Medienexperte Fritz Hausjell hält eine Transformation der "Wiener Zeitung" hin zu einer digitalen Plattform oder Wochenzeitung für "wenig sinnvoll".

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Über die Zukunft der "Wiener Zeitung" soll Anfang nächster Woche beraten werden.

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  • Update: Aufsichtsrat tagt – Nach Informationen aus der "Wiener Zeitung" ist Anfang kommender Woche eine Sitzung des Aufsichtsrats zur Zukunft der republikseigenen Tageszeitung geplant.
  • Die Koalition verhandelt bisher über Finanzierungskonzepte nach dem Wegfall von zumindest einem Drittel der Einnahmen durch Pflichtinserate (sieben von fast 20 Millionen Euro) mit der geplanten Umsetzung einer EU-Richtlinie über Unternehmensinformationen.
  • Tageszeitungs-Ende. Grünen-Mediensprecherin Eva Blimlinger sprach schon vorige Woche vom Ende als Tageszeitung und einer Transformation in eine Wochenzeitung und eine digitale Newsplattform.
  • Social-Media-Kampagne Bekannte Persönlichkeiten wie die Salzburger Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler und AMS-Vorstand Johannes Kopf fordern in einer Social-Media-Kampagne den Erhalt der Wiener Zeitung.

Wien – Der Medienexperte Fritz Hausjell warnt davor, die "Wiener Zeitung" als gedruckte Tageszeitung zu verlieren. Mit 14 Titeln habe man in Österreich bereits die "Mindestausstattung" der medialen Vielfalt erreicht. Er erachtet es als sinnvoll, die älteste Tageszeitung der Welt als öffentlich-rechtliches Medium zu erhalten. So könne sie auch als Entwicklungslabor für modernen Journalismus fungieren, schlägt der Kommunikationsforscher vor.

Das im Regierungsprogramm vorgesehene Vorhaben, die Veröffentlichungspflicht von Unternehmen im "Amtsblatt" der "Wiener Zeitung" abzuschaffen, sorgt seit Wochen für Aufregung. Es dürfte aufgrund der nötigen Umsetzung einer EU-Richtlinie kurz bevorstehen und dadurch die Existenz der Zeitung in Papierform gefährden. Schließlich würde dadurch eine wesentliche Einnahmequelle wegfallen.

Hausjell warnt eindringlich davor: "Wir müssen eine gewisse Medienvielfalt erhalten, weil sie für den liberalen demokratischen Staat essenziell ist." Zudem seien positive Signale "absolut dringlich". Schließlich sei Österreich im internationalen Ranking der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen zuletzt wiederholt abgerutscht.

"Politische Fantasielosigkeit"

Die Vielfalt nun wegen einer EU-Richtlinie zu gefährden, sieht er als "politische Fantasielosigkeit". "Es gibt selbstverständlich die Möglichkeit, die 'Wiener Zeitung' zu einem öffentlich-rechtlichen Medium zu transferieren", sagte der an der Universität Wien beschäftigte Kommunikationsforscher. Damit müssten aber besondere Aufgaben einhergehen, um die Finanzierung rechtfertigen zu können, so Hausjell.

So solle die Tageszeitung auch weiterhin am Anzeigenmarkt keine große Konkurrenz für andere Titel darstellen, meinte der Medienexperte. Abgesehen davon könne die "Wiener Zeitung" als potenzielles öffentlich-rechtliches Medium als "Entwicklungslabor" fungieren. Sie solle etwa erproben, wie moderner Journalismus angesichts der Digitalisierung sowohl auf Papier als auch digital sein Publikum findet. Das käme im Endeffekt auch anderen Zeitungen zugute. "Wenn bei einem großen Blatt eine radikale Reform schiefläuft, dann wird es eng. Eine Zeitung, die verhältnismäßig risikoärmer agieren könnte, kann sich sehr viel mehr leisten und durchprobieren. Die konkurrenzierenden Zeitungen könnten dann Innovationen übernehmen oder eben auch nicht", skizzierte Hausjell seine Idee.

Wochenzeitung oder digital "wenig sinnvoll"

Laut der grünen Mediensprecherin Eva Blimlinger laufen Bestrebungen, die "Wiener Zeitung" zu retten, was jedoch "äußerst schwierig" sei. Sie glaubt an eine Transformation der Tageszeitung hin zu einer digitalen Plattform oder Wochenzeitung. Beides erachtet Hausjell als wenig sinnvoll. Eine Wochenzeitung hätte ein ähnliches Finanzierungsproblem, müsse aber in einem kompetitiveren Umfeld agieren. Eine rein digitale Zukunft der "Wiener Zeitung" würde dagegen für sie bedeuten, mit einem Schlag viel Publikum zu verlieren. Zudem liefere sie "sehr ausführliche, gut recherchierte Artikel, zum Teil auch abseits dessen, was andere Tageszeitungen anbieten", so der Medienexperte. Diese in den digitalen Raum zu transferieren, erachtet er als schwierig.

Drohendes Ende in Printform auch in sozialen Medien Thema

Auch in den sozialen Medien ist die Zukunft der Tageszeitung Thema. Auf den Kanälen der "Wiener Zeitung" sprechen sich Prominente mit dem Hashtag #unverzichtbarseit1703 versehen wie berichtet für deren Fortbestand aus. Den Start machte am Mittwoch Helga Rabl-Stadler, Präsidentin der Salzburger Festspiele. Am Folgetag lobte der AMS-Vorstand Johannes Kopf: "Die 'Wiener Zeitung' informiert objektiv und pointiert ihre LeserInnen, regelmäßig auch über die Herausforderungen am Arbeitsmarkt." Weitere Statements sollen folgen. Auch in einer am Montag gegründeten Facebook-Gruppe namens "Die Zukunft der Wiener Zeitung" diskutieren rund 800 Mitglieder eben über diese. (APA, red, 18.3.2021)