Der OGH erteilte dem juristischen Kniff der Drogeriekette DM eine deutliche Absage.

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Mit der Treue ist das in langjährigen Partnerschaften so eine Sache. Davon können auch die Handelsriesen DM und Spar, die seit 40 Jahren gesellschaftsrechtlich verwoben sind, ein Lied singen. Die Zusammenarbeit, die jahrzehntelang friktionsfrei ablief, mündete ab 2017 in mehreren Gerichtsverfahren.

Ausgangspunkt des Streits war die Entscheidung über das Kundenbindungsprogramm "Payback". Um den Einfluss des Lebensmittelhändlers zurückzudrängen, versuchte DM zunächst, die Beteiligung von Spar als unzulässiges Kartell einstufen zu lassen, scheiterte damit aber vor dem Obersten Gerichtshof (OGH). So auch im aktuellen Fall: DM hatte per Generalversammlungsbeschluss einen Spar-Gesellschafter abberufen – zu Unrecht, wie das Höchstgericht entschied. Mit der Anfechtung des von der Generalversammlung beschlossenen Rabattsystems selbst drang Spar allerdings nicht durch. (OGH 18.2.2021, 6 Ob 155/20t)

Vetorecht für Spar

Im Jahr 1981 brachte der Spar-Konzern seine Drogeriemärkte in die Gesellschaft von DM ein und erwarb dadurch 32 Prozent der Geschäftsanteile an der Kette. Um auch mitentscheiden zu können, ließ sich das Unternehmen im Vertrag das Entsendungsrecht für eines von vier Aufsichtsratsmitgliedern einräumen. Außerdem sicherte sich Spar ein Mitspracherecht bei wichtigen Angelegenheiten der DM-Geschäftsführung: Der vom Konzern entsandte Aufsichtsrat bekam ein faktisches Vetorecht.

Als die Drogeriekette 2017 die Einführung des Rabattsystems plante, stellte sich Spar quer und kündigte an, vom Vetorecht ihres Aufsichtsrats Gebrauch zu machen. DM suchte nach einem Weg, das Veto zu umgehen und fand in § 30c GmbH-Gesetz eine mögliche Lösung.

Der Paragraf sieht vor, dass das Entsendungsrecht einer Gesellschafterin grundsätzlich nicht auf eine andere Gesellschafterin übertragen werden darf. Spar tat dies aber im Zuge einer konzerninternen Umstrukturierung im Jahr 2004. An der Person des entsendeten Aufsichtsratsmitglieds änderte sich zwar nichts, DM argumentierte allerdings, dass Spar durch den Konzernumbau das Entsendungsrecht verloren habe.

Treuepflichten überwiegen

DM berief mit einem Beschluss der Generalversammlung das von Spar entsandte Aufsichtsratsmitglied ab. Der Lebensmittelhändler, der von Irene Welser und Thomas Zivny von Cerha Hempel vertreten wurde, klagte und bekam recht: Der OGH erteilte dem juristischen Kniff der Drogeriekette eine deutliche Absage.

Das Höchstgericht teilte die Ansicht, dass das ursprünglich eingeräumte Entsendungsrecht im Zuge der Umstrukturierung nicht auf die neue Spar-Gesellschafterin überging. Eine Berufung darauf entspreche aber nicht den zwischen den Gesellschaftern gewachsenen Treuepflichten.

DM habe die Entsendung des Aufsichtsratsmitglieds auch nach der Umstrukturierung zunächst 13 Jahre lang akzeptiert. Durch die dauerhafte Zubilligung des Aufsichtsrats habe die Drogeriekette "den Vertrauenstatbestand geschaffen, das Entsendungsrecht anzuerkennen".

OGH ungewöhnlich deutlich

Laut OGH hätten die Gesellschafter fast 36 Jahre lang "im Wesentlichen friktionsfrei" zusammengearbeitet. Das habe sich erst im Laufe des Jahres 2017 geändert, als grundlegende Meinungsverschiedenheiten über die Schaffung des Kundenbindungsprogramms zu Tage traten. DM habe dann begonnen "nach juristischen Mitteln und Wegen zu suchen, wie man die Klägerin (Spar, Anm.) entmachten und ‚ausbooten‘ könne, um das Kundenbindungsprogramm doch noch durchziehen zu können." Mit dem gemäß § 30c GmbHG weggefallenen Entsendungsrecht in den Aufsichtsrat sei die Drogeriekette schließlich "fündig" geworden. Und das Höchstgericht wurde ungewöhnlich deutlich: "So geht man mit einem langjährigen Geschäftspartner nicht um."

Die Treuepflicht der Gesellschafter gebiete auch bei der Ausübung des Stimmrechts in der Generalversammlung eine angemessene Berücksichtigung der Interessen der Mitgesellschafter, so der OGH. Dafür, dass die Entscheidung für das Rabattsystem selbst nichtig sei, sah das Höchstgericht allerdings keinen Anhaltspunkt. Der Entschluss der Geschäftsführung wurde letztlich wirksam durch die Generalversammlung genehmigt. (Jakob Pflügl, 18.3.2021)