Ciara Burns ist voller Vorfreude. Ihr Ziel heißt Antigua. Türkisblaues Meer, weißer Sand, brauner Rum – auf der Karibikinsel kann man es aushalten. Ein wenig Erholung wird der Studentin nicht schaden. Denn Burns reist nicht mit dem Flugzeug an, sie steigt auch nicht aus dem Traumschiff. Nein, die 26-Jährige rudert über den Atlantik. Die Strecke von Teneriffa bis zu den Kleinen Antillen führt über mehr als 2600 Seemeilen. Das sind, damit auch Binnenländler folgen können, 4800 Kilometer. Oder 1600 Mal rund ums Gänsehäufel.

Ciara Burns wird nicht länger als zwei Stunden am Stück rudern. Sie wird aber auch nicht länger als zwei Stunden am Stück schlafen.

"Es ist ein großes Unterfangen, ein gewaltiges Abenteuer", sagt Burns dem STANDARD. Den Traum von der Überquerung trägt die Niederösterreicherin seit Jahren mit sich herum. "Mit 16 habe ich das Buch Little Lady, One Man, Big Ocean gelesen. Es geht um ein Paar aus Irland, das über den Ozean rudert. Diese Idee hat mich nicht mehr losgelassen." Auch Burns Vater ist Ire: "Wir sind oft auf den Klippen gestanden. Er hat mir die Strömungen erklärt. Das Meer hat mich magisch angezogen."

Nun wird der Traum von der großen Überfahrt in die Tat umgesetzt. Am kommenden Dienstag geht es los – sofern das Wetter mitspielt: "Im Moment sieht die Prognose gut aus." Burns macht sich nicht allein auf den Weg, sie ist Teil einer zwölfköpfigen Besatzung. Sechs Frauen und sechs Männer, elf aus England, eine aus Österreich. Zu jedem Zeitpunkt – die Überquerung dauert 30 bis 40 Tage – sollen sechs Personen rudern und sechs Personen schlafen. Gewechselt wird im Zwei-Stunden-Takt. Es ist der Albtraum aller Couch-Potatoes.

Grenzen ausloten

Burns setzt auf den Gewöhnungseffekt: "Dieser Schlafrhythmus hat sich bewährt. Erfahrungsberichte sagen, dass die ersten vier Tage anstrengend sind, dann stellt sich der Körper darauf ein." Aber woher nimmt man die Motivation für eine derartige Tortur? "Man darf nicht zu viel darüber nachdenken, sonst macht man es nicht. Vielleicht will ich die Grenzen ausloten. Vielleicht will ich nur wissen, wie weit ich gehen kann." Es ist gewiss eine Reise ins Ungewisse: "In so ein Abenteuer geht man gut vorbereitet – aber auch mit etwas Naivität."

So sieht die Roxy aus. Dieses Boot ist in den kommenden Wochen das Zuhause des 12-köpfigen Teams.
Foto: Privat

Burns studiert Biomedical Engineering. Sie stellt sich am Atlantik in den Dienst der Wissenschaft. In Zusammenarbeit mit Professor Eugenijus Kaniusas von der TU Wien wird sie ihre Herzfrequenz elektronisch aufzeichnen. Wie geht der Körper mit der Belastung um? Stimmt das subjektive Erschöpfungsgefühl mit objektiv messbaren Parametern überein? Diese Fragen sollen mit eigens dafür entwickelten Analysemethoden beantwortet werden. Die Universität erwartet sich neue Erkenntnisse über Regeneration in Extremsituationen.

Um zu erahnen, dass die kommenden Wochen an die Substanz gehen werden, benötigt es keinen Hochschulabschluss. Etwa 10.000 Kalorien wird Burns am Tag verbrennen. Etwa zehn Liter wird sie pro Tag trinken. Das Trinkwasser wird auf dem Boot mit einer Osmoseanlage aus Meerwasser gewonnen, den Kalorienbedarf wird das Team mit Astronautennahrung decken – und trotzdem muss man mit einem Gewichtsverlust von etwa zehn Kilogramm rechnen. Man kann gar nicht so viel essen, wie man rudern muss.

Burns ist hart im Nehmen. Bevor sie vor zwei Jahren mit dem Rudern anfing, spielte sie Rugby bei Union Donau Wien. Sogar der Sprung ins Nationalteam ist dem Energiebündel geglückt, nur irgendwann streikte das Knie. "Da wusste ich, dass es Zeit wird, den atlantischen Plan zu verwirklichen." Und dieser Plan ist nicht billig. 20.000 Euro kostet der Spaß pro Nase. Die Roxy, so heißt das Schinakel, ist aber auch State of the Art. Wenn man schon über den Ozean schippert, dann wenigstens mit LED-Beleuchtung an Deck.

Land in Sicht? Noch lange nicht.
Foto: Privat

Geschichte schreiben

Die Ocean Rowing Society führt akribisch Buch. Zwei Österreicher haben den Atlantik bisher im Ruderboot bezwungen. Lukas Haitzmann erreichte Antigua im Februar 2019, Wolfgang Fankhauser tat es ihm 2020 gleich. Beide waren solo unterwegs. Ciara Burns will als erste Österreicherin in die Karibik rudern. Kann dieses Projekt scheitern? Die Hohe See ist unberechenbar. Aber "das Boot ist so konstruiert, dass es nicht kentern kann". Die Rückreise wird Burns trotzdem mit dem Flieger antreten: "Das wäre zu extrem. Man muss es nicht übertreiben." (Philip Bauer, 18.3.2021)