Innenminister Karl Nehammer (links) und Andreas Holzer, der Direktor des Bundeskriminalamtes, bei der Präsentation der Kriminalstatistik 2020.

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Den 21. Mai 2020 hat sich Andreas Holzer, der neue Direktor des Bundeskriminalamts, rot angestrichen. An diesem Tag wurde in ganz Österreich kein einziger Wohnungseinbruch gemeldet. Sonst sind es im Schnitt 25 jeden Tag. Das erste Corona-Pandemie-Jahr hat der Anzeigenstatistik erwartungsgemäß generell einen Tiefpunkt beschert: 433.811 strafrechtlich relevante Delikte wurden 2020 registriert, verglichen mit 2019 ein Minus von 11,3 Prozent. Im Jahr 2011 gab es noch 100.000 Anzeigen mehr.

Die Lockdowns im Vorjahr haben also auch die kriminelle Energie gebremst. Da so ein Rekordminus die Latte für die kommenden Jahre recht hoch legt, betont Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) jetzt schon, dass das Corona-Jahr 2020 wohl künftig nicht ernsthaft vergleichbar sein werde. 2022 darf also mit einem saftigen Plus in der Kriminalitätsstatistik gerechnet werden – egal ob heuer weitere Lockdowns folgen oder nicht.

Neuer Cybercrime-Rekord

Denn eines hat sich jetzt schon gezeigt: Verbrecher und Pülcher haben ebenfalls schnell ins Homeoffice gewechselt. 35.950 Cybercrimedelikte wurden im Vorjahr angezeigt – ein neuer Rekord; um ein Viertel mehr als 2019, um das Zehnfache mehr als vor zehn Jahren.

Franz Ruf, Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, weist darauf hin, dass es überhaupt nur noch wenige Delikte gänzlich ohne IT-Bezug gebe. Sämtliche Polizeidienststellen, von der Polizeiinspektion über die Forensik bis zur Zentralstelle im Bundeskriminalamt, sollen deswegen fachlich und infrastrukturell ausgebaut werden.

Eurojust vermeldet Erfolg

Die größten Cybercrime-Brocken sind Betrugsdelikte wie Investmentgeschäfte mit hohen Renditeversprechen. Ganz vorn mit dabei: Bitcoin-Abzocker. Nur internationale Polizeikooperation kann derartige Geschäfte zerschlagen: Eurojust, die EU-Agentur für justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen, vermeldete am Donnerstag einen Schlag gegen eine bulgarisch-ukrainische Tätergruppe, die mit fiktiven Firmen samt gefälschten Webauftritten rund 8,5 Millionen Euro ergaunert haben soll. Opfer waren 350 Investoren aus Österreich und Deutschland.

Geradezu explodiert ist im Vorjahr der Bestellbetrug in Österreich, und zwar sowohl auf der Verkäufer- als auch auf der Käuferseite. Immer öfter werden also bestellte Waren nicht geliefert oder nicht bezahlt. Eng damit verbunden ist Diebstahl oder missbräuchliche Verwendung von Kreditkartendaten.

Zunahme von Love-Scamming

Stark zugenommen in Zeiten der Pandemie-bedingten Einsamkeit hat auch Love-Scamming. "Romantik-Schwindler machen sich via Social Media an gutgläubige Menschen heran, denen sie dann mit verschiedenen Ausreden Unsummen herauslocken", so Holzer. Vorauszahlungsbetrug heißt diese Masche.

Mit 1.700 Anzeigen hat das Bundeskriminalamt im Vorjahr auch einen neuen Höchstwert beim Onlinehandel mit Bildern und Filmen von Kindesmissbrauch verzeichnet. Holzer verwies in diesem Zusammenhang auf die gute Zusammenarbeit mit der US-Organisation National Center for Missing and Exploited Children (NCMEC). Diese Organisation trage viel zur Identifikation von Opfern und zur Ausforschung von Tätern bei.

Online-Erpressungen zurückgegangen

Eine Cybercrime-Sparte ist im Vorjahr zurückgegangen: Firmenerpressungen mit der Androhung, Systeme lahmzulegen. Holzer ist sich sicher, dass das mit erfolgreichen Schwerpunktermittlungen des Bundeskriminalamts zu tun hat. So konnten nicht weniger als 5.300 derartiger Erpressungsversuche sechs internationalen Gruppierungen zugeordnet und diese schließlich zerschlagen werden. Danach war es ruhiger in diesem Metier.

Mehr Fälle geklärt

Generell darf sich die Polizei wegen einer neuerlichen Steigerung der Aufklärungsrate auf die Schulter klopfen. 54,2 Prozent aller angezeigten Fälle endeten im Vorjahr mit einer Klärung (plus 1,7 Prozentpunkte verglichen mit 2019). Die höchste Aufklärungsquote wird bei schweren Gewaltdelikten erzielt. In fast neun von zehn Morden konnte der Mörder ausgeforscht werden.

Die Statistik weist für das Vorjahr 43 Mordfälle mit 54 Opfern (31 davon waren Frauen) aus. In sieben von zehn Morden kannten einander Täter und Opfer. Die vier Todesopfer des Terroranschlags von Wien seien noch nicht inkludiert, weil die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen seien, erklärte Innenminister Nehammer. (Michael Simoner, 18.3.2021)