Corona ist eine schwere Krankheit, aber nicht die einzige, erklärt Ärztekammer-Präsident Thomas Szekeres bei einem Hintergrundgespräch am Donnerstag. Im zweiten Quartal 2020 haben die Lockdown-Maßnahmen der Bundesregierung bewirkt, dass etwa die Vorsorgeuntersuchungen um knapp 40 Prozent zurückgegangen sind, sagt ÖGK-Vizeobmann Andreas Huss.

"Liebe Frauen, geht bitte wieder zur Mammografie", lautet der Appell von Ingrid Reischl, ÖGB-Sekretärin. Das Brustkrebs-Früherkennungsprogramm sei von großer Bedeutung, denn gerade Brustkrebs sei mit einem Anteil von etwa 30 Prozent an allen Tumoren die häufigste Krebserkrankung bei Frauen.
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95.000 Gesundenuntersuchungen wurden im Vergleich zum Vorjahr nicht durchgeführt. Die Zahl der Mammografien und Koloskopien ging im Vorjahresvergleich sogar um je 13 Prozent zurück. "Die Folgeerkrankungen dieser Versäumnisse werden erst noch auftauchen", betont Huss. "Und die werden schwerer sein, als sie mit guter Vorsorge gewesen wären", ist er überzeugt.

Ingrid Reischl, leitende ÖGB-Sekretärin, fordert deshalb: "Wir müssen die Nebenwirkungen der Pandemie genauso bekämpfen wie das Coronavirus." Prognosen dahingehend, dass der Rückgang bei den Vorsorgeuntersuchungen aufgeholt werden würden, sind nicht eingetreten. "Die Auswirkungen könnten verheerend sein. Es ist wichtig, das jetzt nachzuholen", so Reischl.

Enormer Nachholbedarf

Daten zu den Auswirkungen gibt es Thomas Szekeres zufolge noch nicht. Einzelfälle seien aber schon zu beobachten. "Patienten kommen mit fortgeschritteneren Erkrankungen ins Spital, als das vorher der Fall gewesen wäre", erzählt er. "Wenn ich einen Tumor aber nicht rechtzeitig erkenne, kann es sein, dass ich ihn nicht mehr wirkungsvoll behandeln kann."

Einen besonderen Fokus müsse man jetzt aber auch auf die psychosoziale Gesundheit der Menschen legen. Viele Kinder und Jugendliche kämpfen mit Depressionserscheinungen, weil sie Freunde und Verwandte nicht mehr treffen können. Auch die erwachsene Bevölkerung sei betroffen. Die Stigmatisierung psychischer Probleme sei allerdings durch die Pandemie und viele Berichte in den Medien aufgebrochen worden, erklärt Andreas Huss.

Den Therapeuten und Einrichtungen stehe "ein großer Run" bevor, weshalb ein "massiver Ausbau" auch zwingend notwendig sei. An einer Aufstockung um 30 Prozent werde in allen Bundesländern bereits gearbeitet. (Julia Palmai, 18.3.2021)