Ich will mich nicht aufdrängen." So quittierte der Emigrant Bruno Kreisky nach 1945 die Tatsache, dass die sozialistischen Genossen wenig Lust zeigten, ihn aus dem schwedischen Exil, in das er mit knapper Not entkommen war, in die Nachkriegspolitik zurückzuholen. Manche, wie der Innenminister Oskar Helmer, waren ausgesprochene Antisemiten. Aber Christlich-Soziale und Sozialisten waren sich ohnehin einig, dass die Österreicher eine Wiederkehr der Juden nicht wollten.

Herbert Lackner, "Rückkehr in die fremde Heimat. Die vertriebenen Dichter und Denker und die ernüchternde Nachkriegswirklichkeit". € 22,95 / 200 Seiten. Ueberreuter, Wien 2021.
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Kreisky ist dann doch noch nach Österreich zurückgekommen und fand eine Stelle als Sekretär beim Bundespräsidenten Theodor Körner. Kreisky zeigte später eine merkwürdige, nicht nur politisch-zynische Affinität zu "bekehrten" Nazis. Vielleicht auch, weil ihm ein Nazi überhaupt die Flucht aus Österreich ermöglicht hatte. Wie Herbert Lackner im dritten Band seiner "Emigrations"-Trilogie erzählt, saß Kreisky im Ständestaat gemeinsam mit einem illegalen Nazi in der Zelle. Nach dem "Anschluss" ermöglichte ihm dieser die Ausreise nach Schweden (und wurde selbst wegen Kriegsverbrechen 1945 hingerichtet).

Lackner, lange Zeit Profil-Chefredakteur, hat in seinen ersten beiden Bänden (Die Flucht der Dichter und Denker, 2017, und Als die Nacht sich senkte: Europas Dichter und Denker zwischen den Kriegen und am Vorabend von Faschismus und NS-Barbarei, 2019) das Schicksal jener dutzenden österreichischer und deutscher Geistesgrößen geschildert, die aus großteils glänzenden Positionen vor den Nazis fliehen mussten – aus politischen wie aus "rassischen Gründen". Der nun vorliegende Band Rückkehr in die fremde Heimat ist im Grunde die Geschichte der meist enttäuschten Liebe jener, die trotz aller schrecklichen Erfahrungen aus dem Exil (meist den USA) in die Heimat zurückkehrten und sehr wenig begeistert empfangen wurden. Der Sprachkünstler Alfred Polgar besucht seine alte Wohnung in der Stallburggasse, die noch immer von einem Ex-Nazi besetzt ist, fragt den Hausmeister nach seiner Schwester und erhält "mit einer Stimme wie todgewordene Wurschtigkeit" die Antwort: "Die? Die haben s’ abgholt."

Das war Volkes Stimme. Das offizielle Österreich verhielt sich nicht viel anders. Gewiss, Rückkehrer wie der frühere Josefstadt-Direktor Ernst Lothar erhielten zwar wieder Positionen, aber auch viele Nazis wurden relativ rasch wieder pardoniert, und über die christlich-bodenständigen Künstler des autoritären Ständestaates ergossen sich Ehrungen und Aufträge. Die Moderne war verhasst. Der Abgeordnete Viktor Reimann von der Nazi-Nachfolgepartei VdU, später Krone-Kolumnist, polemisiert 1950 gegen den Bildhauer Fritz Wotruba: "Es gibt zwar Schmutz- und Schundgesetze, doch auf dem Umweg über die sogenannte moderne Kunst, beispielsweise eines Wotruba, kommt der Schmutz in ganzen Kübeln über unsere Jugend."

Lackner resümiert: "Das Letzte, das sie, die Flüchtlinge, in ihrer Heimat erlebt hatten, waren Demütigungen und Raub. Hier hatte man ihnen nach dem Leben getrachtet … Als sie zurückkamen, waren ihre Angehörigen verschwunden, ihr Besitz war in alle Winde verstreut … Von den Daheimgebliebenen wurden sie dennoch nicht als Opfer gesehen: War es den Emigranten nicht in ihrem Exil besser gegangen als ihnen zu Hause? Waren nicht eigentlich sie, die Dagebliebenen, die wahren Opfer?" (Hans Rauscher, 18.3.2021)