufschlussreichen Antworten. Man sei für Budgetfreigabe und Gebarung der Buak nicht verantwortlich, heißt es. Das war nicht immer so. Die zuständige Sektionsleiterin hatte sich das – knapp vor Ende der Übergangsregierung im Jänner 2020 noch rasch auf den Weg gebrachte – Unterfangen seinerzeit auf Punkt und Beistrich aufschlüsseln lassen – einschließlich der Businesspläne, wie es heißt. Seither stockt das Projekt.

Unter Schwarz-Blau hingegen war man mit dem sozialpartnerschaftlichen Unterfangen ebenso abgeblitzt wie bei Kochers Vorgängerin, Arbeitsministerin Christine Aschbacher (ÖVP). Beide hatten auf Errichtung einer von der öffentlichen Hand eingerichteten Plattform zur Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfung gedrängt, auf der die personenbezogenen Daten der teilnehmenden Firmen und Dienstnehmer authentifiziert und kontrolliert werden.

Gegen die Konkurrenz

Wie massiv die Fundamente sind, auf dem das Millionenprojekt nun gebaut werden soll, ist ebenfalls zu hinterfragen. Die Baufirmen scheinen nicht so recht an den Erfolg zu glauben. Viele von ihnen verlängern wohl nicht zufällig gerade ihre Lizenzen beim existierenden und wohlerprobten Konkurrenzprodukt, der Bau-Card der Porr AG, teils gleich für die nächsten zwei Jahre, wie es heißt.

Der projektverantwortliche Bau-ID-Geschäftsführer Martin Puaschitz weist alle Zweifel von sich. Die aktuellen Zeitpläne würden eingehalten – obwohl laut Bau-ID-Website bereits im Oktober der Probebetrieb beginnen sollte. Auch sämtliche Projektkosten seien seitens des Buak-Vorstands genehmigt, versichert der IT-Unternehmer, zugleich Obmann des Fachverbands Unternehmensberatung/IT in der Wiener Wirtschaftskammer, in einer Stellungnahme. Gut möglich, dass sich diese Angaben lediglich auf die rund 750.000 Euro beziehen, die bisher für Projektkosten und Rechtsbratung aufgelaufen sind.

Gesetzliche Grundlagen

Er sei "optimistisch, dass die notwendige gesetzliche Grundlage geschaffen wird", betont Puaschitz. "Denn letztlich sorgt das gemeinschaftliche Konzept der Bausozialpartner für eine Reduzierung von Lohn- und Sozialdumping und erhöht damit die Fairness auf heimischen Baustellen.",

Das allerdings erforderte ein anderes Konzept, warnen Kritiker. Mit Sozialversicherungsanmeldungen allein ließe sich Lohndumping bei rund 130.000 Beschäftigten nicht verhindern, tausende Bauarbeiter würden weiterhin geringfügig beschäftigt und ausgebeutet.

Nicht nur für eine Branche

"Wir brauchen kein Tool für eine einzelne Branche, sondern eine Plattform gemäß ‚EU-Governance Act‘ – mit Schnittstellen zu Finanz und Sozialversicherung und Frontends für die Baubranche, den Transportsektor und wo immer Abgabenhinterziehung im großen Stil läuft", sagen mit Sozialbetrug und komplexen IT-Architekturen vertraute Auskenner unter Verweis auf die jüngst aufgeflogenen Scheinbeschäftigungen in der Maskenherstellung. Daher müsse das Finanzministerium an zentraler Stelle eingebunden sein.

2018, also vor Projektstart, hatte der damalige Konsulent Puaschitz in seinem Gutachten der Branche übrigens noch empfohlen, die Baucard der Porr zu vergemeinschaften und in der Branche auszurollen. Als Geschäftsführer der Bau-ID Gmbh bezeichnet er dies nun als anzustrebenden Idealzustand, "der Rückschluss auf eine Mindestanforderung wäre aber unzulässig". (Luise Ungerboeck, 18.3.2021)